Willie Nelson trotzt dem Alter mit einem wunderbaren neuen Album

Willie Nelson FOTO: Sony Music

Der ungekrönte König des Country ist immer noch aktiv. Immer noch kreativ. Und gut. Zu seinem 85. Geburtstag veröffentlicht Willie Nelson ein Album mit elf originalen Songs. Die zentrale Botschaft: (“I don’t want to be the last man standing/ Oh wait a minute, maybe I do…”

Von Dylan Cem Akalin

Dieses 73. Studioalbum hebt sich von den bisweilen etwas sprunghaften Produktion ab. Die Songs liegen zwischen trotzigen Lebensbeichten, melancholischer Nostalgie und Humor. Wie heißt es bei „Bad Breath“? „Schlechter Atem ist besser, als gar nicht mehr zu atmen.“ Oder in „Heaven Is Closed“? “So I think I’ll stay where I am”. Der Mann ist genial. Und sein Songwriterpartner und Produzent ist der großartige Buddy Cannon. Es ist dieser Sinn für Humor, der Nelsons Charakter in seiner Arbeit hell erstrahlen lässt und seinen exzellent geschriebenen Songs eine Persönlichkeit verleiht, die nur wenigen anderen gelingt, besonders wenn man die Schwierigkeit des Themas berücksichtigt.

Der Titeltrack ist eine Hommage an Nelsons Freunde, die verstorben sind, einschließlich der Outlaw-Legende Merle Haggard, der 2016 starb. Willie fragt sich in dem Song auch, welcher seiner Freunde als nächstes kommt. Sowas gelingt nicht jedem,  solch morbide Kontemplation zu solch einem optimistischen und leicht fröhlichen Song zu verarbeiten. Das Thema von Leben und Tod ist eng mit dem Album verbunden und wird fast immer mit Nelsons scharfem Witz und seiner Wertschätzung für das Leben konfrontiert.

Gefühlt liegen die Lieder zwischen Johnny Cash-Klassikern und James Taylor-Singer/Songwriter. Nelson und Cannon vermischen die Musikstile jedoch mit einer Reihe von Schnitten, die auf den Western Swing aus den Ballrooms von Nelsons Jugend zurückgehen. Willie singt mit markanter Unbekümmertheit  und spielt immer noch eine akustische Gitarre mit jazzigem Elan.

„Me and You“ ist ein vielleicht resigniertes Stück politischer Stellungnahme: „Ich kann’s nicht mehr hören/ Es ist, als wäre ich in einem fremden Land“. Der Song, der vielleicht am tiefsten schlägt, ist die Break-Up-Ballade „Something You Get Through“. Willies ikonoklastisches, individualistisches, liberales Selbst verbiegt sich zum Herzen und fordert den Tribut, den es fordert. Ein Song über den schmerzhaftesten Verlust. „I Ain’t Got Nothin“ ist weniger einfühlsam, aber nicht weniger denkwürdig, schon wegen eines Satzes wie diesen: „Ich habe dir einen Ring gegeben und du hast mir den Finger gegeben“. Willie Nelson gibt uns mit diesem Album mehr als nur einen Ring.