Live in Essen: Die tiefe Seele des Joe Jackson

Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter "Beppo" Szymanski

Was für ein ungeheures Potenzial doch in diesen teilweise mehr als 25 Jahre alten Songs von Joe Jackson stecken! Der 61-Jährige hatte am Montagabend jedenfalls kein Problem, das Publikum im wunderschönen Lichtburg-Theater in Essen schnell für sich einzunehmen. Und das gleich von Anfang an, als sich Jackson bei den ersten fünf Liedern allein am E-Piano begleitete. Er hätte so weitermachen können. Mehr braucht der Mann mit dem Allerweltsnamen wahrlich nicht!

„Ich bin mein eigener Opening Act“, scherzte Joe Jackson, der trotz Erkältung recht gut aufgelegt war und die Stimme mit einem „magischen Tee“ geschmeidig hielt. Das ging fast zwei Stunden auch gut – bis auf ein paar kleine Aussetzer in den hohen Lagen seines „Slow Song“, den er schon seit Ewigkeiten immer als letztes Stück spielt.

Er covere hin und wieder auch mal seine eigenen Lieder, sagte Jackson augenzwinkernd. Doch das ist natürlich total tiefgestapelt. Wie er gleich mit dem Opener „It’s Different For Girls“ diesen Zauber entfaltete, aus einem Stück, das 1979 sicherlich unter dem Eindruck des Punk und der einzigartigen Rhythmusarbeit von The Cure entstand, war eine Klasse für sich. Oder „Home Town“. Gerade die einsame Instrumentierung, die Akzentuierung auf Text und die Zurückhaltung im Tempo machten aus diesem Song eine poetische kleine Geschichte mit enorm viel Wehmut und Herz.

Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter "Beppo" Szimanski
Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter „Beppo“ Szymanski

Eigentlich eine Grundstimmung, die in Stücken wie „Fast Forward“ auf dem aktuellen Album auch vorherrscht. Wobei bei Joe Jackson ja diese zwei Seelen immer aneinander ziehen: dieser auch schon mal leidende Liebende, der die Zeilen aus der tiefsten Seele hinauspresst, aber auch der über das Leben ungehemmt Jubilierende.

Aber wo wir gerade bei Cover-Stücken sind: Zwei besondere Stücke verehrter Kollegen präsentierte Joe Jackson auch an diesem Abend. Joni Mitchells „Yellow Taxi“ kam als rasante Ragtime-Nummer („So würde Joni klingen, wenn sie keine Gitarristin aus Kanada, sondern eine Pianistin aus New Orleans wäre.“), David Bowies „Scary Monsters (and Super Creeps)“ blieb zwar sehr nah am Original, doch mit der für Jackson typischen Ausgelassenheit eines Zirkusdirektors. Eine wirklich facettenreiche, sehr lebenslustige Nummer, die geradezu kleine Comicfiguren vor dem geistigen Auge auf die Bühne springen ließ.

Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter "Beppo" Szimanski
Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter „Beppo“ Szymanski

Erst bei „Is She Really Going Out With Him?“, das übrigens auch durchaus als Bowie-Song durchgehen könnte, kommen nach und nach die Musiker auf die Bühne. Im Hintergrund warfen bisher schwere Vorhänge schwarze Schatten ins Tiefblau, das in Violett und Rot wechselt. Ein großartiges Bild. Graham Maby (Bass), Doug Yowell (Drums) und Teddy Kumpel (Guitar) beweisen im Folgenden, was für eine erstklassige Band Jackson da zusammengestellt hat.

Maby, dieser so unverschämt jugendlich wirkende Mann, ist 63 Jahre alt und gehörte schon zu Jacksons erster Band in den 1970er Jahren. Yowell, der auch für Christopher Cross, Susan Vega und andere spielt, hat den kraftvollen Stil eines Brian Blade. Der New Yorker Gitarrist Teddy Kumpel hat einen so exzellenten Sound und ist ein so effektvoller Saitenmann, dass er selbst mit kleinen Einlagen immer auffällt. Die Liste der Künstler, für die Kumpel arbeitet und gearbeitet hat, ist beeindruckend. Unter ihnen sind Rickie Lee Jones, Feist, Nine Inch Nails, Laura Branigan, Omar Hakim, Janet Jackson und Paquito D’Rivera. Noch Fragen?

Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter "Beppo" Szimanski
Joe Jackson am 15. Februar 2016 in der Lichtburg, Essen. FOTO Peter „Beppo“ Szymanski

Und ja, „Steppin‘ Out“ hat der Mann, der aus dem englischen Burton-upon-Trent, Staffordshire, stammt, auch gebracht – und zwar in einer atemberaubenden Version. Entstaubt vom Sound der frühen 80er, die Drehzahl ordentlich runtergeschraubt, die Instrumentierung sparsam eingesetzt wurde, aus diesem tanzbaren Hit von 1983 eine gefühlvolle Ballade mit Tiefgang.

Nach fast zwei Stunden gab es tosenden Applaus. Der Abend hatte nur ein Manko: Dem Mann hätte man noch stundenlang weiter zuhören können.