So war das Doppelkonzert von Florian Weber Quartet und Yellowjackets im Posttower beim Jazzfest Bonn 2025

Jazzfest Bonn 2025: Yellowjackets im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Von Dylan C. Akalin

Zwei Formationen, zwei ästhetische Welten. Was das Jazzfest Bonn an diesem Abend präsentiert, ist nicht nur musikalisch hochkarätig, sondern auch dramaturgisch klug konzipiert: das kontemplative, farbenreiche Spiel des Florian Weber Quartetts trifft auf die elektrifizierte Energie der Yellowjackets

Lyrische Strömungen – das Florian Weber Quartett

Ein Mann, ein Ton. Florian Weber eröffnet das Konzert mit einem Ensemble, das durch feine Zwischentöne und eine fast kammermusikalische Intimität besticht. Schon im ersten Stück, „Anna“, entfaltet sich eine fragile Klangarchitektur: Webers Klavierspiel ist klar und poetisch, voller Raum für Stille und Andeutung. Die linke Hand tastet sich vorsichtig vor, während die rechte glitzernde Linien spinnt, ohne sich je aufzudrängen.

Florian Weber Quartet am 15.05.2025 im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Die ersten Stücke „Anna“, „Tribute“ und „Billiant Waters“ gehen ineinander über und scheinen eine Geschichte zu erzählen. Der Titel „Anna“ bezieht sich auf Anna-Lena Schnabel, die an Flöte und Saxophon eine beeindruckende Vielseitigkeit beweist – die Flöte klingt bei „Tribute“ wie ein ferner Windhauch, bei „Frederic“ hingegen bricht sie in tänzelnden Gesten hervor. 

Drummer Jeff Ballard ist eine Sensation

Wie Drummer Jeff Ballard, bekannt durch sein Spiel mit Brad Mehldau, seinem Instrment mit Fäusten, Fingernägeln und diversen Schlagstöcken an Tönen zaubert, die quietschenden Becken, die filigranen Pianotupfer, das eindringliche Bassspiel. Man wähnt sich in einem verlassenen Farmhaus, durch dessen Räume man des Nachts umherirrt. 

Florian Weber Quartet am 15.05.2025 im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Schnabels Spiel changiert zwischen expressivem Aufbegehren und zerbrechlicher Zurückhaltung, stets in engem Dialog mit Webers harmonischer Welt. Sie macht klangliche Metamorphosen durch. Mal unheimlich wie ein Rabenflug durch die Nacht, schablonenhaft wie ein experimentelles Schattenspiel, laut und aggressiv wie ein Wind, der an Vorhängen und Lichtern zerrt. Sie brummt und summt während des Spiels ihrer Querflöte, krümmt sich, entwirft dissonante Gegenmodelle zum flirrenden Piano, um sich dann urplötzlich in Harmonie mit Piano und den anderen Instrumenten zu vereinen. Großes Kino!

Auch wie sie dann plötzlich zusammen mit Bass und Drums zu swingen beginnt, sie sich jagen, treiben. Ballard spielt hier die Hauptrolle des Treibenden, auf das sich Weber gerne einlässt. Sein konzentrierter Blickkontakt mit Ballard sagt alles. 

Florian Weber Quartet am 15.05.2025 im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Michel Benita am Kontrabass ist das ruhende Zentrum des Quartetts. Sein Ton ist warm, fast singend, besonders in „Michel“ – einer Komposition, die ihn bewusst ins Licht rückt. Jeff Ballard am Schlagzeug arbeitet mit feinsten Texturen. Er streichelt, wispert, skizziert rhythmische Strukturen, ohne sie je zu fixieren. Besonders in „Costeau’s Point of View“ entsteht so ein Gefühl von Tiefe und Bewegung, als tauche man in unterseeische Klangräume hinab.

Farben des Lichts – die Yellowjackets

Nach der Pause dann ein stilistischer Sprung – und doch kein Bruch. Die Yellowjackets betreten die Bühne mit einer Eleganz und Coolness, die auf Jahrzehnte gemeinsamer Spielkultur verweist. Keyboarder Russell Ferrante öffnet mit „Broken“ eine harmonische Welt, in der sich Fusion, Funk und Jazz zu einem polyrhythmischen Gebilde verweben. Seine Voicings sind dicht, oft überraschend, aber nie manieriert – sie bilden das Rückgrat der Band. Alles, was diese Band anpackt klingt so leicht, so unkompliziert – und auf verblüffende Weise komplett. Da ist nichts zu viel, nichts zu wenig.

Die Coolness in Person: Bob Mintzer

Bob Mintzer ist die Coolness in Person. Keine Geste zu viel. Am Saxophon agiert er als dynamisches Kraftzentrum. Sein Ton ist satt, voller Energie, aber stets kontrolliert. In „Monk’s Habit“ zitiert er den Altmeister mit kantiger Eleganz, um dann in „Intrigue“ förmlich zu explodieren – ein Solo, das sich aufbaut wie ein innerer Monolog, getrieben von Fragen, Antworten und feuriger Artikulation. Bei „Inevitable Outcome“ spielt er das EWI, sehr Fusion, sehr melodiös trotz komplexer Harmonien.

Jazzfest Bonn 2025: Yellowjackets im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Dane Alderson am sechssaitigen E-Bass bringt eine technische Raffinesse mit, die er niemals zur Schau stellt. Seine Läufe sind fließend, oft fast gitarrenähnlich, und in „Greenhouse“ lässt er seine Linien wie Pflanzenranken durch das harmonische Gefüge wachsen. Will Kennedy schließlich hält alles zusammen – sein Schlagzeugspiel ist zugleich erdig und brillant, bei „Fasten Up“ treibt er die Band mit pointierten Akzenten in einen nahezu ekstatischen Flow.

Klangdialoge zwischen Welten

Die Strings im Intro von „Greenhouse“, über das Mintzer ein berührendes Saxophonsolo spielt, täuschen zunächst eine Ballade vor. Das Tempo zieht dann aber an, die unisono gespielte Hookline von Bass und Sax über die fetten Akkorde des Pianos und die atmosphärische Dichte des Sax am Ende machen aus der Nummer ein echtes Liveerlebnis. 

Jazzfest Bonn 2025: Yellowjackets im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Wunderbar auch der frotzelnde Bass bei „Fasten Up“, die Präzision des Zusammenspiels bei den Breaks und rasanten Passagen. Zum Niederknien schön: der Bass bei „The Truth of You.“ Dass die Band erst am Vortag aus den USA angereist sind und hier in Bonn ihre Europatour starten, also entsprechend noch unter Jetlag stehen, ist ihr nicht anzumerken. 

Der stille Dialog

Was diesen Abend so besonders macht, ist nicht nur die Qualität der Darbietungen, sondern der stille Dialog zwischen den beiden Ensembles. Während das Florian Weber Quartett durch seine fließenden Strukturen eher introvertierte Klangräume öffnet, sind die Yellowjackets ein pulsierender Organismus, der mit rhythmischer Präzision und orchestraler Dichte arbeitet.

Und doch gibt es Überschneidungen: in der Suche nach Tiefe, in der Detailversessenheit, in der Fähigkeit, das Publikum mitzunehmen – nicht mit Lautstärke, sondern mit Substanz. Das Jazzfest Bonn beweist mit diesem Doppelkonzert einmal mehr, dass es nicht nur ein Ort für große Namen, sondern für große Erzählungen ist – erzählt in Klängen, Improvisationen, in Stille und Ekstase.

Jeff Ballard FOTO: JFB/Heike Fischer
Jazzfest Bonn 2025: Yellowjackets im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer
Jazzfest Bonn 2025: Yellowjackets im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer
Florian Weber Quartet am 15.05.2025 im Post Tower FOTO: JFB/Heike Fischer

Besetzungen und Setlist

Florian Weber Quartett: Florian Weber (Klavier), Anna-Lena Schnabel (Flöte, Saxophon), Michel Benita (Doublebass), Jeff Ballard (Schlagzeug)

Setlist:

Anna
Tribute
Billiant waters
Michel
The Follower 
Costeau‘s Point of View
Frederic
Plop

Yellowjackets: Russell Ferrante (Keyboards), Bob Mintzer (Saxophon), Dane Alderson (E-Bass), Will Kennedy (Schlagzeug)

Setlist:

Broken
Inevitable Outcome
Monk’s Habit 
Greenhouse
The Truth of You 
Fasten Up
Intrigue 
Revelation