Rockaue Bonn: Tolles Programm mit Danko Jones, Kyle Gass Band, Heißkalt, Vola, Blues Pills uvm.

Einfache Stöcke reichen nicht aus: Phillip "Maddin" Mirtschink von The Picturebooks FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Es war das bislang beste Programm auf der Rockaue. 35 Stunden Musik auf drei Bühnen – da galt es immer wieder eine qualvolle Entscheidung zu treffen, auf was man nun verzichten musste. Das Wetter war ein Traum, die Feuerwehr sorgte immer wieder für Massenduschen an den Bühnen, eine völlig entspannte Stimmung und unwahrscheinlich gute Musik. Was will man mehr? Aus Sicht der Veranstalter eigentlich nur eins: Mehr Publikum. Mit schätzungsweisen 7000 Besuchern war das Ergebnis mehr als enttäuschend. Die Veranstalter sprechen von 10.000, und die Polizei schätzt, dass etwa 5000 in die Rheinaue gekommen seien. Woran lag’s? Gibt es vielleicht ein Überangebot an guten Musikveranstaltungen? War’s der Eintrittspreis für eine R(h)einkultur-verwöhnte Szene, die der Kostenloskultur nachweint? Was es auch war, jene Musikfans, die nicht da waren, haben echt was verpasst. Für Besucher Georg (59) gilt nur eine Sorge: „Ich will, dass es die Rockaue weitergibt.“ Der Bonner hat jede R(h)einkultur besucht. Sein Fazit: „So eine tolle Stimmung hat es da nie gegeben.“ Mehr Fotos gibt es hier.

Von Dylan Cem Akalin

Wie auch immer. Für uns von jazzandrock.com steht jedenfalls fest, dass wir im kommenden Jahr mit mehr Autoren vor Ort sein werden, um möglichst viel abzudecken. Deshalb diesmal eine Musikkritik ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Fynn Grabke von The Picturebooks FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Fangen wir bei den Überraschungen an. Gütersloh? Echt jetzt? The Picturebooks machen Musik aus der Wüste Arizonas oder New Mexikos. Stoner Rock, psychedelic Blues Rock, stampfende, hypnotische Drums, scharfe Gitarren, irgendwo im musikalischen Bermudadreieck zwischen Giant Sands, Doors  und Two Gallants. Ihre Musik: Leidenschaft pur, die wohl aus dem Herzen der Skater und Motorradfreaks kommt, die Fynn Claus Grabke (Gesang und Gitarre) und Philipp Mirtschink (Drums) bekennenderweise sind. Traumhafter Auftritt! Mehr Fotos.

Die Brachialprogressivemetalband Atlin eröffnete mittags das Programm auf der Rock’n‘ Heavy-Stage. Sorry, wenn ich noch nie was von den Bonnern gehört hatte. Die Truppe, bestehend aus Denis Fel und Jalal Naji (Vocals), Julian Suhr und Florian Umbreit (Gitarren) sowie Marius Franke (Bass) und Maximilian Pavlidis (Drums) hat eine hochgradige Power, Musik, die Funken schlägt zwischen dem Wechsel von knallharten Riffs, melodiösen Gitarrenlinien, Growling und harmonischem Gesang. Eine Band, von der man auch mal ein abendfüllendes Konzert erleben will.

Vola FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Etwas Pech mit der Technik hatte Vola. Die Sonne knallte offenbar dermaßen heiß auf den Computer von Keyboarder Martin Werner, dass zwischendurch erstmal das System neu gebooted und die Anlage weiter zurück auf die Bühne geschoben werden musste.  Dennoch: Sänger/Gitarrist Asger Mygind, Bassist Nicolai Mogensen und Drummer Felix Ewert schafften es, dem Publikum einen kleinen Einblick in ihre vielschichtige Musik zu geben. Da blitzen Einflüsse von  Dream Theater, Opeth und Porcupine Tree auf, die Arpeggio-Keyboards erinnern bisweilen an das Hymnische von Muse. „Klein“ deshalb, weil der Auftritt viel zu kurz und die Band irgendwie harmloser als auf ihrem großartigen Album „Inmazes“ klang. Gleichwohl ein toller Programmpunkt. Mehr Fotos.

Radio Havanna ist eine deutsche Punkrockband und ganz offensichtlich beeinflusst von Bands wie The Offspring, Green Day, NOFX, Social Distortion oder Pennywise. ATOA  überzeugte mit druckvollem Auftritt. Anstelle von Dinosaur Pile-up kam Watch Out Stompede, Post-Hardcore/Metalcore aus Bremen, die ihren cleanen Gesang und die groovenden Rhytmen und Gitarren wohltuend selten von Grawls durchsetzen. Cooler Auftritt. Mehr Fotos.

Skinny Lister FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Während auf der Hauptbühne Skinny Lister mit ihrer Frontfrau Lorna Thomas Partystimmung wie auf einer durchgeknallten irischen Hochzweit verbreiteten (und offenbar nicht kleinzukriegen sind, denn später feierte die Truppe auf dem Gelände noch ausgiebig weiter und testete unermüdlich die Möglichkeiten der Rundschlagschaukel aus) startete die Essener Trancecore-Band To the Rats and Wolves mit ihrem beeindruckenden Konzert – auch wenn man an der der Rock’n‘ Heavy-Stage den Eindruck gewinnen konnte, dass diese Mischung aus Brachialgrowling und melodischem Metal eine Masche ist, die manchmal doch etwas ermüdet. Bei Any Given Day, die ja mit ihrem genialen Rihanna-Cover zu Berühmtheit gelangte, sind genau das auch die Zutaten ihrer Musik. Gut, aber, wie gesagt, auf Dauer möchte man doch etwas mehr Abwechslung haben. Mehr Fotos.

Heißkalt FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Dafür sorgte Heißkalt, für mich eine der besten Gigs auf dieser Bühne. Mathias Bloech (Gesang, Gitarre), Marius Bornmann (Schlagzeug), Philipp Koch (Gitarre) und Lucas Mayer (Bass) stechen schon mal wegen ihrer fantastischen Texte heraus. Da spielt nicht nur politische Kapitalismuskritik eine Rolle, sie sind auch voller ungewöhnlicher, bisweilen morbider Poesie. Und Bloech ist ein cooler Typ mit Charisma und der Ausstrahlung eines besessenen Künstlers aus einem Roman von Michail Bulgakow. Echt faszinierend der Mann, der jedes seiner Lieder ausspuckt mit einem frenetischen Ausbruch, der ergreift. Und die Schaben können auch Party: „Alles Gut“ ist ein Livestück zum Tanzen und Moshen… Mehr Fotos.

Massendefekt kamen beim Publikum zwar gut an, haben mich aber nicht so gepackt. Irgendwo erinnerten manche Stücke an die Toten Hosen, der Gesang von Sebastian Beyer lässt wenig Raum für Variationen.

Kyle Gass Band FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Zurück zur Hauptbühne: Die Kyle Gass Band eroberte das Publikum im Sturm. Kyle Gass, bekannt als Partner von Jack Black von Tenacious D, kommt in kurzen Hosen, gelbem Trainwreck-T-Shirt (seiner früheren Band), Sonnenbrille und Basthut. Das reichte schon, um die Fans zu begeistern. Und die anderen wurden es schon beim ersten Stück. Die Musik: Southern und Westcoast Rock, Blues Rock mit Anklängen zu CSN und Wishbone Ash, frühe Santana, dekoriert mit flippigen Blockflötensoli. Einfach nur großartig, oder wie Rockauen-Geschäftsführerin Maria Hülsmann sagte: „BesterbesterbesterMann“! Michael Joe Bray und John Konesky sind erstklassige Gitarristen, die immer wieder instrumentale Duelle eingingen und unisono flinke Linien spielten. Jason Keene spielte beim letzten Stück ein wunderbar jazziges Basssolo. Zudem hat die Band auch noch richtig guten Humor. Drummer Tim Spier Gesangmedley aus Hits von Michael Jackson und den Back Street Boys – einfach großartig! Mehr Fotos

Blues Pills FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Auf die Blues Pills hatte ich mich nicht alleine gefreut, das zeigte die Menge vor der Bühne. Und die Band zog auch gleich von Beginn an unheimlich los, insbesondere Gitarrist Dorian Sorriaux gefiel mir außerordentlich gut. Der Junge scheint von Konzert zu Konzert besser zu werden. Doch nach einer halben Stunde war unvermittelt Schluss: Ausgerechnet im wunderbaren Song „High Class Woman“ versagte Elin Larssons Stimme – und das Konzert musste abgebrochen werden. Mehr Fotos

Dafür spielte dann Danko Jones etwas länger. Auch nicht schlecht. Und das wie immer schwarz gekleidete kanadische Garage-Blues-Rock-Trio war fantastisch aufgelegt. Danko Jones singt, dröhnt, schreit mit einer unbändigen Energie und immer voll auf Risiko.

Danko Jones FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das Publikum rast, die Security hat alle Hände voll zu tun, um die vielen Stagediver an der Absperrung aufzufangen. Stimmung wie bei einem außer Kontrolle geratenen Kindergeburtstag. „Rock’n’Roll is never perfect“, ruft Jones. Aggressive Riffs, pulsierende Rhythmen, die immer vorwärtstreiben lassen aus der Menge eine einzige wippende Welle machen. Ganz starker Auftritt! Mehr Fotos

Und In Extremo? Ich kann mit diesem Mittelalterrock nichts anfangen. Sorry. Daher schweige ich lieber…