Einfach großartig: „Order of Magnitude – Empath Live Volume 1“ von Devin Townsend

Devin Townsend by Christie Goodwin

„Zucker überzogene Albträume“- so hat Devin Townsend mal in einem Gespräch mit mir seine Musik beschrieben. Klar ist eigentlich nur, dass der kanadische Gitarrenvirtuose, Sänger und Produzent unberechenbar ist und gerne mit der Dichotomie von Gegensätzen arbeitet. Der Soundfetischist hat jetzt ein aufwendiges neues Livealbum vorgelegt. „Order of Magnitude – Empath Live Volume 1“ deutet schon an, was uns erwartet.

Von Dylan Cem Akalin

Der 48-Jährige Devin Townsend hatte schon bei Veröffentlichung seines vorigen Albums mit dem Titel „Empath“ auf Facebook erklärt, er wolle mal sehen, was passieren würde, wenn alle Stile, aus denen sich seine aktuellen Interessen zusammensetzen, endlich an einem Ort vertreten wären. „Um die Angst vor Erwartungen endgültig zu zerstreuen und einfach das zu tun, was er kreativ tun sollte, geht es bei ‚Empath‘, dem Namen treu, darum, dem Publikum ein Gefühl für eine Vielzahl musikalischer Emotionen zu vermitteln.“

Was er dem staunenden Publikum im Roundhouse in London mit aufwendigen Audio- und Videosets da präsentierte, war ein kaum vorhersehbarer Trip durch die kreative Fantasiewelt eines Musikers, der eine ziemlich bunte Vision von Freiheit und der Fluidität seiner Ausdrucksmöglichkeiten hat. Die Genregrenzen sind soweit weggedrängt, dass sie zwischen italienischer Oper, Heavy Metal, PsychedelicRock der 70er Jahre und modernen Anklängen von alternativen Pop/Elektronic-Rock ohne typischen Songstrukturen bewegen.

Zu seiner Philosophie (manche reden gar von einer eigenen künstlerischen Ideologie) gehört, dass die Musiker frei von Einschränkungen einer formellen Band sein und Townsends Material auf experimentellere Weise erkunden sollen. Das schafft Raum für ungeheure Ausbrüche und Erkundungen. Dazu braucht Townsend talentierte Mitspieler wie die Sängerin/Gitarristin Ché Aimee Dorval, die ehemaligen Frank Zappa-Mitstreiter Mike Kenneally und Morgen Agren, Keyboarder Diego Tejeida (Haken), Touichguitarist Markus Reuter (Stick Men) und andere.

Devin Townsend gehört tatsächlich nicht zu jener Musikerspezies, die es sich leicht macht. Im Gegenteil: Man hat geradezu den Eindruck, der Mann braucht Hindernisse und Herausforderungen. Erinnert sei etwa an das verrückte Projekt „By a Thread – Live in London 2011“, ein 9-Disc-Live-Album mit dem Devin Townsend Project, das an vier Abenden aufgenommen wurde, und jedes Konzert enthielt eines der ersten vier Devin Townsend Project-Alben, die vollständig aufgeführt wurden.

Oder „Retinal Circus“, das er ein Jahr später 2013 im Roundhouse in Camden Town aufnahm: Townsend wollte eine mehr als nur musikalische Show bieten. Die Band bestand in etwa aus den Mitgliedern des Devin Townsend Project – mit ein paar besonderen Gäste wie Anneke van Giersbergen und Jed Simon, wobei Steve Vai die Show über aufgezeichnete Videos moderierte. Die Setlist bestand hauptsächlich aus Material von „Epicloud“. Der technische Aufwand für Sound und Audio war immens. „Ich denke, meine Ziele für meine Arbeit, mein Leben, meine Karriere sind es, Dinge herauszufinden“, sagt Devin über sein pathologisches Eingehen von Risiken.

Und nun also wieder solch ein irres Projekt: Das aktuelle Set besteht überwiegend aus „Empath“. Ältere Songs werden dank cleverer Neuanordnungen und musikalischer Neuinterpretation durch die Band neu belebt und fügen sich ohne Brüche ein ins neue Material. „Coast“ zum Beispiel behält seine charakteristische ätherische und eindringliche Natur bei und wird dank eines neuen pulsierenden Percussive-Grooves und zweier Gitarrenteile, die zwischen Devin Townsend und Kineally aufgeteilt sind, modernisiert. In ähnlicher Weise geht die Truppe mit dem selten aufgeführten „Gato“ oder „Heaven’s End“ (mit einer Hendrix-Reminiszenz) vor und schafft ungemeine Spannungsbögen – auch dank Dorvals hypnotisierendem, ruhigen Gesang und Townsends bedrohlichem knurrigem Canto. Das ist ein wunderbarer musikalischer Wahnsinn, den man dank DVD und Blu-Ray auch optisch erleben kann. Einfach großartig.

Devin Townsend: Order Of Magnitude – Empath Live Volume 1

Ltd. Deluxe 2CD & Blu-ray & DVD Artbook, Limited 2CD+DVD Digipak, Standalone Blu-Ray, Gatefold 3LP+2CD vinyl box-set & as a Digital Album

Lineup

Devin Townsend (Vocals, Guitars, Synths, Bass and Computer )
Morgan Ågren (Drums)
Nathan Navarro (Bass)
Mike Keneally (Additional guitars and keyboards )
Che Aimee Dorval (guitars, vocals)
Diego Tejeida (keyboards)
Markus Reuter (touch guitar)
Samantha Preis (vocals)
Anne Preis (vocals)
Arabella Packford (vocals)