Das muss du über die Songs wissen, die Bob Dylan auf der „Rough and Rowdy Ways Tour“ singt

Diese Songs stehen auf der Setlist auf der „Rough and Rowdy Ways-Tour“ 2024/2025 von Bob Dylan.

Von Dylan Akalin

1. All Along the Watchtower 

   Album: John Wesley Harding (1967) 

   Inhalt: Eine düstere, biblisch inspirierte Ballade über Verzweiflung und prophetische Visionen mit schnellen Perspektivwechseln, die Raum für Interpretationen lässt.  Vielfach gecovert, besonders berühmt die Version von Jimi Hendrix

2. It Ain’t Me, Babe 

   Album: Another Side of Bob Dylan (1964) 

   Inhalt: Ein Song über die Zurückweisung unrealistischer Erwartungen und die Unfähigkeit zur romantischen Hingabe, angeblich geschrieben über seine damalige Beziehung

3. I Contain Multitudes 

   Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Inspiriert von Walt Whitman reflektiert der Song über die Komplexität und Widersprüche der menschlichen Persönlichkeit. Dylan sieht sich hier als jemand mit vielen verschiedenen Facetten. Dieser Song bleibt nah an Dylans neuerem Stil mit einer Mischung aus Blues und Country. Die Darbietung bringt eine nachdenkliche, introspektive Note, die Dylans Alter und seine Reflexion über das eigene Leben betont. Whitmans Idee, dass das Ich viele Seiten und Gegensätze in sich vereinen kann, ist der zentrale rote Faden des Liedes. Dylan gestaltet das Ich in „I Contain Multitudes“ als eine komplexe, widersprüchliche Figur voller Referenzen, Symbolik und Ambiguität.

4. False Prophet 

   Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Ein zynischer Blues-Song über Identität und das Bewusstsein um die dunklen Seiten der Menschheit.  Dylan bringt ihn rau und ungefiltert dar und spielt gekonnt mit dem Bild des Künstlers als Prophet und Täuscher zugleich. Vielleicht geht es auch darum, nicht zu viel in ihn als Künstler zu interpretieren?

„False Prophet“ von Bob Dylan ist ein düsteres, bluesgetränktes Lied voller sarkastischer, selbstbewusster und rätselhafter Verse. Der Song greift Themen auf, die immer wieder in Dylans Werk auftauchen: Identität, moralischer Verfall und die Unklarheit der menschlichen Existenz.

Im Song verkörpert der Erzähler das Bild eines „falschen Propheten“, doch gleichzeitig distanziert er sich ironisch davon. Dylan singt: „I’m no false prophet, I just know what I know.“ Der Sprecher stellt sich als jemand dar, der weder Erlösung noch Erleuchtung verspricht. Er scheint zu sagen, dass er trotz seiner Fehler keine falsche Maske trägt, sondern einfach akzeptiert, was er ist. Diese Darstellung könnte Dylans Ablehnung sein, als Stimme einer Generation betrachtet zu werden.

Der „falsche Prophet“ könnte auch eine Parodie auf Menschen sein, die Macht ausüben und dabei die Wahrheiten der Menschen manipulieren oder ihre Hoffnung ausnutzen. Immerhin hat sich Dylan immer wieder kritisch über korrupte politische und gesellschaftliche Strukturen geäußert.

5. When I Paint My Masterpiece 

   Album: Greatest Hits Vol. II (1971) 

Der Song reflektiert das Streben nach einem „Meisterwerk“ und die Suche nach künstlerischer Erfüllung.  Dylan singt ihn heute mit einem leicht resignierten Ton, was das Streben nach Vollendung in Frage stellt.

Dylan beschreibt das Reisen zu Orten wie Rom, einem Zentrum der Kunst und Geschichte, wo er an große Künstler und Meisterwerke erinnert wird, die ihren Platz in der Ewigkeit gefunden haben. Die Begegnung mit diesen kulturellen Monumenten verstärkt den inneren Drang des Protagonisten, etwas Vergleichbares zu schaffen. Die Stadt Rom als Ort von Michelangelo und Raffael wird zur Metapher für die Last und das Versprechen der Kunstgeschichte.

In den Versen kommt oft das Gefühl der zeitlichen Distanz und der unerreichten Vollendung auf. Der Gedanke „when I paint my masterpiece“ bleibt immer in der Zukunft und verstärkt die Tragik eines Künstlers, der nie ganz zufrieden ist, immer weiterstrebt, und vielleicht nie die absolute Erfüllung erreicht. Diese ewige Unvollkommenheit ist typisch für die menschliche und künstlerische Erfahrung, wie sie Dylan beschreibt.

6. Black Rider 

   Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Eine düstere Ballade über Sterblichkeit und das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit. Dylan interpretiert den Song schwer und getragen, was die Unausweichlichkeit des Lebensendes unterstreicht.

Der Schwarze Reiter erinnert an die Figur des Todes in der Folklore, wie man sie oft in schwarzer Kleidung und als Reiter darstellt. Dylan beschreibt ihn als jemanden, der ständig anwesend ist, fast als unsichtbare Präsenz im Leben des Sprechers. Dieser Reiter könnte eine Verkörperung des unausweichlichen Todes sein, der jeden irgendwann einholt. Dabei zeigt die Angst des Sprechers vor dem Schwarzen Reiter die Unruhe und die Ängste, die das Wissen um das eigene Sterben im Leben auslöst.

Ein anderer Ansatz zur Interpretation ist, dass der Reiter eine Metapher für die dunkleren Aspekte des Sprechers darstellt – Ängste, innere Dämonen oder das eigene Gewissen. Die Zeilen deuten darauf hin, dass der Schwarze Reiter eine Schattenfigur ist, die der Sprecher zwar fürchtet, aber auch nicht völlig loslassen kann. Es ist fast so, als würde der Reiter ihn immer an seine Menschlichkeit und Vergänglichkeit erinnern.

Ein zentrales Motiv ist die Unberechenbarkeit des Schwarzen Reiters, die auch auf den Schmerz und die Unsicherheit anspielen könnte, die Beziehungen und Liebe mit sich bringen. Es gibt eine Stelle, in der Dylan singt: „The size of your cock will get you nowhere“. Dies könnte ein Seitenhieb auf übertriebene Selbstsicherheit und Stolz sein und vielleicht darauf, dass Liebe mehr bedeutet als Oberflächlichkeiten oder Selbstverliebtheit. Der Reiter könnte auch für eine enttäuschende oder schmerzhafte Liebe stehen, die man nicht überwinden kann.

7. My Own Version of You 

   Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Dylan beschreibt das Erschaffen eines perfekten Wesens – wie ein moderner Dr. Frankenstein. Der Song wirkt wie eine düstere Parabel auf menschliche Kontrollwünsche und das Spiel mit Identität.

Der Song ist reich an Anspielungen auf historische und kulturelle Ikonen. Dylan erwähnt Namen und Begriffe, die von Julius Cäsar und Karl dem Großen bis zu Shakespeare und Frankenstein reichen. Diese Anspielungen verstärken die Idee, dass der Erzähler aus den „Bestandteilen“ vergangener Genies oder großen Persönlichkeiten eine neue, künstliche Identität formt. Dylan reflektiert damit über das menschliche Verlangen, sich selbst zu verbessern, und über das Gefühl, dass wir nie vollständig originell sein können, sondern immer etwas aus der Vergangenheit mitnehmen.

Der Song stellt die Frage: Was macht jemanden wirklich aus? Wenn der Schöpfer die „besten“ Teile auswählt und miteinander kombiniert, erschafft er dann etwas Eigenes oder bloß eine unvollkommene Kopie? Dieser Gedanke spiegelt die Frage nach individueller Identität wider. Dylan spielt mit der Idee, dass Identität im modernen Leben oft fragmentiert und konstruiert ist – ein Mosaik aus Einflüssen, Wünschen und Erwartungen.

8. To Be Alone with You 

   Album: Nashville Skyline (1969) 

Ursprünglich eine leicht romantische Liebeserklärung an die Gesellschaft einer geliebten Person mit einem flotten Countrystil im Original. Mal schauen, wie er ihn heute präsentiert

9. Crossing the Rubicon 

   Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Ein Song über irreversible Entscheidungen und Lebensveränderungen, symbolisiert durch das Überschreiten des Rubikons. Dylan bringt den Song als kraftvolle, endgültige Aussage über Entschlossenheit und die Konsequenzen des Lebens.

10. Desolation Row 

    Album: Highway 61 Revisited (1965) 

Eine surrealistische Bestandsaufnahme einer chaotischen Gesellschaft, die historische und fiktive Figuren kombiniert, ein vielschichtiger und poetischer Song, der 1965 auf dem Album „Highway 61 Revisited“ erschien. Der Text des Songs ist dicht gefüllt mit Bildern und Anspielungen, die sowohl auf mythologische, literarische als auch zeitgenössische Figuren und Ereignisse verweisen. Die Interpretation dieses Songs kann vielfältig sein, doch im Kern scheint er eine Kritik an der Gesellschaft, an Isolation und Entfremdung und an der heillosen Komplexität der modernen Welt darzustellen.

11. Key West (Philosopher Pirate) 

    Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

 Key West als metaphorischer Zufluchtsort und Sehnsuchtsziel, eine Oase des Friedens und der Reflexion.  Dylan bringt den Song in einem träumerischen Stil dar, der den Wunsch nach Frieden und einem letzten Rückzugsort betont.

12. It’s All Over Now, Baby Blue 

    Album: Bringing It All Back Home (1965) 

Berühm geworden durch ein Cover von Them: Eine Abschiedsbotschaft über das Ende einer Lebensphase und das Loslassen.  Dylan singt diesen Song heute in einem langsamen, nachdenklichen Stil und betont damit den Prozess des Loslassens.

13. I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You 

    Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Ein Liebeslied über Hingabe, das existenzielle Einsamkeit und die Suche nach Verbindung thematisiert.  Dylan bringt eine sanfte, ehrliche Interpretation, die die innere Reife und Schwere der Entscheidung hervorhebt.

14. Watching the River Flow 

    Single (1971), später auf Bob Dylan’s Greatest Hits Vol. II (1971) 

Ein entspannter Song über das Fließen der Zeit und das Akzeptieren des Lebens in Bewegung.  Dylan betont heute die Passivität und das Loslassen, und genießt das einfache Beobachten des Lebens.

15. Mother of Muses 

    Album: Rough and Rowdy Ways (2020) 

Eine Ode an die Inspiration und ein Rückblick auf Dylans eigene Karriere.  Dylan singt diesen Song fast wie eine Hymne der Dankbarkeit für seine künstlerische Inspiration und die, die ihm den Weg geebnet haben.

16. Goodbye Jimmy Reed 

    Album: Rough and Rowdy Ways (2020)  

Es ist nicht nur eine Hommage an den Bluesmusiker Jimmy Reed und die Blues-Tradition. Dylan bringt ihn rau und energiegeladen dar, um Reeds Erbe und den Einfluss des Blues zu feiern. Es gibt wieder viele religiöse Referenzen und liturgisches Vokabular, es geht sicher auch ums Ringen mit dem Glauben in einer Welt, in der verschiedene Überzeugungen nebeneinander, aber oft auch in Spannung zueinander existieren, wie sein Bild von betenden Katholiken, Juden und Muslimen andeutet. Er stellt das alles in Zusammenhänge seiner eigenen künstlerischen Philosophie. Er lehnt es ab, „die Gitarre hinter meinem Kopf zu spielen“ oder sich „anzubiedern“, sondern bleibt seiner Vision treu, auch wenn dies auf Kritik stößt. „Ich kann kein Lied singen, das ich nicht verstehe“, heißt es da zum Beispiel…

17. Every Grain of Sand 

    Album: Shot of Love (1981) 

Ein spiritueller Song, der über die Bedeutung und Ordnung des Lebens reflektiert – fast wie ein Gebet. 

Die Zusammensetzung der Songs zeigt, dass es ums Reflektieren seines Lebens, sein Älterwerden, das Loslassen und die Suche nach innerem Frieden gehen könnte.