Drei ungewöhnliche Bands, alle dem Progressive Rock verschrieben, treten am Donnerstag, 9. Juli auf der Classic Rocknacht auf dem Kunst!Rasen auf (Tickets gibt es hier). Neben Dream Theater und Haken steht The Devin Townsend Project auf dem Programm. Devin Townsend, den auch schon Gitarrenvirtuose Steve Vai verpflichtete, ist nicht nur ein ungewöhnlicher Meister an der Gitarre, sondern vor allem ein vielseitiger Rockmusiker und Komponist, der seine Fans immer wieder mit neuen Projekten und schier grenzenloser Fantasie überrascht. Mit dem 43-jährigen Kanadier sprach Cem Akalin.
Devin, wie würdest du jemandem deine Musik beschreiben, der noch nie von dir gehört hat?
Devin Townsend: Dynamisch und abwechslungsreich, eine hoch orchestrierte, expansive Musik, die auf Hard Rock und Heavy Metal basiert, dicht produziert und mit einer großen Menge an Ambient-Elementen versehen. Kraftvoll, wenn man in der richtigen Stimmung dafür ist. (Lacht)
Was hältst du von dieser Beschreibung: Der Rote Armee Chor trifft auf Happy Metal, die italienische Oper auf Fantasy Rock, Symphonisches auf Heavy Rock, virtuoser Rockgitarrist auf Spacefun?
Townsend: (lacht) Gefällt mir! Ich denke, das einzige, was angemessen erscheint, ist die Dichotomie zwischen zwei Gegensätzen: Zucker überzogene Albträume. Alles, was ich dazu sagen kann, ist: Ich tue, was ich tue…
Spaß beiseite: Es gibt kaum einen Musiker, der mit einer solchen Besessenheit ein kreatives Projekt nach dem anderen verwirklicht. Was treibt dich?
Townsend: Ich bin sehr zielorientiert. Ich mag es nicht, interessante Ideen unaktualisiert zu lassen…. wenn das das richtige Wort ist… Es ist die Idee der Vollendung, die mich fast genauso treibt wie die Arbeit selbst. Ich bin besessen, ja … aber ich denke, meine Arbeit kann diese Neigung gut kanalisieren.
Woher kommt diese Flut an musikalischen Ideen? Woher kommen diese zum Teil wahnwitzigen Lyrics?
Townsend: Es gibt immer Ideen, das stimmt. Und einige sind besser als andere, aber die Ideen fließen ziemlich konstant. Ich neige dazu, die Texte sehr automatisch zu schreiben und achte mehr darauf, dass sie gut zur Musik klingen als darauf, was der Inhalt tatsächlich aussagt. Ich halte mich nicht für einen großen Lyriker, aber ich denke, ich kann meine Vorstellungen doch entsprechend artikulieren. Ich gebe zu, dass das oft in seltsamen Empfindungen endet.
Extreme Metal, Alternative, Hard Rock, Progressive Metal, New Age… Gibt es irgend ein Genre, wo du dich zu Hause fühlst?
Townsend: Das kann ich so nicht sagen… Ich beschreibe meine Arbeit immer als eine Art von Gefummel im Dunkeln, bis ich eine Form entdeckt habe. Dann nehme ich meine Taschenlampe, analysiere sie eine Weile, halte sie fest, dann verlasse ich dieses Gebiet und bewege mich weiter. Das Ziel ist, herauszubekommen, wo das Licht ist, aber bis zu diesem Zeitpunkt… Ich muss diesen Prozess jedenfalls zu einem logischen Abschluss bringen.
Du spielst mit Stilen und nutzt sie, wie es dir gefällt. Du machst immer wieder eine Verwandlung durch, wie ein Schmetterling, der aus einem Kokon schlüpft. Kannst du biografisch erklären, woher du diese Vielseitigkeit hast? Kommst du aus einem musikalischen Elternhaus? Aus einer kosmopolitischen Familie?
Townsend: Eine musikalische Familie ja, aber nicht unbedingt kosmopolitisch. Ich denke, dass das Leben von dir immer wieder, und zwar unvermeidbar, fordert, dich persönlichen Veränderungen zu stellen. Da der Prozess meines musikalischen Schaffens davon abhängt, was ich an konkreten Erfahrungen mache, ist es unvermeidlich, am Ende über Veränderungen zu reden… das Leben ist ja nichts anderes. Meine Veranlagung bittet mich einerseits, an einem Ort zu verweilen und mich gegen Veränderungen zur Wehr zu setzen, aber meine Realität lässt das nicht zu. Ich denke, das alles ist das Ergebnis eines wilden, humorvollen Dramas.
Als etwa 2003 „Accelerated Evolution“, mit dem fantastischen „Deadhead“, nach „Terria“ herauskam, war ich total überrascht, aber im positiven Sinne. Sie sind wie zwei Produkte mit einer sehr persönlichen Geschichte. Ist das so?
Townsend: Sicher, natürlich. Diese Jahre waren geprägt von geistigen, seelischen und persönlichen Entwicklungen. Die Ästhetik dieser Alben spiegeln diese Änderungen wider. Ich hatte an diesem Punkt meines Lebens eine Menge über Liebe, Sex und Hingabe zu lernen.
Du scheinst musikalisch tatsächlich deine Persönlichkeit total nach außen zu stülpen. Ist Musik für dich ein persönliches Ventil?
Townsend: Ich denke, die Art und Weise, wie ich gearbeitet habe, war eine Art der bewussten Vergesslichkeit, was andere Musiker und deren Prozesse betrifft. Ich höre viel Musik, sehr selten meine eigene, aber wenn ich den anderen zuhöre, glaube ich nicht, dass ich das alles für meine eigene Arbeit klassifiziere. In vielerlei Hinsicht halte ich mich selbst nicht einmal für einen Musiker. Auch wenn ich die Fähigkeit habe, mehrere Instrumente zu beherrschen, Kenntnisse der Studioarbeit und des Singens habe… aber letztlich sind sie doch nur ein Mittel zum Zweck: nämlich meine Gefühle zu artikulieren, und das in einer Art und Weise, bei der ich mich in anderen Lebensbereichen doch unwohl fühlen würde.
Hast du eine besondere Arbeitsweise?
Townsend: Ja, sogar mehrere. Ich denke, ich kann es als „langsam und stetig“ zusammenfassen… auch wenn die Arbeit bisweilen drängt, aber das macht für mich einfach keinen Sinn. Ich trotte eigentlich so durchs Leben, aber ich dokumentiere sehr bewusst, wie ich vorwärtskomme. Ich analysiere wirklich sehr selten, was ich tue, aber ich bin geradezu hyperanalytisch, wenn es um die Gründe geht, warum ich etwas tue.
Es gibt ja Alben, auf denen du alle Instrumente selbst bedient hast, Stücke, die du mit bis zu 300 Spuren aufgenommen hast. Kannst du einem Normalsterblichen erklären, wie man da den Überblick behält? Aber vor allem: Wie kann man nur eine Idee von einem Sound, einem Song haben, die aus so vielen Schichten besteht?
Townsend: Ich weiß nicht. Ich folge einer Vision. Wenn ich ein besonderes Talent habe, dann das, dass ich Visionen, Ideen habe. Und dabei geht es mir ja nicht darum, irgendwie übermäßig zu sein, oder einen Wettbewerb um die „komplizierteste Aufnahme“ zu gewinnen. Es ist eher ein Zwang, wie auch beim Kreieren von Sounds, die richtigen emotionalen Glocken zum Läuten zu bringen. Ich mag mit einer sehr konkreten Idee beginnen, und am Ende stolpere ich in ein Ergebnis, das recht statisch ist und viel zu viele mittlere Frequenzen hat. Formen und Farben und so weiter sind für mich in vielerlei Hinsicht verbunden, so folge ich nur Dingen, bis sie mich dazu bringen, so zu reagieren, wie ich es brauche. Bitte glaube mir, wenn ich etwas auf 300 Spuren aufnehme, dann ist das ein Alptraum … Ich versichere dir, ich bin dann sehr viel sterblicher als je zuvor. (lacht) Ich verfluche mich selbst, wenn ich mich in solche Ecken manövriere.
Du hast schon irgendwie etwas von einem wahnsinnigen Wissenschaftler , oder?
Townsend: Ich denke, das liegt bei anderen, das zu beurteilen. Ich glaube, ich halte noch alles ziemlich gut beisammen… (lacht)
Wie kam es eigentlich zu dieser irren Ziltoid-Geschichte?
Townsend: Als ich ein Kind war, mochte ich den Film „Der dunkle Kristall“. Und ich habe oft daran gedacht, später, wenn ich ältere würde, auch so ein Fantasie basiertes Puppentheater zu machen. Als ich an einem Punkt angekommen war, wo ich alles selbst umsetzen konnte, hab ich’s angepackt. So „verrückt“, wie Ziltoid erscheint, man könnte ihn aber auch als „kreativ frei“ betrachten. Mein Leben ist sehr strukturiert und erfordert viel Disziplin, da war so ein Projekt und Charakter wie Ziltoid wirklich eine Möglichkeit für mich, mich ein wenig davon zu befreien. Manche Menschen trinken oder nehmen Drogen, und ich mache Heavy-Metal-Puppentheater. (lacht)
Warum hast du gerade nochmal einen weiteren Teil herausgebracht?
Townsend: Schien wohl die richtige Idee zur rechten Zeit zu sein.
Was gibt es auf der Tour zu hören? Auf was dürfen sich die Fans in Bonn freuen?
Townsend: Ich habe so viele Alben gemacht, und ich denke, es wird aus vielen etwas geben. Ich hoffe jedenfalls, meine Musikwelt und die Show wird die Leute glücklich machen. Das ist alles, was ich sagen kann.