Interview mit Mani Neumeier, Gründungsmitglied der legendären Krautrockband Guru Guru

Trommeln ist gut für Geist und Seele, freut euch des Lebens und habt Spaß an der Musik", sagt der Percussionist, Drummer und Guru Guru-Begründer Mani Neumeier. FOTO: TM PROMOTION
„Ich will eine Leichtigkeit in der Musik haben“, sagt Mani Neumeier. Er ist Gründungsmitglied und kreativer Kopf der legendären Krautrockband Guru Guru. Am Donnerstag gastiert sie in der Endenicher Harmonie.

Guru Guru gilt als eine der einflussreichsten Krautrockbands. In Deutschland kam der Erfolg, als man sie im Ausland längst feierte als „deutsche Antwort“ auf Cream und als „die Fortsetzung von Jimi Hendrix mit anderen Mitteln“. Vor 45 Jahren starteten Bassist Uli Trepte, Gitarrist Eddy Naegeli und Schlagzeuger Mani Neumeier als Freerock-Trio und entwickelten sich zu einer der kreativsten Experimental-Jazz-Rock-Formationen der deutschen Musikszene. Kult ist ihr Song „Elektrolurch“ („Volt, Watt, Ampere und Ohm – ohne mich gibt’s keinen Strom“). Am Donnerstag, 20. November, tritt Guru Guru in der Harmonie auf. Mit Gründungsmitglied Mani Neumeier sprach Cem Akalin.

Um gleich mal einen alten Guru Guru-Song zu bemühen: Was machst du eigentlich, wenn du mal älter bist?

Mani Neumeier: Das beweise ich ja, indem ich immer noch Musik mache.

Wer eure Musik hört, gewinnt den Eindruck: Erwachsen wirst du nie?

Neumeier: Einerseits stimmt das. Andererseits muss ich auch all meine Disziplin zusammenreißen, damit ich das auch alles meistern kann. Das ist vielleicht nicht erwachsen, aber vernünftig musst du schon sein. Im Kindestaumel würde das alles nicht klappen.

Jahrgang 1940, du bist ein Jahrgang mit Leuten wie Franz Müntefering, Wolfgang Clement und „Mutter Beimer“ Marie-Luise Marjan…

Neumeier: Mit der „Mutter“ hab ich schon in einem Film gespielt.

Ach? In welchem denn?

Neumeier: „Notwehr“ hieß der. Ein alter Tatort. Das war 1976, und wir haben uns gespielt: Guru Guru war in ein Dorf gezogen, und die Dorfbewohner waren zum Teil dagegen. Das entsprach übrigens gar nicht unserer Situation. Denn wir waren gut mit den Leuten im Dorf. Und in dem Film wurde eben einer erschossen. Na ja… Für unsere Popularität hat der Film schon sehr geholfen.

Das war ja die Zeit, wo ihr ohnehin schon populär wart. „Elektrolurch“ war damals doch bereits Kult.

Neumeier: Der Song ist ja immer noch Kult. Und wir haben ihn immer noch im ständigen Repertoire. Am Samstag zum Beispiel haben wir ihn in Zürich gespielt, und die Leute sind ausgeflippt.

Woher kommt dein verspielter Umgang mit Musik und das, ?tschuldige, bei einem Bayern?

Neumeier: (lacht). Ich bin ja auch halber Schweizer. Meinst du, Bayern sind nicht so verspielt?

Na ja, diesen Freiheitswillen, diesen Drang nach musikalischem Ausbruch, dieses Verlangen nach grenzenlosem Ausdruck verbinde ich zunächst mal nicht mit einem Bayern. Jedenfalls nicht aus dem Blickwinkel eines Rheinländers.

Neumeier: Karl Valentin war ja auch ein Bayer. Und der hat sich sehr viel Freiheit herausgenommen. Na ja, ich weiß, was du meinst. (lacht) Aber weißt du, ich bin eben so. Außer, dass ich musikalisch bin und die Musik wirklich sehr ernst nehme, aber ich mache doch alles aus der Lust heraus. Der Spaß spielt bei mir eine große Rolle. Und wenn ich schon wie ein Regisseur bestimmen kann, was da reinkommt in die Musik, dann sollen auch ein paar witzige Sache rein. Ich will eine Leichtigkeit in der Musik haben. Das war schon für Thelonious Monk wichtig.

… der ja als Pianist, auch was den Rhythmus betrifft, wahnsinnig viel geleistet hat für den Jazz.

Neumeier: Absolut. Er hätte aber auch untergehen können mit dem, was er gemacht hat. Zum Glück hat man’s gemerkt, und er ist angesehen.

Noch mal zur Erklärung deines Werdegangs: Hat vielleicht der Aufbruch der ?68er Einfluss auf deine Entwicklung gehabt?

Neumeier: Ja, bestimmt. Das war für mich ein Befreiungsschlag. Weißt du: Ich war ja vorher Installateur. Ich hab auf dem Bau gearbeitet. Harte Arbeit. Ich wollte immer zur Musik, was durch das Irène Schweizer Trio möglich wurde. Da konnte ich mich so gut auswalzen, wie es geht.

Dich hat die indische Musik beeinflusst, du hast dich mit afrikanischen Rhythmen beschäftigt. Du trommelst auf allem, was dir in die Finger kommt. Schon Jazz-Papst Joachim Ernst Berendt, der ja wirklich nicht leicht zu überzeugen war, war hin und weg und lobte dich als „größte rhythmische Begabung des deutschen Free Jazz“.

Neumeier: Stimmt. Der war so überzeugt von mir, dass er mir mal eine Trommel aus Indien mitgebracht hat. Als er dann erfahren hat, dass ich mich dem Rock zugewandt habe, hat er mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Er hat nie wieder über mich geschrieben. Ich war für die Jazzer erledigt.

Stimmt. Vom Free-Jazz zu diesem Progressive-Psychedelic-World-Fusion-Rock mit theatralischen Einlagen. Das war damals ja eine völlig irre Kombination. Wie kam’s?

Neumeier: Das kam so nach und nach. Am Anfang war das ja noch ziemlich seriös mit Uli Trepte am Bass. Er hatte zwar Humor, aber in der Musik war er sehr konsequent. Da war wenig Platz für Witzigkeiten, was ich immer mehr hineingebracht habe. Da hatten wir etwa diesen Titel „Immer Lustig“ auf dem Album Känguru. Aber ich konnte mich erst richtig entfalten, als Uli weg war.

Was ihr dann damals gemacht habt, das ging schon ziemlich Richtung Frank Zappa und seine Mothers of Invention, oder?

Neumeier: Wir waren eigentlich weiter. Zappa hat damals immer noch Songs geschrieben, und wir waren sehr offen und frei. Zappa war Komponist, wir waren Täter.

Wenn man eure alten Alben hört, aber auch auf dem neuen Live-Doppelalbum, denkt man doch: Ihr werdet eurem Ruf als alte Kiffer-Band ganz schön gerecht. Wie sehr spielten Drogen eine Rolle?

Neumeier: Heute gar nicht mehr. Und „UFO“, „Hinten“ und „Känguru“ sind tatsächlich auf LSD entstanden. Das hat uns schon Einsichten gegeben, die wir ohne nicht erfüllt hätten.

War das Zeitgeist? Heute hat man vielleicht mehr technische Möglichkeiten der musikalischen und sinnlichen Spielereien.

Neumeier: Mit der Erfindung der E-Gitarre und den elektrischen Verstärkern wie Marschall waren ja schon 80 Prozent abgedeckt. Was dann noch an Pedalen und Synthies kam, war doch mehr Dekoration. Und: Mit all dem technischen Zeug machst du doch noch keine gute oder kreative Musik. Das muss aus dem Herzen und aus dem Kopf kommen.

Anarchisches Lebensgefühl – diese Beschreibung taucht immer wieder auf. Wie lebst du?

Neumeier: Ich weiß nicht. Ich bin natürlich schon ein politischer Mensch. Was stellst du dir denn unter „anarchisch“ vor?

Jemanden, der seine eigenen Regeln aufstellt…

Neumeier: Ja, das habe ich immer gemacht.

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