Interview mit Adrian Belew: Bowie, Zappa, King Crimson und mehr

Adrian Belew, den viele für den experimentalsten Gitarristen der Pop- und Rockszene der vergangenen Dekaden halten, ist am Dienstag, 23. Februar 2016, ab 20 Uhr mit seinem Power Trio in der Harmonie in Bonn zu hören. Cem Akalin sprach mit ihm über seine Freundschaft zu David Bowie, wie er als 28-Jähriger eher durch Zufall von Frank Zappa entdeckt wurde und über seine lange Arbeit bei der Progressive Rock-Band King Crimson.

Es ist erstaunlich, dass ein Gitarrist mit einem so individuellen Sound wie du erst so spät entdeckt wurde. Noch erstaunlicher ist es, dass du relativ spät damit begonnen hast, eigene Musik zu machen und stattdessen eine ziemlich lange Phase in Coverbands gespielt hast. Kannst du das erklären?

Adrian Belew: Nein. (lacht) Nun, ich bin einfach nur froh, dass an einem bestimmten Punkt meines Lebens etwas passiert ist. Wenn du in Coverbands spielst, dann hast du kaum Gelegenheit, vor jemandem Wichtigen zu spielen.

Frank Zappa soll dich in einem Club in Nashville gesehen haben, nachdem sein Fahrer ihn auf dich aufmerksam gemacht hat. Stimmt das?

Belew: Ja, und das hat mein Leben verändert. Frank Zappa war in Nashville und wollte in einen Club. Er hatte eine Limousine mit Fahrer gemietet. Er fragte den Fahrer, wo eine gute Band spielt. Und der brachte ihn zu mir!

Wie war das für dich? Hattest du vorher schon die Musik von Zappa gehört? Welche Einstellung hattest du zu der Musik?

Belew: Ich kannte einiges von Franks Musik. Nicht viel, aber ich hatte ein paar Platten. David Bowies Musik kannte ich besser, schon deswegen, weil du in einer Coverband natürlich eher Hits spielst.

Ich behaupte: Du hast Zappas Sound damals ziemlich beeinflusst. Siehst du das auch so?

Belew: Darüber habe ich tatsächlich nie nachgedacht. Es war eine großartige Erfahrung, und er hat ja sehr viel für mich getan. Ich hoffe, ich habe ihm etwas zurückgeben können.

Zappas Album „Sheik Yerbouti“ ist schon sehr von deinem Gitarrensound geprägt, und du hast darauf auch ein paar sehr prägnante Gesangspart.

Belew: Das war auch eine der Hauptanforderungen von Frank an mich: Er wollte einen Gitarristen haben, der auch singen konnte. Er mochte zwar meinen Gitarrenstil sehr, aber ihm war mein Gesang glaube ich wichtiger.

… wie zum Beispiel die herrliche Bob Dylan-Parodie…

Belew: (lacht) Ja, oder „City of Tiny Lites”…

Kann es sein, dass dein Leben, dass deine musikalische Karriere von Zufällen geprägt war? Zumindest denkt man das. Die Zusammenarbeit mit David Bowie und Robert Fripp’s King Crimson kam eher zufällig zustande? Oder ist das ein falscher Eindruck?

Belew: Ich denke, dass das alles eher damit zusammenhing, dass mich Leute angehört haben, die mochten, was ich tat! Dass ich mit Leuten wie Frank, David Bowie, King Crimson, Nine Inch Nails oder Talking Heads zusammenkam, war sicher eine glückliche Fügung, aber kein Zufall. (lacht) Diese Leute kamen, weil sie von mir gehört hatten.

Bowie hörte dich bei Zappa…

Belew: Das stimmt. Er stand an einem Monitor gleich an der Bühne. Und es gab immer einen Teil in der Show, bei dem Frank ein langes Solo spielte, nur begleitet von Bass und Schlagzeug. Und wir anderen Musiker gingen dann von der Bühne. Ich sah David Bowie, wie er dort mit Iggy Pop stand! Ich ging rüber zu ihm und sagte: »Danke für die Musik. Ich liebe alles, was du bisher gemacht hast«. Und er antwortete einfach: »Willst du in meiner Band sein?«

Nein!

Belew: Wirklich wahr! (lacht)

Bowie war ein sehr ungewöhnlicher Künstler, der die Musikwelt immer wieder verblüfft hat. Seine frühen Alben sind bis heute von einer geradezu erschreckenden Eigenwilligkeit. Einzigartige Kunstwerke. Wie war er als Mensch?

Belew: Er war auch kunstvoll als Mensch, sehr intelligent. Er war an vielen Dingen interessiert, kannte sich aber auch auf furchtbar vielen Gebieten richtig gut aus. Er war ein toller Gesprächspartner. Ich denke, er war einfach neugierig über alles, was das Leben ausmacht. Er war jemand, der viel ausprobiert hat, und doch war er total bodenständig. Er war ein Freund, sehr humorvoll, großzügig, immer nett. Er war überhaupt nicht dieser Superstar-Typ, wie du vielleicht annehmen würdest. Aber sobald er die Bühne betrat, da verwandelte er sich genau in diesen Superstar.

Hattest du noch Kontakt zu ihm?

Belew: Oh ja, zuletzt hatten wir aber eher über E-Mails Kontakt. Ich habe ihn aber tatsächlich eine ganze Weile nicht gesehen, und ich wusste überhaupt nicht, dass er so krank war. Ich bin ganz froh, dass er es niemandem erzählt hat. Ich glaube, das wäre ganz furchtbar für ihn gewesen.

Das heißt also, du warst auch überrascht, als du von seinem Tod gehört hast?

Belew: Ich war total schockiert! Das ist eine Sache, die ich wohl niemals überwinden werde, aber ich bin glücklich über die Zeit, die wir gemeinsam hatten. Wir sind je gemeinsam zweimal um die Welt getourt. Und wir hatten sehr viel Zeit, um während der Fahrten in Bussen und während der langen Flüge miteinander zu reden. Wir verbrachten Zeit hinter der Bühne, gingen gemeinsam essen, besuchten Museen … (wird leiser) das ist schon eine Schatz an Erinnerungen – und sie sind alle gut.

In den 1980er Jahren wurde Bowies Musik irgendwie gefälliger. Hat dir das gefallen?

Adrian Belew. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Adrian Belew. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Belew: Ich mochte eigentlich alles, was er gemacht hat. Denn er war bei allem sehr kreativ und dabei in der Lage, dass das auch von der Masse immer angenommen wurde. Dafür habe ich ihn wirklich bewundert. Ich fand es immer bewundernswert, wie er immer wieder so Ungewöhnliches geschaffen hat und trotzdem so populär blieb. Natürlich gibt es Platten von ihm, die ich mehr liebe als andere. Aber ich habe großen Respekt vor seiner Kreativität. Das war sehr selten in der Musikbranche.

„Black Star“ ist geprägt von vielen Musikrichtungen. Musik, Texte, Konzeption sind von einer fast morbiden, brüchigen Schönheit. Was denkst du über sein Abschiedswerk?

Belew: Ich habe es noch gar nicht gehört. Ich hatte noch nicht die Ruhe dazu, weil ich sehr mit den Vorbereitungen meiner Tour beschäftigt war. Und dann kam sein Tod. Ich möchte mir dafür einfach Zeit nehmen, mich ganz alleine damit hinsetzen und die Musik genießen.

Du hast in einer Zeit mit Bowie zusammengearbeitet, als dieser noch eng mit Brian Eno gearbeitet hat. Warum habt ihr beide nicht etwas zusammen herausgebracht. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr gut zusammengepasst hättet.

Belew: Das ist tatsächlich etwas, das ich mich auch schon gefragt habe. Aber es ist irgendwie nie geschehen. Es gibt keinen Grund außer vielleicht, dass wir beide sehr beschäftigt waren. Ich finde seine Arbeit großartig. Übrigens ist er es gewesen, der David Bowie empfohlen hat, mich einmal bei Zappa anzuhören! Und es war auch Brian Eno, der mich mit Talking Heads zusammengebracht hat.

Frank Zappa, David Bowie, Robert Fripp – das sind alles einmalige, auffällige Persönlichkeiten. Was ist dein Geheimnis, mit solchen sicherlich auch schwierigen Persönlichkeiten gut auszukommen?

Belew: Ach, ich glaube ich bin einfach ein unkomplizierter Typ, mit dem man gut auskommt. Und ich habe eine komische Seite! Außerdem werde ich, glaube ich, mit so vielen unterschiedlichen musikalischen Situationen konfrontiert, weil ich so viele Ideen habe. Und wenn etwas nicht so läuft, dann habe ich immer einen neuen Vorschlag parat. Ich habe einen großen Respekt vor den Leuten, mit denen ich arbeite. Dadurch entwickelt sich eine bestimmte Art von Freundschaft, die du mit der „gemeinen“ Freundschaft nicht vergleichen kannst. Frank war wirklich immer sehr sehr nett zu mir, und er ist ja einer, der nicht gerade als der netteste Mensch galt. (lacht) Wenn du partnerschaftlich mit jemandem zusammenarbeitest, wenn ihr gemeinsam eine Platte produziert, dann ist das eine andere Beziehung, die ihr habt. Daraus kann sich Freundschaft entwickeln.

https://www.youtube.com/watch?v=m1Eavhxlqd8

Bist du ein aufgeschlossener Typ?

Belew: Ja, das alles hat sicher mit meiner Persönlichkeit zu tun! Ich bin keiner, der auf seinem Recht besteht oder um irgendwas kämpfen muss. Wenn ich mit anderen zusammenarbeite, dann bin ich froh, Teil eines Teams zu sein. Das ist etwas anderes, wenn ich mein eigenes Ding mache. Ich habe gut 20 Solo-Alben aufgenommen. Dann muss alles so laufen, wie ich es mir vorstelle.

20 Solo-Alben, etliche Bands, für die du spielst, deine eigenen Gruppen wie The Bears oder jetzt das Power Trio. Was davon ist ein „Nebenprojekt“. Wie kannst du das alles in Griff behalten?

Belew: Weißt du, ich sehe nichts als „Sideprojecst“. Alles, was ich tue, tue ich mit hundertprozentigem Einsatz! Das Power Trio ist für mich ein sehr spezielles Projekt. Ich toure schon seit zehn Jahren mit ihm. Und es ist ein anderes Leben als etwa mit den Bears. Da interessiert mich auch, wieweit wir musikalisch gehen können – so in Richtung Avantgarde-Pop.

Am längsten hat es dich bei King Crimson gehalten. Wie kommt‘s? Herrscht da eine gute Chemie zwischen dir und Robert Fripp?

Belew: Oh ja, ich denke, dass da einfach die Chemie stimmte, so lange wir zusammen gespielt haben. Wir sind sehr unterschiedlich. Wir haben unterschiedliche kulturelle Backgrounds, schon weil wir aus verschiedenen Ländern kommen.

Fripp ist Brite, du bist in Kentucky aufgewachsen.

Adrian Belew. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Adrian Belew. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Belew: Aber da gab es immer eine einzigartige Grundlage. Die Gemeinsamkeit war, dass wir einander brauchten, um die Musik zu machen, die uns wichtig war. Das war eine gute Partnerschaft, aber wir konnten sie nicht mehr fortführen. Aber auf das Ergebnis, das wir hervorgebracht haben, auch bei den Shows, darauf bin ich stolz.

Du hast ja viel geschrieben…

Belew: Ab 1981 habe ich alle Texte geschrieben. Als Sänger die Lyrics zu schreiben, ist ja auch sinnvoll.

Wird es noch mal eine Kollaboration mit Robert Fripp geben?

Belew: Ich weiß es wirklich nicht. Ich möchte keine Türen zuschlagen. Im Moment bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich tue. Und Robert scheint sich zurzeit in eine andere Richtung zu bewegen.

Was steht auf deinem Tourprogramm? Wirst du auch etwas von Bowie spielen?

Belew: Es wird neun King Crimson-Stücke geben und einige von meinen Solo-Projekten. Ich werde keine Bowie- oder Zappa-Songs spielen. Es gibt ja so viel Musik von mir, und wir werden die Sache auf sehr einzigartige Art spielen. Immerhin kommen wir ja als Power Trio! Der Sound wird anders sein – sehr erwachsen, sehr virtuos!

Es gibt noch Tickets bei Bonn-Ticket oder Harmonie.