Mitch Ryder, der einsame Überlebenskünstler, wird immer besser

Mitch Ryder, am 21. Februar 2016 in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Der erste stimmliche Ausbruch kommt genau nach einer Stunde. Wie Mitch Ryder bei der hingebungsvollen Ballade „Freezin‘ in Hell“ sich in den Song steigert, vom zweifelnd Liebenden, der noch nicht bereit ist, alles für die Liebe zu geben, bis zum Verzweifelten, ja klagenden Geliebten, das ist pure Oper, das ist Rhythm and Blues fürs Lehrbuch.

Mitch Ryder, am 21. Februar 2016 in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Mitch Ryder, am 21. Februar 2016 in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Der Mann, der am 26. Februar 1945 als William S. Levise, Jr in einem Detroiter Vorort zur Welt kam, wird immer besser. Und das ist bei einem fast 71-Jährigen wirklich kaum zu glauben. Aber Mitch Ryder, der seit 14 Jahren, bis auf eine Pause 2002, jedes Jahr um diese Zeit in die Bonner Harmonie kommt, ist ein Mann, der viel erlebt und sicher viel durchlitten hat. Er weiß eine Dramaturgie in einem Livekonzert zu inszenieren. Auch wieder am Sonntagabend vor ausverkauftem Haus.

Er startet sein gut zweieinviertelstündiges Konzert mit einer an John Cale erinnernden Version von „The Thrill of If All“: klar, auf die Schönheit des Songs konzentriert, um sich dann mit dem Al Green-Song „Take Me To The River“ als Demütigen, Bescheidenen zu geben. Ein inniges Kirchenorgelintro von Wolfram „Boddi“ Bodag kündigt Jimmy Cliffs „Many Rivers to Cross“ an, und Ryder gibt den prunklosen Prediger, den einsamen Wanderer, wie er da ganz in Schwarz, mit Hut und Sonnenbrille die weißen Klippen von Dover besingt.

… und 1979 in den Kölner Sartory-Sälen. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
… und 1979 in den Kölner Sartory-Sälen. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das ändert sich dann schlagartig. Selbstbewusst mit einer gehörigen Portion Trotz interpretiert er „War“, sowas wie ein Bekenntnis über sein Leben, über den Kampf ums Überleben. Krieg in all seinen Facetten — der in seinem Innern, und der, den sein Land führt. Ryder ist bei diesem Stück sowas wie der ruhende Pol, um ihn knallt der Bass, bläst der Sound der Orgel, tobt die Gitarre von Gisbert Piatkowski wie zu wilden Woodstockzeiten bei Santana.

Überhaupt die Band. Engerling begleitet Ryder schon seit mehr als 20 Jahren. Und diese Band ist ein Glanzlicht. Beeindruckend wie Piatkowski und Heiner Witte sich an den Gitarren ergänzen. Ihr Wishbone Ash-artiges Intro zu „War“, Wittes hämmerndes Solo auf „Tough Kid“, Piatrowskis hymnisches Solo auf „Gimme Shelter“, Manne Pokrandts fetter Bass, der mit Hannes Schulze am Schlagzeug eine bemerkenswerte Rhythmustruppe bildet, und der vielseitige Bodag, der mal Detroit-Bläser, mal Mundharmonikafeuer und Keyboardsoli liefert, sind imponierend.

Als Zugabe gibt es unter anderem den Blues „All The Fools It Sees“, bei dem Ryder seinen ganzen Schmerz wie bei einem Gebet hinauspresst. „Ain’t Nobody White“ gehört ebenso zum festen Repertoire wie die Doors-Nummer „Soul Kitchen“ zum Schluss, mit dem Ryder schon 1979 bei seinem legendären Rockpalast-Auftritt beeindruckte. Und er kann’s eben immer noch. Er erschüttert das Publikum geradezu mit einer 15-minütigen Version. Es gibt rasenden Beifall. (Cem Akalin)

Am 5. März 2017 gibt es ein Wiedersehen mit Mitch Ryder in der Harmonie!

Weitere Tourinfos gibt es hier.