Es ist beängstigend und faszinierend zugleich, wenn man in einem Rocktempel wie dem Kölner E-Werk, wo 1800 Menschen Körper an Körper stehen, fast die Schweißtropfen über die Haut laufen hört. So still war es, als Gregory Porter „Water Under Bridges“ sang, lediglich vom Piano begleitet. Ein zartes Lied über Trauer, übers Verlassen werden, gesungen von einem stattlichen Kerl, einem, der mal das Zeug für einen Profifootballer hatte, einer, der mit einem ungeheuer eindringlichen Bariton die wunderbarsten Geschichten erzählen kann. Und das ist wohl das Geheimnis dieses Popstars unter den Jazzern, der mühelos kurz hintereinander die Säle in Köln und Leverkusen füllt: Er hat ein geradezu edles Gespür für Gefühl, Melodie und Abstraktion, das solch ein Album wie „Liquid Spirit“ zum Erfolg macht. Und es ist der unbefangene Umgang mit Jazz, Gospel, Soul und R ‚n‘ B, der einen mal an Bill Withers, mal an Jon Hendricks erinnern lässt – aber es ist immer Porter, der Mann mit der Ohrenmütze.
Es ist schon ein Erlebnis, wie dieser wie immer tadellos gekleidete Mann scheinbar mühelos mitten im Song die Genres wechseln kann, wie er, wie etwa bei „On My Way To Harlem“, plötzlich eine Referenz an Marvin Gay einbaut, wie er vom Liebeslied zum gospelgeprägten „Free“ wechselt oder zum wütenden Politsong „1960 What?“, bei dem übrigens Yosuke Sato mit seinem unruhig, fiebrigen, vorwärtstreibenden Saxophonsolo sein bestes hinlegte. Da konnte nicht nur Special Guest Max Herre staunen. (Cem Akalin)