Vom „Virus“ befallen: das neue Album von Haken

Captured at SECC on 09December,2019 by Max Taylor Grant

Dass die Londoner Band Haken mit „Virus“ mitten in die Coronapandemie platzen, ist ein merkwürdiger Zufall. Die Band selbst beteuert, dass es nichts mit Covid-19 zu tun habe. Auf ihrem sechsten Album besinnt sich Haken, die ihre Live-Stärken vor fünf Jahren auf dem KunstRasen bewiesen, auf ihre Stärke als harte, kunstfertige Rockband, und es kommt homogener und zielstrebiger vor, als der Vorgänger „Vector“, der in Teilen konzeptionell verloren wirkte.

Von Dylan Cem Akalin

Während der Opener „Prosthetic“ auf dem neuen Haken-Album wieder stark an ihre frühen Vorbilder von Dream Theater anknüpft, bleibt der Rest des Albums eher in einer trüben, düsteren Atmosphäre zwischen progressiver, technisch erstklassiger Sensibilität und zugänglichen Melodienführung. Manchmal erinnert die Musik gar an die abwechslungsreiche Musikalität von Opeth und Caligula‘ Horse.

Seit der Veröffentlichung von „Vector“ im Oktober 2018 hat Haken als Unterstützung für Devin Townsend ausverkaufte Shows in ganz Europa und Nordamerika gespielt und einen Prog-Preis erhalten. Und nebenbei haben sie die ganze Zeit über still und leise an dem Folgealbum mit dem Titel „Virus“ gearbeitet.

Schlagzeuger Ray Hearne sagt: „Seit ‚The Mountain‘ im Jahr 2013 wurde uns immer wieder die Frage gestellt: Wer ist der Kakerlaken-König? Dies ist etwas, das wir auch tiefer erforschen wollten, also haben wir das im Wesentlichen durch unsere Musik gemacht; Ausarbeitung und Erweiterung der intervallischen, harmonischen, rhythmischen und lyrischen Themen dieses Liedes. Das Endergebnis ist ein Bogen, der sich über zwei Alben erstreckt: ‚Vector‘ und ‚Virus‘.“

„Prosthetic“

Wenn „Vector“ eine Ursprungsgeschichte war, zeigt „Virus“ einen Aufstieg zu Macht, Tyrannei und anschließendem Endspiel. Der Anfangstrack „Prosthetic“ verbindet die beiden Alben, auf denen Narben institutionellen Missbrauchs in den Mittelpunkt gerückt werden. Dieser 6-minütige Ansturm brutaler Riffs führt zur Ausbreitung eines Virus, der alle Aspekte unseres Lebens betrifft, sei es biologisch, psychologisch, technologisch, ökologisch oder politisch. Das Stück überzeugt mit seinem sehr riffigen Prog-Metal-Stil mit explosiven Drums, die dem Riff folgen.

„Messiah Complex“

Und die Vocals von Ross Jennings sind nicht nur auf „Prosthetic“ wirklich äußerst gut. Es beherrscht die Höhen und bietet viele Variationen an. Raymond Hearnes Schlagzeug ist explosiv und prägt Hakens ziemlich komplexen Sound, zu dem natürlich auch die Gitarrenarbeit von Richard Hansshall und Charlie Griffiths zählt. Übrigens: Auch auf „The Strain“ ist Raymond Hearne ein echtes Monster an den Drums.

Diego Tejeida ist wieder an den Keyboards, Conner Green am Bass. Green verdoppelt häufig die Läufe der Gitarren und bringt so noch mehr Tiefe ins Spiel.

Natürlich ist der fünfteilige „Messiah Complex“, den Bassist Conner Green zu Recht als „den ehrgeizigsten und herausforderndsten Haken-Song aller Zeiten“ bezeichnet, der Höhepunkt auf „Virus“. Es zeichnet sich nicht nur als Originalkomposition aus, die voller überzeugender Momente und nahtloser Übergänge ist, sondern seine ständigen Verweise auf frühere Motive sind ebenso logisch und aufregend. Tatsächlich kann es sich einen Platz im Olymp der größten progressiven Rock/Metal-Suiten erkämpfen.