Das Coronavirus hat den Rockpalast erreicht. Naja, jedenfalls das Programm beeinflusst. : Nic Cester darf zurzeit „coronabedingt“ Italien nicht verlassen. Dafür springt das englische Trio False Heads am Samstag ein. Ansonsten bleibt alles wie gehabt.
Von Dylan Cem Akalin
Zwei Mal
pro Jahr präsentiert der WDR Rockpalast in der „Harmonie“ in Bonn-Endenich das
Crossroads-Festival. Vom 11. bis 14. März
2020 werden in angenehmer Clubatmosphäre vier Tage lang internationale Acts
präsentiert. Wie umfassend der Rockpalast stets alle Facetten des Rock
darstellt und definiert wird deutlich an der musikalischen Bandbreite, für die
„Crossroads“ auch in dieser Staffel steht: Eine spannende Mischung aus
verlässlichen Größen und interessanten Newcomern.
Tag 1: „The Persuaders“ war eine
Krimiserie, die ab 1970 mit Tony Curtis und Roger Moore im TV lief. Was im
Englischen so viel wie „Die Überredungskünstler“ heißt wurde in Deutschland als
„Die 2“ verkauft. Die Titelmusik der Kultserie läuft als Intro bei den legendären
The Godfathers aus London. Die
Alternative-Rockband eröffnet das Frühjahrsfestival des WDR Rockpalast an
diesem Mittwoch. Dann hat es sich aber auch schon mit der nostalgischen Kuschelstimmung.
Denn Songs wie „This Is War“ sind laut, typischer britischer Rock’n’Roll mit
Punk-Attitüde. Peter Coyne (Gesang), Steve Crittall (Gitarre), Alex McBain
(Gitarre), Tim James (Schlagzeug) und Darren Birch (Bass) sind heute noch auf
der Bühne so präsent wie vor 30 Jahren. Die Band ist nach wie vor politisch,
und so ein Song wie „One Good Reason“ könnte gar von den jungen Rolling
Stones sein. Dazu gibt es ein bisschen Rockabilly-Magie, Blues und imposanten
Rock.
Hodja „machen bis auf die Knochen reduzierten Rock’n’Roll, der in Gospel, Soul, Rhythm’n’Blues und Voodoo wurzelt ist“, schreibt die WDR-Rockpalast-Redaktion. Genauso ist es. Zwar ohne Bassist, dafür mit umso wuchtigeren Gitarren und einem dröhnenden Schlagzeug, als würde er durch die U-Bahnstationen grollen. Das ganze aktuelle Album „We Are The Here And Now“ ist reine Energie. Wenn auch nur die Hälfte auf der Bühne frei wird, können sich die Zuschauer auf etwas gefasst machen. Krachend, friedlos, durchdringend, durchaus kapriziös geht es bei diesem Trio zu.
Tag 2: Die in Berlin lebende Irin Wallis Bird macht Musik zwischen Folk, Urban Soul und Pop. Und ihre Texte kommen aus einer Welt, die von Brexit, Trump, der Klimakrise und was weiß ich noch geprägt ist. „Die Welt hat sich sehr verändert“, sagt sie im Pressetext zum neuen Album, „und ich habe mich damit verändert.“ Der Song „As the River Flows“ zum Beispiel ist Alan Kurdi gewidmet, dem dreijährigen syrischen Flüchtling, dessen ertrunkener Körper 2015 an einem türkischen Strand fotografiert wurde. „Und wenn ein Fluss gut fließt, sind Sie und ich aus Wasser“, singt sie. Das leise musikalische Intro verwandelt sich bald in einen synkopierten Shuffle, während Bird die politischen Entscheidungsträger der Einwanderungsbehörde atemlos herausfordert. „Bist du nicht mutig genug, der Menschheit einen grundlegenden Anstand zu bereiten?“
Wellbad aus Hamburg kombinieren Blues, Roots-Rock, Jazz und Hip Hop und wurde 2011 von Daniel Welbat gegründet. Die Presseagentur schreibt: „Seine Stimme klingt wie hundert Leben, als hätte Daniel Welbat Jahre in den dunkelsten Bars abgehangen und all ihre Geschichten aufgesogen. Roots Rock verliebt sich in Hip Hop. Jazzige Geistesblitze holt der Blues wieder auf den Teppich. Catchy Hooks laden zum Verlieben – alles eingebettet in den packenden Groove seiner großartigen Band.“ Schaunmerma!
Tag 3: Laura Cox „ist eine herausragende Gitarristin aus Frankreich, deren High-Voltage Rock’n’Roll sich mit den Besten messen lassen kann“, so der WDR. Cox sagt von ihrem Stil, sie sei von Mark Knopfler, Slash und Joe Bonamassa beeinflusst. Tatsächlich hat sie diese auf ihrem YouTube-Kanal (380.000 YouTube-Abonnenten, 90 Million Klicks) gecovert, womit sie sich eine große Fangemeinde aufbaute, bevor sie 2017 ein eigenes Album herausbrachte. Ihr Debütalbum „Hard Blues Shot“ (2017) wurde nach nur wenigen Monaten in Frankreich 10.000 Mal verkauft. Das zweite Album „Burning Bright“ ist lässt ein paar Einflüsse von AC/DC und Danko Jones erkennen, gemischt mit Southern- und Blues-Einflüssen.
Die vier schwedischen Frauen von MaidaVale bieten „heavy Psychedelic Rock, der nicht in die Retro-Falle tappt“, schwärmt die Rockpalast-Redaktion. MaidaVale, gegründet 2012 in Schweden, lässt an vielen Stellen an Siouxsie Sioux erinnern. Es stimmt schon: Ihre Retro-Atmosphäre ist im Stil der sechziger oder siebziger Jahre, doch der Band gelingt es immer wieder, einen frischen Dreh hinzubekommen, dass sich die Musik trotz allem modern anhört. Die Musik ist bluesig, von grobkörnigem Psychedelic-Rock, angetrieben von Fuzzy- und Stomping-Rock. Besetzung: Mathilda Roth: Gesang / Sofia Ström: Gitarre / Linn Johannesson: Bass / Johanna Hansson: Schlagzeug
Tag 4: Di-rect ist
eine erfolgreiche Pop-Rockband aus den Niederlanden. Sie verschmelzen die
Klangästhetik der 90er mit Elementen aus
Soul und Indie. Der Sound ist unfassbar. Die Musik bietet genug Groove zum
Tanzen, genug emotionalen Tiefgang für hymnische Atmosphäre. So ein Song wie „Nothing
To Lose“ ist so voller Leidenschaft und gesanglicher Spitzenleistung, dass
es schon Richtung Ereignis geht. Für ihr Album „Rolling With The Punches“
erhielt die Band einen Dutch Edison Award, spielte ihre bisher größten Shows
auf dem Pinkpop und dem Pukkelpop-Festival. In ihrer Heimat füllen sie
reglmäßig Hallen mit 5000er Kapazitäten und hatten bereits 2009 einen
Nummer-1-Hit. Besetzung: Marcel
Veenendaal: Gesang / Jamie Westland: Schlagzeug / Paul Jan Bakker: Gitarre / Frank
‚Spike‘ van Zoest: Gesang, Gitarre / Bas van Wageningen: Bass / Matteo
Iannella: Keyboards
Der Australier Nic Cester (Frontmann von Jet) kann wie schon erwähnt nicht kommen. Dafür gibt es mit False Heads ein junges Trio aus London, das mit brachialem Post-Punk-Rock glänzt. Es ist Riff-lastiger Rock, hat auch einen guten Schluck aus der Grunge-Pulle genommen, aber da ist mehr als die Widerspiegelung bekannter Muster. Sänger und Gitarrist Luke Griffiths: „Es ist der Versuch, einen Weg zu finden, wie wir das Externe innerlich verarbeiten können und da spielen Themen wie Depression, Kummer oder Sucht, aber auch kleine Ausbrüche von Optimismus und individueller Freude eine große Rolle.“