Der erste Abend des Crossroad Fesivals in der Harmonie Bonn hat die höchsten Erwartungen erfüllt, die die mittlerweile Kult-Veranstaltung des Rockpalasts WDR mit sich bringt. Orango aus Norwegen und die kalifornische Band Chris Robinson Brotherhood starten die Reihe der vier Abende, die die Bonner Musikszene rocken werden.
Von Mike H. Claan
Mit karierten Hemden, lange Barten und Haaren, fangen Orango kompromisslos laut an: Man kann kaum glauben, dass die (nur!) drei jungen Männer alleine so viel Krach machen können! Wenn im Gründungsjahr 1999 die Band tatsächlich ein viertes Mitglied am Keyboard zählte, vermisst man heute wirklich kein Element: Die Norweger verstehen sich perfekt auf der Bühne, sie springen pausenlos vom einen zum anderen Stück, füllen die Luft der Harmonie mit dem runden, überwiegenden Sound der Bassgitarre.
Die Band ist bekannt für ihre bissige Mischung Folk, Folk Rock, Classic Rock und Southern Rock. In der Live-Show wirkt sie aber deutlich kräftiger aus, überzeugend und powervoll, sodass die Musik sich eher in Richtung des sogenannten Stoner Rocks bewegt. Der Bassist Karl-Joakim Wisløff, der sich in virtuosen Solos ausdrückt, harmoniert seinen Klang makellos mit der Gitarre des Sägers Helge Kanck. Kancks klare Stimme wird von den anderen Mitgliedern großartig verstärkt, sogar der unermüdliche Schlagzeuger Trond Slåke unterstützt ihn am Mikrophon mit einer überraschend akuten Stimme.
Das Trio, das 2017 das sechste Album „The Mules of Nana“ herausgegeben hat, ist seit den Anfängen dasselbe geblieben, hat sich zusammen entwickelt, und es ist kein Wunder, dass es eine glanzvolle Show darstellen konnte.
Orango haben die Klänge des Southern Rock bis nach Norwegen gebracht – und jetzt nach Bonn. Chris Robinson Brotherhood umgekehrt kommen vom Southern Rock. Chris Robinson ist quasi selbst Southern Rocker gewesen, als er bis 2011 Vokalist der Black Crows war. Und es ist immer noch erstaunlich, wie er sich wiedererfinden konnte in der nach ihm genannten Band.
Seitdem haben fünf Amerikaner sechs Studioalben herausgebracht, wo sich die Spuren des Southern Rocks mit dem Rock und dem Blues vermischen und in einer psychedelischen Atmosphäre verschmelzen. In der Harmonie präsentieren sie eine bunte Zusammenfassung ihrer gesamten Musikgeschickte, von Phosphorescent Harvest über The Magic Door bis zum neusten Barefoot In the Head (2017), das erste Album mit dem Drummer Tony Leone und die erste Selbstproduktion. Der Bassist Jeff Hill ersetzt seit 2016 Mark Dutton und macht einen guten Job auf der Bonner Bühne, er passt reibungslos zu der Band trotzt der jungen Mitgliedschaft.
Orango haben einen so hervorragend starken Auftritt hingelegt, dass die Kalifornier tatsächlich etwas verblassten in den ersten Minuten aufgrund des krassen Unterschieds. Doch schaffen sie innerhalb ein paar Songs, alle mit auf ihre Reise mitzunehmen: Die psychedelische Faszination, die von der Bühne in das Publikum ausstrahlt, wirkt durch den fast esoterischen Duft von Räucherstäbchen noch stärker; die Musiker, alle wie immer bescheiden angezogen und kaum auffällig, laufen auf die üblichen riesigen Teppiche, die den Boden der Bühne decken. Die haben sie immer mit. Die Teppiche der Chris Robinson Brotherhood – sind sie, um den Sound zu stärkten oder vielleicht, um zu fliegen? Denn auch wenn die Zuschauer scheinbar nur tanzen und springen, sie fliegen mit der Band mit, die ohne zu reden und ohne Unterbrechungen bezaubern sie die ausverkaufte Harmonie.
Man hätte gerne noch weitere Zugaben gehabt, die Zeit war viel zu kurz, und so muss man wieder auf den Boden runterkommen. Insgesamt haben die zwei Bands ihre Zeit zweifelllos richtig genutzt, denn das Publikum ist begeistert von den verführenden Noten der Brotherhood sowie von den kräftigen Tönen der Orango. Der Crossroads Festival hat bestens angefangen. Das kann jetzt so weitergehen!