Wenn Gov’t Mule zum Konzert bittet, dann lässt sich das Quartett um Gitarrist/Sänger Warren Haynes nicht lumpen. Mehr als drei Stunden Rockmusik für Fortgeschrittene bot die amerikanische Rockband am Sonntag in der fast ausverkauften Live Music Hall – und überragte sich mal wieder selbst.
Das Programm ließ auch keine Wünsche offen, reichte von fast schon metall-lastigen Stücken über Bluesnummern, ausgesprochen energischen Instrumentalparts bis hin zu Referenzen an die Allman Brothers, B.B. King und episch langen Stücken, wie man sie eben von Haynes und seinen Männern gewohnt ist.
Mit „Brand New Angel“ als Opener zeigte sich die Truppe erst mal von ihrer „heavy“ Seite. Fast ohne Übergang ging es zum nächsten Stück: „Streamline Woman“ kommt vom selben Album „High & Mighty“ (2006) und hat eine ähnlich harte Gangart, in die Haynes, Jorgen Carlsson (Bass), Danny Louis (Keyboards, Gitarre) und Matt Abts (Schlagzeug) ein paar raffinierte Breaks einbauten. Bei „Mr. Man“ wurde es sogar noch eine Spur härter – und schneller. Was Warren Haynes da auf seinem Instrument zauberte, hatte teilweise schon was von Speedguitar.
Mit einem fetten Bassintro und harten Drumbeats leiteten Carlsson – der übrigens in ganz hervorragender Spiellaune war und immer wieder ausnehmend originelle Basslinien beisteuerte – und Abts zu einem älteren Stück über: „Game Face“ vom 1998er Album „Dose“. Übrigens ein Stück mit einem wirklich starken Text, einer Abrechnung mit selbsternannten Rettern dieser Welt und falschen Propheten. Und ein Stück, das sich für Gitarrensoli nur so anbietet, mit einem unübertrefflichen Orgel/Bass-Grund, auf dem Haynes viel Raum für seine virtuosen Exkursionen hatte, so viel Raum, dass er sich für ein paar Takte sogar auf einen Ausflug mit Allman Brothers „Mountain Jam“ einließ. Einmalig!
Wenn Gov’t Mule dann etwas Tempo herausnahmen, dann nur, um mit Stücken wie dem diesmal etwas psychedelisch angehauchten „Whisper In Your Soul“ ganz viel Gefühl rüberzubringen. Schon eine eindringliche Szene, wenn Warren Haynes, ganz in rotes Licht getaucht, zum leidenschaftlichen Spiel seiner Bandkollegen „I Feel Fine“ ins Mikro brüllt.
Der Übergang zu “Banks of the Deep End” hätte nicht genialer sein können. Tiefe Seele und viel Gefühl gab es zu dem Stück, in dem die Truppe Reggae-Rhythmen und Countryeinschläge verwebte.
“On the banks of the deep end
Where your soul is your best friend
Searchin‘ for a reason to go astray…”
Zum Ende des ersten Sets gab es eine 15-Minuten-Version von „Kind of Bird“, ursprünglich ein Tribute-Song der Allman Brothers an Charlie „Bird“ Parker. Warren Haynes in Bestform! Wer schafft es schon, auf solch auserlesene und lässige Art auf einem Instrumental seine Huldigungen an Jimi Hendrix, Fleedwood Mac, Santana und Al Di Meola einzubauen? Ein ganz großer Augenblick.
Mit einer tiefen Verbeugung von dem gerade verstorbenen B.B. King (“It’s My Own Fault“) startet die Truppe in die zweite Halbzeit. Auf Blues folgt leidenschaftlicher Rock: „Larger Than Life“, „Thelonius Beck“, das Haynes wieder Chancen für seine Saitensprünge gab, und das eher klassisch-rockige „Mr. High And Mighty“, ein Stück, das geradezu eine Referenz an AC/DC sein könnte.
Als letztes Stück brachte das Quartett nicht das von vielen sicherlich erhoffte Neil Young-Stück „Cortez The Killer“, das Gov’t Mule ja schon fast zu ihrem eigenen Klassiker gemacht hat. Aber es gab dennoch einen Young-Song: „Rockin‘ In The Free World“ – mit Zitaten aus Hendrix‘ „The Wind Cries Mary“ und „Machine Gun“.
Unter den Zuschauern übrigens die Bluessängerin Layla Zoe und der Vater der Gitarrenlehrbücher, Peter Bursch. Sie dürften ebenso begeistert gewesen sein wie die übrigen mehr als tausend Fans. Jetzt schon eines der Konzert-Highlights des Jahres!
(Cem Akalin)