Diese singende Gitarre! Dieser hingebungsvolle Gesang! Warren Haynes hat sich seinen Namen als Frontmann gemacht, der die virtuosen Leadgitarre in der Allman Brothers Band und Gov’t Mule (siehe auch) zerreißt, aber es gibt noch eine andere Seite ihm, die er noch nicht bis ins Detail erforscht hat: die des Folk-Sänger, des Singer and Songwriters, der sich von Bluegrass und Americana leiten lässt. Am Samstagabend begeisterten er und seine Band das Publikum in der Kölner Kantine. Zu recht!
Aufgewachsen in Asheville, North Carolina, ging Haynes ging oft zu Auftritten von lokalen Volkshelden wie Doc und Merle Watson und befreundeten älteren Songwritern wie Larry Rhodes und Ray Sisk. „In North Carolina gibt es viel Appalachian Music, Bluegrass, Folk, viel akustische Instrumentalmusik, und diese Musik hörte ich, seit ich ein Kind war“, sagte Haynes im J&R-Interview.
„Is It Me Or You” ist der Opener an diesem Abend, der erste Song auf seinem Album „Ashes & Dust“, und er nimmt das Publikum mit seiner leicht schwingenden Melancholie gleich ein. Eher überraschend, dass es dann den er mit „Patchwork“ weiterging, einem Song von Phil Lesh & Friends, der Band, die der ehemalige Grateful-Dead-Bassist Phil Lesh gegründet hatte. Aber die Stimmung wird tatsächlich weitergetragen von diesem eingehenden Lied.
Welcher Song könnte besser an solch ereignisreichen Tagen besser passen als „Beat Down The Dust“, wo es heißt: „Zeit, um den Staub abzuschlagen, Ich kann es nicht haben, wenn er uns runterzieht.“
Zu Herzen geht ein Song wie „Company Man“ über einen bescheiden lebenden Mann, der alles mit der Arbeit seiner Hände geschafft hat, wenn man weiß, dass es eine musikalische Verbeugung vor seinem Vater ist, wie Haynes erklärte. Diese wunderbare Grundstimmung wurde durch die Geige So wie auch „Coal Tattoo“ sind es Songs, die in der Folk-Tradition des Erzählens stehen. Das sind die Songs, die Haynes so liebt, weil sie authentisch sind. Er sei zum ersten Mal von dem Singer-Songwriter-Virus infiziert worden, als er 14 Jahre alt war, erzählte er. Es sind Geschichte, wie sie einst von wandernden Menschen von einem Ort zum anderen getragen wurden und zu Mythen wurden. Und dieses Sagenumwobene, dieses fabulös Hymnische schwingt auch in den Melodien mit.
Der Abend wurde zwar eindeutig mit Stücken aus seinem Soloalbum bestritten, aber es wäre kein Warren-Haynes-Abend, wenn nicht auch seine Liebe zur Musik von Little Feat („Skin It Back“) oder anderer großartiger Bands durchschlagen würde. Schon bei den ersten Zeilen „Picture yourself in a boat on a river“ raunte das Publikum und sang den Beatles-Song „Lucy In The Sky With Diamonds“ mit. Ein herrliches Stück wie gemacht für eine ausgedehnte Jamsession.
Und die Allman Brothers? Ja, auch die wurden ausgiebig gefeiert: mit Songs wie „Blue Sky“, „Dusk Till Dawn“ und dem Klassiker „Jessica“. Viele, die dachten, es würde ein Schmuseabend werden und nicht den Weg in die Kantine angetreten sind, werden sich jetzt wohl ziemlich ärgern. Denn die fast drei Stunden Musik, die die Truppe mit der gewohnten Lust und Hingabe bot, war ein Genuss auf höchster Ebene.
Der Song „Spots of Time“, aus dem die Zeile für den Albumtitel stammt, dürfte glühenden Haynes-Fans vertraut sein. Der Song wurde von Haynes und Phil Lesh von Grateful Dead geschrieben, und die Allman Brothers haben es einige Male auf der Bühne gespielt. Eigentlich hätte der Song auf einem neuen Allmans-Album kommen sollen, wenn sich die legendäre Band nicht 2014 in den Ruhestand verabschiedet hätte. Also entschied sich Haynes, auf seiner Solo-Platte aufzunehmen und lud Allman-Brothers-Band-Bassisten Oteil Burbridge und Schlagzeuger Marc Quinones ein, ihn im Studio zu begleiten. Daher passte dann der Übergang zu „Jessica“ auch so fabelhaft.
Als Zugabe gab es den bluesorientierten Song „Two Of A Kind“ des Country-Musikers Dennis Robbins, der bekannt wurde als Gitarrist der Rockets und als Komponist von Hits für Leute wie Garth Brooks. Ein ganz großer Abend! (Lina Macke)