Eric Clapton: Der Gitarrengott, der durch die Hölle ging.

Eric Clapton wird am 30. März seinen 70. Geburtstag. Eine Würdigung von Dylan Cem Akalin

Ich muss tatsächlich wieder und wieder aufs Cover schauen und mich vergewissern, dass das Album von 1966 ist. „John Mayall: Blues Breakers with Eric Clapton“ ist tatsächlich solch ein alter Schinken, klingt aber immer noch so frisch und frech wie am ersten Tag. Kein Wunder, dass sich junge Bluesrock-Musiker wie Chris Turpin, Sänger und Gitarrist der britischen Band Kill it Kid, heute stolz in dieser Tradition sehen. Eric Clapton, der am 30. März 70 Jahre alt wird, war damals schon ein Held. Für viele gar mehr: „Clapton is God!“

Der Spruch, den irgendein Fan 1965 auf eine Hauswand in London gesprüht hatte, ging um die Welt – und blieb. Der Gitarrist und Sänger gilt als einer der einflussreichsten Musiker unserer Zeit. Erst Clapton etablierte das Gitarrensolo in der Rockmusik. Bis dahin war die Sologitarre gerade mal gut genug, um die Lücke zwischen Refrain und neuer Strophe zu füllen. Seit Clapton kommt kein vernünftiger Rock-Song mehr ohne Gitarrensolo aus. Was macht die Faszination Claptons aus, der selbst von sich sagt, dass er ein fürchterlicher Stinkstiefel gewesen sei? Es gibt nicht viele Musiker, die so verehrt werden wie „Mr. Slowhand“. Claptons musikalische Bilanz ist die eine Seite, seine Biografie mit den vielen persönlichen Brüchen und Abstürzen die andere.

Schwächen und Selbstzweifel

Vielleicht macht genau das die Heldenverehrung aus: Dass Clapton mit seinen Schwächen und Selbstzweifeln immer so nahbar blieb. Auch ein 1958er Cadillac Eldorado Biarritz bleibt ein fantastisches Auto, und wenn er noch so viel Rost ansetzt und Beulen in der Karosserie aufweist. Wenn eine Persönlichkeit wie Clapton auch noch mit außergewöhnlichem musikalischem Talent gesegnet ist und ein Ventil findet, sich mitzuteilen, dann sind das schon Konstellationen, aus denen ein charismatischer Musiker geboren wird.

Eric Clapton ist ein Musiker, der mit einer so hingebungsvollen Seele Gitarre spielt, wie es nur wenige können. Seine Gitarre bleibt immer stilvoll, egal wie sehr er das Biest auch zu zähmen scheint, er lässt ihm genug Freiheit, um seinen Schmerz hinauszuschreien. Und es gibt für ihn keine bessere Gitarre als die legendäre Fender Stratocaster, um diesen runden, metallenen, fast glockenklaren Sound von den Saiten zu lösen. Und weil er sich an das Credo der alten Bluesmusiker hält (nämlich, dass ein Instrument nur dann gut gespielt ist, wenn es so nah wie möglich an das Abbild der menschlichen Stimme kommt), verliert sich der Musiker auch nur selten in endlosen virtuosen Stunts. Ausnahme: die fantastischen Studio Jams mit Duane Allman von 1970. Was für ein Treffen zweier Gitarrenheroen!

Verkorkste Verhältnisse

Clapton stammt aus schlichten, ziemlich verkorksten Verhältnissen. Geboren in Ripley, einer Kleinstadt zwischen London und Portsmouth. Seine Mutter ist da erst 16; Eric Patrick wird von den Großeltern aufgezogen. Seine Mutter hält er lange Zeit für seine Schwester. Als er endlich erfährt, wer sie wirklich ist, weist sie ihn schroff ab. „Man hat mir später gesagt, dass ich von diesem Augenblick an trübsinnig und ekelhaft war“, schreibt Clapton später.

Er muss ein wirklich übellauniger, arroganter, rücksichtsloser Kotzbrocken gewesen sein. Seinen Bandkollegen zeigte er nicht selten die kalte Schulter, fuhr oft nicht im Tourbus mit, weil er ihre Gesellschaft mied. Und so hält es den „Journeyman“ auch nicht lange an einem Ort. Die Yardbirds verlässt er, bei den Bluesbreakers demonstriert er schon auf dem Cover, wie er zu den Anderen steht: Er liest demonstrativ in einem Comic-Heft. 1966 formiert er mit Ginger Baker (Schlagzeug) und Jack Bruce (Bass) die erste sogenannte Supergroup der Popkultur. Cream steht für Wucht, Kraft, für ungebändigte, psychedelische Ausbrüche und Innovation. Die Wildheit und bedingungslose Freiheit, die sie propagieren, unterstreichen sie mit den neuen Verstärkern, die gerade erst ein gewisser Jim Marshall entwickelt hat und die eine bis dahin nicht gekannte Lautstärke erzeugen.

Selbstzweifel und Ruhm

Doch Selbstzweifel quälen Clapton wieder einmal, und mit dem unglaublichen Ruhm, den das Trio schon nach kurzer Zeit erwirbt, kommt er nicht klar. 1968 löst sich die Band auf, Clapton gründet mit Steve Winwood die Gruppe Blind Faith, Ginger Baker kommt mit. Auch diese Truppe schafft eine Musik, die Maßstäbe setzt. Wer hat damals schon 15 Minuten lange Stücke gespielt? „Do What You Like“ erinnert vom Grundrhythmus an Brubecks „Take Five“, die Gitarre könnte auch vom frühen Carlos Santana sein. Clapton verwebt die Stile. Es bleibt leider bei einer einzigen Platte. Als sie durch die USA touren, spielt Delaney & Bonnie als Vorgruppe, Clapton verlässt Blind Faith und macht aus Delaney & Bonnie dann Derek and the Dominos, mit denen er das legendäre Album „Layla and Other Assorted Love Songs“ einspielt.

Damit war der Grundstein für seine Solokarriere gelegt. 1971 brach er bei George Harrisons Konzert für Bangladesch auf der Bühne zusammen, was ihn aber nicht davon abhielt, weiter Heroin und Alkohol zu konsumieren. Auch mehrere Entziehungskuren konnten ihn nicht aus dem Strudel ziehen. Produktiv blieb er dennoch: Er lieh seinen einmaligen Gitarrensound Leuten wie John Lennon, Billy Preston oder Howlin‘ Wolf. Er selbst setzt mit Alben wie „461 Ocean Bloulevard“ (1974) oder „Slowhand“ (1977) Maßstäbe. Im Umgang mit Drogen und Alkohol indes kannte er keine Grenzen.

Sein Sohn Conor

Wie sehr ihn die Sucht hinabzog, das hat er in seiner Autobiografie (2007) beschrieben: „Der einzige Grund, warum ich keinen Selbstmord begangen habe, war die Angst davor, nie wieder etwas trinken zu können.“ Erst die Geburt seines Sohnes Conor (am 21. August 1986) bringt Clapton zum Umdenken: „Bis zu diesem Augenblick hatte mein Leben nur aus einer Reihe von nicht gerade bedeutsamen Episoden bestanden. In der Realität schien ich mich nur dann zu befinden, wenn ich musikalisch herausgefordert wurde. Dieses winzige, so ungeheuer verletzliche Kind machte mir plötzlich klar, dass ich endlich aufhören musste, dauernd nur Mist zu bauen.“

Am 21. November 1987 kehrte er zum Entzug zurück. „Von diesem Tag an bis zum heutigen habe ich jeden einzelnen Morgen gebetet, auf den Knien gelegen und um Hilfe gefleht, und jeden einzelnen Abend habe ich für mein Leben und für meine Nüchternheit gedankt. Auf den Knien, weil ich spüre, dass ich mich beim Beten erniedrigen muss, und mehr geht bei meinem Ego nicht.“

Crossroads Guitar Festival

Seitdem blieb Clapton weg von Drogen und Alkohol. Und das, obwohl er vier Jahre später einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss: 1991 stürzt Conor beim Spielen aus einem offenen Fenster im 53. Stock eines New Yorker Wohnhauses, wo er mit seiner Mutter lebte. Statt mit Alkohol verarbeitet Clapton seine Trauer mit Musik und beschert der Welt mit „Tears in Heaven“ eine der schönsten Balladen. 1998 gelingt ihm mit „My Father’s Eyes“ sein bislang letzter Hit. Sein letztes Studioalbum erschien 2013. Der Titel: „Old Sock“. So nennt ihn sein Freund David Bowie augenzwinkernd. Seit 2002 lebt Clapton in zweiter Ehe mit der 31 Jahre jüngeren Melia McEnery zusammen und hat mit ihr drei Töchter.

Seit 2004 organisiert er alle drei Jahre das Crossroads Guitar Festival. Die Einnahmen gehen an ein Drogentherapiezentrum. Auf dem Festival trifft sich alles, was auf sechs Saiten etwas zu sagen hat. Und natürlich huldigen sie dabei einem: dem Gitarrengott aus Ripley.