Was für eine Symbolkraft! Mitten im Konzert der Foo Fighters auf dem Pinkpop Festival Samstagnacht zieht eine Sternschnuppe einen leuchtenden Schnitt in den Nachthimmel. So nah, so hell. Darunter feiern mehr als 65.000 Fans die für viele zurzeit größte Rockband. Zweieinhalb Stunden spielt die Truppe um Dave Grohl auf höchster Energiestufe. Vielleicht auch eine Wiedergutmachung für die Absage der Band vor drei Jahren, nachdem sich der Frontmann kurz zuvor bei einem Auftritt das Bein gebrochen hatte? Dave Grohl und seine Band gaben jedenfalls alles.
Von Lina Macke, Zoe Akalin und Phyllis Akalin
Zehn Kilometer. Mindestens. Was Dave Grohl auf der großen Bühne an Laufleistung bringt, ist schon erstaunlich genug. Und nach seinen angeschlagenen Stimmbändern bei Rock am Ring, war der 49-Jährige Sänger und Gitarrist am Samstag wieder ganz der Alte. Was für eine Energie!
Und die Band hätte genug Material, um die Fans sogar länger als zweieinhalb Stunden zu unterhalten. Mit einem Donner aus den Gitarrenverstärkern eröffnet die Band pünktlich um 21.30 Uhr das Konzert. Die Band läuft auf die Bühne, als gäb’s zum ersten Mal Weihnachtgeschenke. Die Menge tobt, und Dave beginnt mit dem lebensbejahenden „Run“ („Wake up/Run for your life with me“), begleitet von fetten Metalgitarrenriffs.
Und wenn Grohl das eher punkige Stück „All My Life“ (vom Album „One“, 2002) ansingt, dann können wohl viele etwas damit anfangen: „All my life I’ve been searching for something/Something never comes never leads to nothing/Nothing satisfies but I’m getting close“. Ein Stück, das nur so berstet vor wütender Kraft und Dringlichkeit. Mit „Learn to Fly“ („There Is Nothing Left to Lose“, 1999) und dem dazugehörigen Video zeigte Grohl schon vor 19 Jahren, dass er die Kunst der Selbstironie beherrscht – und die Fähigkeit, Melodien für die Ewigkeit zu schreiben. Der Song kommt immer noch so beflügelt daher wie vor fast 20 Jahren, und die Fans feiern ihn.
Das ist das Besondere an den Foo Fighters, diese Kombination aus absoluter Lebensfreude, die Grohl mit seinen Schreiattacken so aus sich herausbrüllt, aus natürlicher Coolness, aus berstender Wildheit, Witz und hymnischer Schönheit. „The Pretender“ ist so ein typischer Song: ein Beginn, der von den Beatles sein könnte, die dann einsetzenden sägenden Gitarren, und der gesangliche Ausbruch, das verächtliche Ausspucken der Worte, die aggressive Standfestigkeit, mit der Grohl gegen die Heuchler ansingt! Und man glaubt ihm dabei jedes Wort. Live kommt es zu einem Sturm der Gitarren, zur vulkanischen Aufwallung aller Instrumente, bevor es wieder zum melodischen Thema zurückgeht.
„Wollt Ihr Rock ‚n‘ Roll?“, schreit Grohl in die Menge und schaut dabei so erwartungsvoll und berauscht wie einer, der zum ersten Mal vor solch einer Menge steht. Ja, diese übermütige, jugendliche, fast kindliche Freude hat er sich erhalten. Er wirkt immer noch so verspielt und hingebungsvoll, wie als junger Drummer bei Nirvana. Und dass er es immer noch drauf hat am Schlagzeug, beweist er später bei einem witzigen Zwischenspiel, bei dem die Band allerlei Rockklassiker („Another One Bites the Dust“, „Imagine“, „Jump“, „Under Pressure“) spielen, mit Drummer Taylor Hawkins als Sänger. Grohl wurde nicht ohne Grund mal vom Rockmagazin Rolling Stone in die Liste der hundert besten Drummer aufgenommen.
Das diesjährige Pinkpop Festival ist sowas wie eine Erinnerungsreise ins Jahr 1992. Damals spielte nicht nur Pearl Jam, die am Vorabend auftrat, ihr legendäres Konzert. Grohl war damals mit Nirvana da, in seiner Erinnerung der erste Festivalauftritt der jungen Grungeband aus Seattle.
„The Sky Is a Neighborhood“ vom aktuellen Album ist so ein typische Foos-Song, bei dem Grohl sich austoben kann, so wie auch „Sunday Rain“ eine andere Seite von ihm zeigt. Ein Song, der in seiner sanften, rockigen Art auch von John Lennon hätte sein können. „Rope“ bietet Taylor ausgiebig Gelegenheit, seine Trommeln zu bearbeiten.
Ein besonders rührender Moment ist immer wieder, wenn Grohl „My Hero“ anstimmt, zunächst nur von seiner Gitarre begleitet, ein Song, an all die Helden unseres Alltags, nicht die großen, unerreichbaren Menschen, sondern die, die tagtäglich unser Leben und unser Herz berühren.
Das Konzert ließ keine Wünsche offen. Witz und Humor inklusive eines Auftritts eines der Fans aus der ersten Reihe („Mike“), der sich auf der Bühne genussvoll den Veuve Clicquot schmecken ließ, Gänsehautmomente („Everlong“, „These Days“), rockiges Feuer, hymnische Augenblicke („Wheels“) und viel Gelegenheit zu Springen, zu Tanzen und Mitzusingen („Breakout“, „Best of You“). Eine himmlische Nacht!