Mit seinem neuen Look kommt Chris Barron der Vorstellung eines Imageberaters schon wesentlich näher. Adretter Haarschnitt, gepflegter Schnäuzer, weißes Hemd und Krawatte – das ist das Bild eines echten Spin Doctors, wie die PR-Strategen mit dem „richtigen Dreh“ („Spin“) in den USA genannt werden. Rein äußerlich ist von dem Hippie, der einst mit langem Haar, Bart und Anden-Mütze auf der Bühne wie ein wild gewordener Waldschrat wirbelte, nichts mehr übrig. Doch den Schalk hat er immer noch im Nacken sitzen. Und seinen ungewöhnlichen Tanzstil, der irgendwo zwischen Ian Dury auf Ecstasy und Freddie Mercury beim Aerobic anzusiedeln ist, hat er perfektioniert. Das Bein kann er jedenfalls immer noch steil nach oben strecken. Aber auch gesanglich und musikalisch konnte die Formation aus New York beim zweiten Crossroads-Festivalabend in der Harmonie Bonn voll überzeugen.
Als das Quartett die Bühne betrat, erklang aus dem Off Muddy Waters‘ „Going Home“. Das Statement hätte gar nicht besser gewählt sein können. Aber Chris Barron, Eric Schenkman (Gitarre), Mark White (Bass) und Aaron Comess (Drums) haben schon mit ihrem aktuellen Album „If The River Was Whiskey“ deutlich gemacht, dass ihre Wurzeln im Blues liegen. Doch ihr Blues ist nicht der wehleidige, nicht der, der einem vor Rührung, sondern vor Lachen die Tränen in die Augen schießen lässt. Wie etwa im „Traction Blues“, wo der aus Liebe schwer verletzte Tollpatsch im Krankenhaus Kaffee trinken muss, der nach Schlamm schmeckt. Überhaupt: Spin Doctors – das ist Lachen im Gesicht der Zuschauer im fast ausverkauften Club und Tanz in den Beinen. Und Barron ist nicht nur ein ausgezeichneter Sänger, sondern auch ein Entertainer mit viel Humor und einem gehörigen Schuss Selbstironie.
Selbstverständlich durften auch Hits aus dem Erfolgsalbum „Pocket Full Of Kryptonite“ (1992) nicht fehlen: Mit „What Time Is It?“ beginnt der Abend. Und „Off My Line“ und „Two Princes“ durften selbstredend auch nicht fehlen. Dieser Mix aus Rock, Blues, Funk, kleinen Jazzeinschüssen und Folk klang gar nicht in die Jahre gekommen. Die Rhythmusmaschinerie White/Comess machte mächtig Druck, und Schenkman war an den elektrischen Gitarren immer präsent.
Präsent war auch die erste Band des Abends. Die Country-Blues-Kapelle um Stacie Collins legte die Messlatte für die Spin Doctors ziemlich hoch. Stacie Collins ist so was wie die verruchte Schwester von Miley Cyrus, eine Blueshexe, die in Texas jede Honky Tonk-Bar zum Rasen bringt mit ihren enthemmten Gesten, dem heißblütigen Mundharmonikaspiel und impulsiven Gesang, der wohldosiert mal zwischen braver Country-Göre, Blues-Röhre und schnurrendem Wildkätzchen lag. Ihr Ruhepol liegt jedenfalls weit über Zimmertemperatur. Sie wirbelt auf den Pfennigabsätzen ihrer schwarzen Stiefel, lässt das Haar wie Flammen durchs Scheinwerferlicht flackern – und die Bühne ist ihr nicht genug. Sie steigt ins Publikum, springt bei „Ain’t Got You“ auf den Tresen und lässt die Kameraleute des WDR-Rockpalasts ganz schön schwitzen. Mit „Baby Sister“, einer schnörkellosen Fassung von Willie Dixons Klassiker „I Don’t Care Who Knows“ wärmen sich Collins und Band schnell auf. Ob Slow Blues wie „Get In Line“, die Stones-Nummer „Jumping Jack Flash“ oder das AC/DC-Stück „It’s A Long Way To The Top“ in der Zugabe – die Amerikanerin ist keine Sängerin, die sich an Tempolimits hält. Das Publikum war an diesem Abend mehr als zufriedengestellt.