Brad Mehldau erhebt seine Stimme: Ein Jazzpianist gegen Trumps Amerika. Warum seine Worte so bedeutend sind – und was sonst noch in den USA passiert

New York: Diese Stadt steht für Freiheit, Hoffung und den American Dream. FOTO: Dylan Akalin

Der introvertierte Jazzmusiker Brad Mehldau meldet sich mit einer eindringlichen Botschaft zu Wort: Er kritisiert die Trump-Regierung scharf und warnt vor einem Verrat an den Werten von Freiheit und Demokratie. Warum seine Worte so bedeutend sind – und was sonst noch in den USA passiert. Und: Wer bleibt noch, um Widerstand zu leisten?

Von Dylan C. Akalin

Ausgerechnet der eher zurückhaltende und introvertierte Jazzmusiker Brad Mehldau macht mit einer wundervollen Erklärung von sich reden. Ich fasse es mal zusammen:

Brad Mehldau bringt in seinem Statement auf seiner Webseite bzw. auf Facebook seine tiefe Besorgnis über die aktuelle politische Entwicklung in den USA zum Ausdruck. Insbesondere kritisiert er die Haltung der Trump-Regierung gegenüber der Ukraine und ihre Abkehr von den Prinzipien der Freiheit und Demokratie. Es sei erschreckend, dass die politische Führung sich offenbar von der Unterstützung eines souveränen ukrainischen Staates entferne und dadurch auch das gemeinsame demokratische Erbe mit den europäischen Verbündeten gefährde.

Solidarität mit der Ukraine

Für Mehldau ist die Solidarität mit der Ukraine sowie mit allen Menschen, die für Freiheit kämpfen, eine unverrückbare Grundhaltung. Dass dies überhaupt betont werden müsse, zeige für ihn die Unsicherheit, ob diese Werte noch universell gelten.

Mehldau äußert seine Enttäuschung darüber, dass die US-Regierung nicht mehr für Freiheit, sondern für Tyrannei stehe. Diese Politik spreche nicht für ihn und viele andere Amerikaner. Er sieht in der aktuellen Administration einen Verrat an grundlegenden Werten und stellt fest, dass nicht nur direkte Unterdrückung Leid verursache, sondern auch das bewusste Unterlassen von Hilfe und Unterstützung. In diesem Zusammenhang kritisiert er scharf die Entscheidung der Regierung, humanitäre Hilfe zu vernachlässigen.

Symbol für Freiheit und Selbstverwirklichung

Um zu verdeutlichen, wofür er als Amerikaner stehe, verweist Mehldau auf seine größten Vorbilder aus der Musik – insbesondere afroamerikanische Jazzmusiker wie Miles Davis, John Coltrane, Ella Fitzgerald oder Duke Ellington. In ihrer Kunst sieht er ein Symbol für Freiheit und Selbstverwirklichung, das sowohl demokratische als auch anarchische Elemente vereint: eine offene, improvisatorische Form des Ausdrucks, die durch Vielfalt und Austausch bereichert werde. Diese Musiker dienten ihm nicht nur musikalisch als Vorbilder, sondern auch in ihrem Auftreten, ihrer Intelligenz und Würde – Eigenschaften, die er in der aktuellen politischen Führung vermisse.

Brad Mehldau am 18.11.2010 in der Kölner Philharmonie FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Darüber hinaus betrachtet Mehldau die Errungenschaften dieser Musiker als ein Beispiel für den Widerstand gegen Unterdrückung. Er erinnert daran, dass sie trotz des allgegenwärtigen Rassismus in den USA ihre Kunst weiterentwickelten und damit einen wesentlichen Teil der amerikanischen Kultur prägten. In dieser Widerstandsfähigkeit sieht er das Potenzial für eine bessere Zukunft – nicht nur für Amerika, sondern universell.

Mehldau erweitert diesen Blick auf universelle Ideale, die er nicht nur in der Musik, sondern auch in Literatur und Philosophie wiederfindet. Er nennt Beethoven, Dostojewski, Camus, Thomas Mann, Orwell und Schostakowitsch als weitere Inspirationsquellen, die für ihn eine tiefere Wahrheit über die menschliche Erfahrung und den Kampf um Freiheit vermitteln.

Zum Abschluss zitiert er den amerikanischen Schriftsteller James Baldwin, der die Ursprünge der amerikanischen Gesellschaft als von Gier und Verdrängung geprägt beschreibt – eine Einschätzung, die Mehldau auch auf die gegenwärtige Politik anwendet. Dennoch bleibt Baldwin trotz seines kritischen Blicks hoffnungsvoll: Er glaubt daran, dass Menschen sich gegenseitig retten können, auch wenn es nicht oft geschieht. Mehldau schließt mit diesem Gedanken und vermittelt damit seine Überzeugung, dass es trotz der gegenwärtigen politischen Enttäuschungen immer noch Hoffnung gibt – in der Kunst, in der Geschichte und in menschlicher Solidarität.

Trumps Beliebtheit gestiegen

Und sonst so in den USA? Gegenwind? Proteste? Wer denkt, dass der Rückhalt für Präsident Donald Trump abnimmt, irrt gewaltig. Einer Analyse von der Londoner The Times und des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts FiveThirtyEight zufolge zeigten Trumps Umfragewerte in den letzten Jahren zwar starke Schwankungen:

– 2022: 56,9 %

– 2023: 48 %

– 2024: 38,7 %

– 2025: 46,1 %

Seit der Wahl hat sich seine Beliebtheit indes leicht verbessert, was auf einen soliden Amtsstart hindeuten könnte. Trump begann seine zweite Amtszeit mit einer Rekordzahl an Executive Orders. In den ersten Wochen unterzeichnete er über 50 präsidiale Erlasse – mehr als jeder andere Präsident in so kurzer Zeit.

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

– Einwanderung: Erklärung eines nationalen Notstands an der Südgrenze bereits am ersten Tag im Amt, um illegale Einwanderung zu bekämpfen. Weitere Maßnahmen zur Fertigstellung der Grenzmauer und verstärkte Abschiebungen wurden angekündigt.

– Wirtschaft: Einführung einer „Notfall-Preisentlastung“, um die Lebenshaltungskosten zu senken.

– Sozialpolitik: Offizielle Anerkennung von nur zwei Geschlechtern.

– Handel: Einschränkungen für Holz- und Kupferimporte aus Sicherheitsgründen.

– Sprachenpolitik: Englisch wurde als offizielle Sprache der USA festgelegt.

Ok, in der Bevölkerung kommt sein Kurs offenbar immer noch gut an. Tatsächlich?

Proteste und Initiativen

Seit dem 1. Januar 2025 haben in den USA zahlreiche Proteste und Initiativen gegen die Politik von Präsident Donald Trump stattgefunden. Zum Beispiel:

50501-Bewegung:

Am 5. Februar 2025 organisierten Bürgerinnen und Bürger in allen 50 Bundesstaaten Proteste unter dem Motto „50501“ („50 Proteste, 50 Staaten, ein Tag“). Diese Bewegung richtete sich gegen verschiedene Maßnahmen der Trump-Regierung, darunter die Rolle von Elon Musk und das „Project 2025“. Die Demonstrationen fanden vor den Parlamenten in Staaten wie Minnesota, Michigan, Texas und Indiana statt und zogen Tausende von Teilnehmern an.

Proteste gegen Deportationsmaßnahmen:

Ende Januar 2025 kam es in Südkalifornien zu anhaltenden Protesten gegen die von Präsident Trump beschlossenen Massenabschiebungen. Tausende Menschen, darunter viele mexikanische Amerikaner und Einwanderer, demonstrierten in der Innenstadt von Los Angeles und vor der Crypto Arena während der Grammy-Verleihung.

Reaktionen auf Trumps Rede vor dem Kongress:

Während Trumps Rede vor dem US-Kongress am 5. März 2025 protestierten demokratische Abgeordnete mit Schildern wie „No King!“ und „Save Medicaid“, drehten ihm demonstrativ den Rücken zu oder verließen den Saal. Der Abgeordnete Al Green unterbrach die Rede mit dem Vorwurf, Trump habe kein Mandat, Sozialprogramme zu kürzen, und wurde daraufhin von Sicherheitskräften entfernt.

Widerstand der White House Correspondents‘ Association (WHCA):

Die WHCA wehrte sich gegen Versuche der Trump-Regierung, die unabhängige Berichterstattung über das Weiße Haus zu untergraben. Traditionell bestimmt die WHCA die Besetzung des Korrespondenten-Pools, doch die Regierung kündigte an, diese Kontrolle zu übernehmen. Die WHCA befürchtet, dass dadurch unliebsame Journalisten durch Trump-freundliche Medienvertreter ersetzt werden könnten.

Und was ist mit Künstler*innen? Musiker*innen? Schauspieler*innen?

Die 97. Oscar-Verleihung am 2. März 2025 war ja erschreckend unpolitisch. Was war das? Es war schon sehr auffällig, wie sehr politische Äußerungen weitgehend vermieden wurden. Im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen die Veranstaltung oft als Plattform für politische Statements genutzt wurde, entschieden sich die meisten Preisträger und Moderatoren diesmal für Zurückhaltung. Das ist beschämend!

Oder ist es Angst?

Denn US-Präsident Donald Trump ist fest entschlossen, den Staat auf allen Ebenen in seinem Sinne umzukrempeln. Prominentes Beispiel: Kürzlich hat er umfassende Veränderungen am John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington D.C. vorgenommen. Er entließ mehrere Mitglieder des Vorstands und ernannte sich selbst zum Vorsitzenden des renommierten Kulturzentrums.

Diese Entscheidung führte zu einer Reihe von Rücktritten prominenter Künstler und Berater. Die Sopranistin Renée Fleming kündigte ihre Position als künstlerische Beraterin auf, ebenso wie die Schauspielerin Issa Rae und die kanadische Autorin Louise Penny ihre geplanten Auftritte absagten. Zudem trat die Produzentin Shonda Rhimes von ihrem Amt als Schatzmeisterin zurück, und der Sänger Ben Folds legte sein Amt als künstlerischer Berater des National Symphony Orchestra nieder.

Eingriffe die künstlerische Freiheit

Trump begründete seine Maßnahmen mit dem Wunsch, das Kennedy Center von „woken“ Einflüssen zu befreien und die Kulturinstitution neu auszurichten. In diesem Zusammenhang wurden auch Veranstaltungen mit Bezug zur LGBTQ+-Szene abgesagt. Kritiker befürchten, dass diese Eingriffe die künstlerische Freiheit und die Vielfalt des Programms des Kennedy Centers beeinträchtigen könnten.

Das Kennedy Center, benannt nach dem ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, gilt als nationales Kulturzentrum der USA und zieht jährlich Millionen von Besuchern an. Es wird sowohl durch Spenden als auch durch öffentliche Gelder finanziert.

Die jüngsten Entwicklungen werfen Fragen über die zukünftige Ausrichtung des Zentrums auf und haben eine Debatte über die politische Einflussnahme auf kulturelle Institutionen entfacht. In der Washington Post gab es Ende Februar etliche Leserbriefe, in denen die Sorge geäußert werden, dass Trumps Eingreifen die künstlerische Freiheit und die Vielfalt der dort stattfindenden Aufführungen gefährde. Viele Leser befürchten, dass diese Aktion Teil eines größeren Musters ist, bei dem die Regierung versucht, kulturelle Institutionen zu politisieren und zu kontrollieren.

Leserbriefschreiber fordern politische Entscheidungsträger auf, die Autonomie kultureller Einrichtungen zu verteidigen und sicherzustellen, dass Kunst und Kultur nicht zum Spielball politischer Interessen werden.

Das macht Hoffnung. Doch wie lange werden solche kritischen Stimmen noch in Zeitungen wie der Washington Post noch veröffentlicht? Bekanntlich hat der Eigentümer der Washington Post, Jeff Bezos, bestimmt, die Zeitung werde künftig nur noch ein eingeschränkt kommentieren dürfen. Der bisherige Meinungschef, David Shipley, kündigte daraufhin.

Auslandsflucht der Prominenten und Reichen

Während des Wahlkampfs gab es viel Solidarität und Unterstützung für Kamala Harris. Und dann?

Die bekannte Moderatorin Ellen DeGeneres und ihre Ehefrau Portia de Rossi haben nach Trumps Wahlsieg beschlossen, in die ländliche Region der Cotswolds in England zu ziehen.

Der Schauspieler Richard Gere hat seinen bevorstehenden Umzug nach Spanien angekündigt.

Die London Times berichtet, dass es immer mehr gutsituierte US-Amerikaner nach London zieht. Nach Angaben des Innenministeriums stiegen die Anträge auf britische Staatsbürgerschaft demnach im letzten Quartal 2024 um 40 Prozent an. Mehr als 6.100 US-Bürger haben sie im vergangenen Jahr beantragt – so viele wie seit Beginn der Aufzeichnungen vor zwei Jahrzehnten nicht. Die Times zitiert einen Immobilienmakler, der sagt, dass Amerikaner mittlerweile mindestens 30 Prozent seiner Kunden ausmachen, der bisher höchste Anteil.

London FOTO: Dylan Akalin

Auch hübsch die E-Mails von Freunden der Times-Autorin: „Was kostet ein Haus mit vier Schlafzimmern am Elgin Crescent in Notting Hill?“ fragt ein New Yorker und fügt hinzu: „Wo ist Euer nächster Strand?“ Der Freund sprach auch davon, in einer Stadt leben zu wollen, in der die Menschen frei reden können. „In New York diskutiert niemand mehr über Politik“, sagt er. „Es wird langsam seltsam.“

Wohin geht die Reise? Und vor allem: Wer bleibt noch, um Widerstand zu leisten?