Barbara Thompson: „Ich glaube an gute Prinzipien“

Barbara Thompson tourt wieder mit Colosseum. Foto: Presse/Harmonie Bonn

Mit Barbara Thompson sprach Cem Akalin.

J&R: Vor drei Jahren hat Colosseum auf der Zappanale in Bad Doberan das Ende der Band verkündet. Der Grund: Ihre Parkinson Erkrankung. Jetzt geht Colosseum mit neuer CD im Gepäck wieder auf Tour. Geht es Ihnen besser?

Barbara Thompson: Das wäre schön, wenn es so wäre.

J&R: Aber Sie können wieder Saxofon spielen?

Thompson: Ich bin auf neue Arzneimittel umgestellt worden, und das hilft mir sehr, meine Bewegungen besser zu kontrollieren. Wissen Sie, Parkinson ist ja eine Erkrankung des Nervensystems und Sie verlieren langsam die Kontrolle über Ihre Muskeln.

J&R: Eine neue Therapie?

Thompson: Ja, es nennt sich DuoDopa, und es ermöglicht mir, ein wenig mehr Normalität in meinem Alltag.

J&R: Wie funktioniert das?

Thompson: Eine Pumpe fördert das Medikament über einen winzigen Schlauch, eine dauerhafte Sonde, direkt in den Zwölffingerdarm. Dies umgeht die Aufnahme über den Magen und kann Schwankungen der Wirkstoffkonzentration ausgleichen. So bekomme ich sehr reibungslos meine Medikamente. Es ist eine Kombination von zwei Wirkstoffen, die dafür sorgen, dass Dopamin gebildet wird, eine Substanz, die im Gehirn und im Rückenmark vorhanden ist und den Impulsübergang zwischen den Nervenzellen unterstützt. Es ist wirklich ein großer Unterschied zu vorher. Für mich ist es wie ein Wunder. Wirklich.

J&R: Wie hat es angefangen? Wann haben Sie angefangen zu merken, dass etwas nicht stimmt?

Thompson: Das ist schon 18 Jahre her! Ich merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Es ist schwierig zu beschreiben. Eine Sache war zum Beispiel, dass ich die Finger meiner rechten Hand nicht gut bewegen konnte.

J&R: Als Saxofonisten brauchen Sie doch die Kontrolle über Ihre Finger! Was haben Sie denn da gedacht?

Thompson: Richtig! Ich war natürlich beunruhigt. Daher ging ich damals zu einem Facharzt im King’s College Hospital in London, der hier in England als Koryphäe gilt. Der hat mich medikamentös erst mal soweit eingestellt, dass ich weiter auf Tour gehen konnte.

J&R: Hatten Sie sowas wie eine Vorahnung, dass Ihre Beschwerden etwas mit Parkinson zu tun haben könnten?

Thompson: Nein, ich hatte keine Ahnung, was es sein könnte. Ich bin erst zu allen möglichen Ärzten gegangen. Man dachte zunächst, es könnte ein eingeklemmter Nerv am Halswirbel sein. Ich hatte Untersuchungen und Tests. Ein ganzes Jahr lang, bis die Diagnose fest stand: Parkinson. Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Mann Jon zu einem Treffen der Parkinson-Gesellschaft in London ging und all die anderen Leute sah. Es hat mich ziemlich entmutigt, die Menschen zu sehen, die schon im fortgeschrittenen Status waren und sich kaum bewegen konnten. Aber dank der Medikamente konnte ich doch relativ lange ein einigermaßen normales Leben führen.

J&R: So gesehen, verstehe ich einen Song ganz anders, den Ihr Mann Jon Hiseman für das Album „Bread & Circuses“ geschrieben hat: „Watching Your Every Move“. Da geht es um das Leben als Glücksspiel. Denken Sie auch manchmal, dass Sie vielleicht die falsche Karte gezogen haben?

Thompson: Nein, das denke ich nicht. Ich habe so schöne Dinge im Leben erlebt, dass die Bilanz doch recht ausgeglichen ausfällt. Wer auch immer entscheidet, was dir im Leben zustößt, ich denke immer daran, was mir sonst alles hätte widerfahren können.

J&R: Sie verspüren keinen Zorn über Ihr Schicksal?

Thompson: Nein, überhaupt nicht.

J&R: Sind Sie gläubig? Glauben Sie an Gott?

Thompson: Nein, ich glaube an gute Prinzipien. Ich glaube an das Gute im Menschen. Ich glaube daran, dass der Mensch etwas ganz Besonderes ist.

J&R: Sie haben 1991 ein Soloalbum mit einer Reihe von traditionellen Kompositionen herausgebracht, die Sie in einem Kloster in der Provence aufgenommen haben. Der Titel lautete „Songs From The Center Of The Earth“ und das Album hatte schon etwas Sakrales…

Thompson: Das war wirklich ein besonderes Album, schon weil es an diesem historischen Ort aufgenommen wurde, der Abbaye du Thoronet, einem ehemaligen Zisterzienserkloster. Und auch der Klang war historisch in diesen vielen hundert Jahre alten Gemäuern. Während ich mein Saxofon spielte, konnte ich das alles spüren, den Chor, die Messen…

J&R: Und jetzt haben Sie am neuen Colosseum-Album mitgewirkt. Sie haben zwar schon vor zehn Jahren den verstorbenen Dick Heckstall-Smith ersetzt. Es ist aber die erste Produktion, an der Sie aktiv beteiligt waren. Wie war das für Sie, in eine Band einzusteigen, die Sie schon wegen Ihres Mannes seit Jahrzehnten kannten?

Thompson: Es war jedenfalls eine gute Erfahrung. Es war eine logische Konsequenz. Jon brauchte einen Saxofonisten und wir kannten uns ja auch musikalisch, weil Jon in meiner Band Paraphernalia Schlagzeug spielte. Es fühlte sich richtig an, ein Teil von Colosseum zu werden.

J&R: Bislang waren Sie mit Ihrer eigenen Band immer der Boss, und nun mussten Sie sich unterordnen. Oder nicht?

Thompson: Jeder hat seinen Anteil in der Band, jeder hat seine Rolle. Und mein Part war eben nicht „Boss“.

J&R: Es gibt auch eine Komposition von Ihnen auf dem Album…

Thompson: Da kam man wohl nicht drum rum. (lacht)

J&R: War es nicht schwierig, in solch eine Band voller alter Haudegen einzusteigen, die über die Jahre schon so was wie eine verschworene Gemeinschaft waren?

Thompson: Eigentlich überhaupt nicht. Und wissen Sie was? Uns allen ist es irgendwie sehr leicht gefallen, dieses Album zu machen. Ich finde, es hat so eine aufmunternde Grundstimmung. Da sind uns ein paar sehr schöne Songs gelungen.

J&R: Der Titel „Time On Our Side“ ist ja sehr vieldeutig…

Thompson: Stimmt. Es spielt auch auf vieles an. Erstmal spielt Zeit für Jon als Schlagzeuger natürlich eine enorme Rolle. Zeit als Historie, als unsere Vergangenheit. Und es gibt gute Zeiten, schlechte Zeiten. (lacht)

J&R: Was hat sich geändert?

Thompson: Viele Leute sagen, dass sich der Sound seit meinem Einstieg in die Band geändert hat. Die Band ist sehr viel weniger machohaft! (lacht)

J&R: Kann es sein, dass Sie eher bereit sind, musikalische Risiken einzugehen?

Thompson: Normalerweise variiere ich sehr stark mein Spiel. Was ich am meisten befürchtet hatte, als ich in die Band einstieg, war in der Tat, dass ich viele Parts sehr genau einstudieren und spielen musste.

J&R: Was ist eigentlich mit Ihrer eigenen Band? Wenn eine Frau ihre Band Paraphernalia, also „Mitgift“ nennt, das ist schon tiefsinnig!

Thompson: Die gibt es immer noch, und wir haben ein neues Album aufgenommen. Der größte Teil ist jedenfalls schon fertig. Es wird im Laufe des nächsten Jahres auf den Markt kommen.

J&R: Mit der altbekannten Besetzung?

Thompson: Ja, mit Billy Thompson an der Geige, Peter Lemer an den Keyboards, Dave Ball am Bass und Jon am Schlagzeug.

J&R: Colosseum geht jetzt auf Tour. Werdet Ihr auch einiges von Eurem alten Repertoire spielen?

Thompson: Auf jeden Fall! Ich denke, viele werden vor allem wegen der alten Stücke kommen, oder? (lacht)

J&R: Haben Sie ein Lieblingsstück?

Thompson: Ich mag „Morning Story“ sehr. Die Aufnahme auf dem neuen Album stammt übrigens von einem Auftritt im Brückenforum in Bonn.

 

  1. November 2014