Live in der Bonner Harmonie: Mehr Kraan geht nicht

Kraan live in der Harmonie in Bonn am 25. April 2015. FOTO: Walter SCHNABEL

Bonn. Helmut Hattler konnte es offensichtlich immer noch nicht fassen, dass das Konzert am Samstag in der Bonner Harmonie schon seit einer Woche ausverkauft war. Er habe mit Clubchef Wolfgang „Kolli“ Koll gewettet, dass er nicht glaube, dass der Saal voll wird. Weit gefehlt. Etliche Fans mussten am Eingang wieder nach Hause geschickt werden. Und ihnen sei gesagt: Sie haben wirklich etwas verpasst.

Den drei Gründungsmitgliedern der Band Kraan, Peter Wolbrandt (Gitarre und Gesang), Hellmut Hattler (Bass) und Jan Fride Wolbrandt (Drums), gelang das kleine Meisterstück, nicht wie ihre eigene Tributeband zu klingen, sondern sie verpassten den zum Teil mehr als 40 Jahre alten Stücken ein solche Dynamik, zauberten Klangdialoge von zeitloser Frische aus ihrer „Wintrup Musik“, wie sie ihren Stil einmal nach ihrem Hauptquartier im Teutoburger Wald nannten. Für die einen ist es „Krautrock“, für die anderen ein von Blues und Funk durchsetzter Jazzrock, Musik mit viel Spaßfaktor und genügend Augenzwinkern.

Kraan live in der Harmonie in Bonn am 25. April 2015. FOTO: Walter SCHNABEL
Kraan live in der Harmonie in Bonn am 25. April 2015. FOTO: Walter SCHNABEL

Den Auftakt machte das Trio mit „Club 20“ von ihrem 2010 erschienenen Album Diamonds und ließ es damit eher relaxter angehen, ein Stück, das zunächst von eingehenden Akkorden, ruhigen Bassläufen und einem sehr straighten Schlagzeug getragen wird. Vielleicht funktionierten Stücke wie „Jerk of Life“ (1974) auch so gut, weil sie neu arrangiert werden mussten, die fundamentale Rolle der Keyboards aufgefangen werden musste durch ein intensiveres Zusammenspiel von Hattler und Peter Wolbrandt.

Dann kam endlich das Stück, auf das wohl viele gewartet haben. „Holiday am Marterhorn“ wurde seinerzeit sicherlich unter dem Eindruck von Pink Floyds „One of These Days“ geschrieben, hat einen ähnlich psychedelischen Start, wird aber dann von der gradlinigen melodischen Gitarre Wolbrandts aufgefangen. Überhaupt sind an diesem Abend viele der alten Kultnummern zu hören, die auf dem legendären Live-Album von 1975 sind und das zu den meist verkauften Live-Alben des deutschen Rock gehört.

Auch „Kraan Arabia“, das das Trio an diesem Abend etwas weniger orientalisch spielte, dafür umso mehr am „Matterhorn“ orientiert: Filigrane Gitarrenläufe, Peter Wolbrandt spielte seinen Arpeggio-Gitarrenstil voll aus. Überhaupt hat er einen sehr präsenten, sauberen Fendersound. Nach einem Kraan-typischen Break und einem trommelwirbelnden Übergang setzte Hattler zu einem fulminanten Basssolo an, begleitet von abstrakten Farbprojektionen im Hintergrund.

Überhaupt das Lichterspiel: Blumenornamente zu „Hallo Ja Ja“, weiße tanzende Figuren vor blauem Hintergrund, lustige Gesänge vor Farbfeldern, an denen sicherlich auch der Künstler Gerhard Richter seine Freude gehabt hätte.

Ein funkiges Vorspiel gab es zu „Dinner for Two“, ein virtuoses Zusammenspiel, bei dem sich Hellmut Hattler und Peter Wolbrandt gegenseitig immer weiter antreiben – sicherlich auch ein Resultat vertrauter Freundschaft, die immerhin seit ihrer Schulzeit währt.

Kraan live in der Harmonie in Bonn am 25. April 2015. FOTO: Walter SCHNABEL
Virtuoses Zusammenspiel: Helmut Hattler und Peter Wolbrandt. FOTO: Walter SCHNABEL

„Wintruper Echo“, das so Shuffle mäßig beginnt, ist so ein Beispiel zeitloser Kraan-Musik. Konzeptionell und strukturell könnte es auch ein Vorläufer der Elektromusik sein, die schnelle Basslinie, der durchgehende Beat, die blecherne Gitarre und alle drei in unterschiedlichen Tempi.

Natürlich darf auch mitgeklatscht werden, wie bei „Andy Nogger“, die musikalische Persiflage auf die Speiseeis-Werbung („Nogger Dir einen“), bei dem die Melodie ganz sachte durch die funky Rhythmen durchdringt.

Dass Hattler ein vielseitiger Bassist ist, ist bekannt. Ein Erlebnis ist es immer noch, wenn er kammermusikalische Motive in geslappte Funkläufe einstreut.

Kleine Hymnen vor roten Flammen und Bildern aus fernen Universen („Silky Way“), abgefahrene Gitarren, abstrakte Musikalität, Melodien mit einem gehörigen Schalk im Nacken, rasante Wechsel in Harmonie und Rhythmus, dazu rasende geometrische Figuren auf der Leinwand, und dann noch der hüpfende Hellmut Hattler mit einem glänzend aufgelegten Trio – mehr Kraan geht nicht.

(Cem Akalin)