The Tubes begeistern mit einem abwechslungsreichen und gewohnt theatralischen Auftritt in der Bonner Harmonie.
Von Cem Akalin
Upps, was ist das denn? Drummer Prairie Prince kommt im schicken Anzug, weißem Hemd, auf die Bühne, und selbst Fee Waybill hat sich in Schale geworfen: schwarzer Borsalino und überweiter Nadelstreifenanzug. Aber der Abend sollte noch zeigen, dass er nicht enttäuschen würde. Der Mann ist immer noch der „Mystery Man“, wie er sich auf der Pulp Tour präsentiert. Früher waren The Tubes schon arg rokoko, ihre Shows waren so überladen und aufwendig, dass sie kaum rentabel waren.
The Tubes sorgten am Dienstagabend in der Bonner Harmonie nicht nur für reichlich Unterhaltung, sondern auch für einen glänzenden Musikabend. Gewohnt instrumental ging es los, und Gitarrist Roger Steen, Prairie Prince, Bassist Rick Anderson sowie Keyboarder David Medd zeigten, dass die Truppe immer noch was zu melden hat. Mit einem Medley gaben sich sich mal melodiös, oft sehr progrockig und hatten an den häufigen Tempiwechsel offensichtlich viel Spaß. Dass sie schon vor dem Konzert fast eine ganze Flasche Johnny Walker reingekippt hatten, merkte man höchstens am nicht mehr ganz senkrechten Stand von Anderson, der sich immer wieder großzügig nachschenkte, und auch Fee ließ sich den Scotch aus der Teetasse schmecken. Rock’n’Roll halt!
The Tubes sind ja zu Unrecht als Punkband bekannt. Eigentlich vor allem wegen ihres größten Hits „White Punks on Dope“. Natürlich spielten sie den Song, bei dem Fee mit wilder Perücke, Brille und schwarzer Federboa auftrat.
Aber tatsächlich haben die West Coast Pomp-Rocker aus San Francisco sehr viel Funk im Spiel, ganz viel Progressive, der auch mal in jazzige Improvisationen kippen kann, und weil sie auch noch eine gehörige Humor in ihre Musik packen, gibt es das eine oder andere Mal einen kurzen Ausflug in den Swing. Nicht selten erinnert die Truppe auch ans Rocktheater a la Frank Zappa and The Mothers, vor allem, wenn es ins programmatische Chaos abglitt.
Auch wenn Fee Waybill mit seinen 66 Jahren längst nicht mehr über die Stimmbreite seiner Jugend verfügt, das Brüchige, Raue, Spröde seiner Stimme passt ganz hervorragend in die hin und wieder doch recht schräge Show. Fee ist dauernd damit beschäftigt hinter der Bühne in immer wieder neue Bühnenoutfits zu schlüpfen. Passend zu den Stücken. Zu „Mr. Hate“ stolpert er in Zwangsjacke und grotesker Vogelmaske auf die Bühne.
Und dann steht er da, breit grinsend und zeigt auf sein rotes T-Shirt. „Rorer 714“ steht da. „Wisst Ihr was das ist?“, fragt er und fasst es nicht, dass den Bonnern offenbar Quaaludes nicht bekannt ist. Zumindest outet sich keiner… Das Hypnotikum gefiel schon Jimmy Page. Es wurde mal relativ zufällig bei der Suche nach einem Malariamittel entdeckt und in den 1960er-Jahren als Schlafmittel eingesetzt. „There is a drug for every fucking thing“, sagt Fee, aber das Problem mit den meisten Medikamenten sei einfach, sie machten nicht high! Wunderbar: Mit einem Karton voller Pillen singt Fee ein leidenschaftliches „Turn Me On“.
Dass sie auch Balladen können, zeigen The Tubes mit einer mürben, schönen Version von „Amnesia“, „Golden Boy“ widmete er scherzhaft „dem besten Drummer, den wir je hatten“. Nur: Bob Mcintosh war Keyboarder.
Fee begibt sich in eine Lederjacke samt Käppi wie Marlon Brando einst im Film „The Wild One“, tritt im Western-Outfit auf oder trägt eine Fetisch-Maske aus Latex („Mondo Bondage“).
Die Fans sind jedenfalls begeistert. Und als Waybill endlich zu „White Punks On Dope“ wie eine Dragqueen aus den 80er Jahren auf Plateauschuhen auf die Bühne stelzt, ist es vorbei mit dem letzten Quäntchen Zurückhaltung. Der Song kommt in einer New York-Doll-Punk-Attitüde, also bizarr genug, auch wenn The Tubes mittlerweile stark abgespeckt auf der Bühne sind. Dennoch: Das Publikum brennt für mehr. Und die Band kommt für weitere vier Zugaben raus. Der Abend wurde übrigens aufgezeichnet und kommt eventuell als Live-CD „aus der Harmonie“ auf CD.