Ida Mae, das sind die Eheleute Chris Turpin und Stephanie Jean. Das britische Duo hat kürzlich ihr eklektisches zweites Album „Click Click Domino“ veröffentlicht. Nach ihrem Umzug nach Nashville vor drei Jahren und der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Chasing Lights“ 2019 folgte die EP „Raining for You“. Für ihr neues Album hat die Band ihren nostalgischen Mix aus Soul, Blues und Americana in spontanen ein oder zwei Takes aufgenommen. Chris und Steph waren zurück zuhause in England gewesen, doch da das Paar nun für ihren Auftritt beim prestigereichen Newport Folk Festival zurück in den Vereinigten Staaten ist, fand das Interview über Zoom zwischen London und Nashville statt. Phyllis Akalin hat mit ihnen über ihr neues Album, Songwriting als Ehepaar, die Unterschiede zwischen den Musikszenen in Nashville und London und den zwei Prozent Potential für Streit gesprochen.
Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! Vor nur drei Tagen wurde Click Click Domino veröffentlicht. Ich finde, es zeigt, dass ihr euch als Band nicht auf ein Genre beschränkt, sondern mehrere Genres zusammenmischt: Blues, Americana, Folk, Soul… Romantische Balladen wechseln sich mit schnellem, rauem Blues ab. Was war eure Inspiration für das Album?
Chris Turpin: Es war gigantisch. Eigentlich alles, was wir selbst an Musik hören. Viel von meinem Gitarrenspiel ist basiert auf frühem Country-Blues und Steph liebt frühe Jazz-Künstlerinnen der 50s.
Steph: Ja, ich habe viel Billie Holiday und Ella Fitzgerald gehört, als ich aufgewachsen bin.
Chris: Und dann waren wir unterwegs mit vielen Rock’n’Roll-Bands, wie Marcus King und Greta (Van Fleet). Und dann ist da natürlich das Leben in Nashville, wo es große Americana und Country Einflüsse gibt, im Radio und dadurch, dass wir uns mit diesen Musikern und Bands umgeben. Wir haben wirklich viel Musik gehört, zum Beispiel Gregory Alan Isakov von Hiss Golden Messenger, Dylan, Townes Van Zandt, John Martyn, J.J. Cale, Nick Drake… Also, wir haben sehr, sehr viele Einflüsse, die wir dann versuchen zusammenzubringen.
Kollaboration mit Markus King und Jake Kiszka
Du hast gerade schon Markus King und Jake Kiszka von Greta Van Fleet erwähnt, und sie beide haben Gastauftritte auf dem neuen Album. Marcus King spielt mit bei Click Click Domino und Deep River, Long Gone & Heartworn habt ihr zusammen mit Jake Kiszka aufgenommen. Wie war diese Kollaboration für euch?
Steph: Das war sehr natürlich, und es war toll für uns, weil wir sechs Wochen mit Marcus unterwegs waren und dann ein paar Monate mit Greta. Wir sind sehr enge Freunde geworden und haben uns weiter getroffen, wie man das unter Musikern eben so macht. Und dann, als die Pandemie anfing waren alle zuhause in Nashville, was sehr selten vorkommt. Man hat viele Musikerfreunde, aber man sieht sich so gut wie nie, vor allem nicht zuhause. Wir haben zuhause an dem Album gearbeitet und wir dachten, wie schön es wäre, ein paar von unseren engen Musikerfreunden einzuladen. Es war dann sehr organisch. Sie alle kamen einzeln zum Abendessen. Wir haben etwas getrunken, und haben dann gefragt, willst du bei diesem Song mitspielen? Sie sind beide so talentiert, dass es nicht kompliziert war.
Chris: Den Großteil haben wir in zwei, drei Versuchen aufgenommen. Was auf dem Album ist, ist was man hört; wir haben nicht zu lange über alles nachgegrübelt, sondern einfach improvisiert und es sehr natürlich belassen.
Ihr habt hauptsächlich während des Lockdowns aufgenommen. Wie hat das die Arbeit an dem Album beeinflusst?
Chris: Wir hatten Glück, weil wir den Großteil der Songs auf Tour geschrieben haben. Wir waren zweieinhalb Jahre auf Tour und waren ununterbrochen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten unterwegs. Ich habe die Songs geschrieben, als ich hinten im Auto saß, und einfach versucht so viel Material zusammenzubekommen wie möglich. Als die Pandemie alles lahmlegte und wir die Tour abbrachen, hatten wir schon 18 Songs. Es wäre ziemlich schwierig gewesen, alles von Grund auf zu schreiben. Ein paar Songs haben wir am Anfang der Pandemie geschrieben, die auf der EP sind: Stars & The Deep Blue Sea und Break The Shadows. Aber den Rest haben wir einfach fertig geschrieben, als wir anfingen am Album zu arbeiten. Wir hatten geplant, Musiker aus dem Vereinigten Königreich nach Nashville einfliegen zu lassen und in einem verlassenen Herrenhaus von Freunden von Freunden aufzunehmen. Natürlich hat das alles nicht geklappt, also haben wir stattdessen unser Taschengeld für Aufnahmezubehör ausgegeben und zuhause aufgenommen. Es war ein komplett anderer Prozess, nur ich und Steph. Wir haben das Album selbst produziert, aber trotzdem mit live Aufnahmen gearbeitet – allerdings in Isolation, was wir niemals vorher gemacht haben. Normalerweise sind wir in einem größeren Studio, Menschen kommen und gehen, Toningenieure, Produzenten…
Steph: Selbst wenn wir selbst produzieren würden, hätten wir normalerweise mindestens einen Toningenieur, und wir hätten nicht in der Küche aufgenommen. Wir hätten einen Platz gefunden. Es war irgendwie toll, weil wir unkonventionell denken mussten, andere Sachen ausprobieren mussten, die wir sonst nicht probiert hätten. Wir hatten außerdem mehr Zeit. Normalerweise hat man ein Fenster von einem Monat zum aufnehmen – wenn man Glück hat. Wir hätten normalerweise wahrscheinlich nur zwei Wochen gehabt, um dieses Album aufzunehmen. Wir hatten also mehr Zeit, um über die Stücke nachzudenken, was uns gutgetan hat.
Also denkt ihr dadurch, dass ihr das Album selbst produziert habt, wurde es intimer und ihr hattet mehr Freiheit?
Chris: Beides, es war definitiv intimer und hat uns mehr Freiheit gegeben, und Zeit zum Experimentieren. Ich denke, das Album ist viel interessanter und strukturierter, weil wir mit verschiedenen Tönen und Genres experimentieren konnten und uns Zeit nehmen konnten. Weißt du, ein Album zu machen ist ein bißchen, als sei man ein Kind im Sandkasten: Man spielt einfach, wirft Dinge zusammen und wir hatten die Möglichkeit genau das zu tun.
Verträumte Songs
Chris, du hast gesagt, dass du einige Songs auf Tour in einem Van geschrieben hast. Ich denke, dass man das im ersten Song des Albums gut hören kann, Road to Avalon. Der Song ist sehr verträumt und erinnerte mich fast an ein paar Sufjan Stevens Songs. Avalon ist eine legendäre, mystische Insel, aber was repräsentiert sie für euch?
Chris: Wir haben nach einem Namen für einen Ort gesucht. Wenn man immer unterwegs ist, auf der Straße, dann ist da auch immer ein Gedanke eines Ziels, eines Ankunftsorts. Aber vor allem in unserer Karriere, als Musiker, weiß man nie so richtig, was eigentlich das Ziel ist. Man macht Musik und man reist herum, und einige Dinge klappen, aber man ist immer in Bewegung, immer vorwärts und in Richtung von irgendetwas irgendwo.
Steph: Und dieses irgendwo bewegt sich auch stetig.
Chris: Genau, das ist ein Ziel, das sich bewegt. Als Steph und ich allein in unserem Auto unterwegs waren, fühlte es sich an, als wären es nur wir beide gegen den Rest der Welt, wie Bonnie und Clyde. Avalon haben wir ausgesucht, weil es mit britischer Folklore konnotiert wird und mit König Arthur. Aber hier, in Amerika, sieht man diesen Namen auch viel: es gibt ein Avalon, Mississippi, Avalon Autos und Marken… Es ist ein Wort, das übernommen und verändert wurde, vor allem in europäischer und westlicher Kultur, also fanden wir es einen angemessenen Namen, um dieses ganze transatlantische Ding zu umschreiben.
Der namensgebende Song Click Click Domino hat mich an eure alten Kill it Kid Songs erinnert. Hattet ihr eine bestimmte Inspiration für diesen Song?
Chris: Ja, ich wollte einen Peter Greens Fleetwood Mac-Britischen Song schreiben, aber es war Pops Staples von den Staples Singers, die wir sehr, sehr lange gehört haben. Pops ist einer meiner Lieblingsgitarristen. Er spielt eine Telecaster mit viel Tremolo, oder Jazzmaster Fender Gitarren. Er spielt sehr simple, langsame, groovy Riffs, mit viel Tremolo Sounds, und so wollte ich den Song am Anfang schreiben. Dann hat er sich langsam in diesen größeren, heavy Jam verwandelt, was eigentlich gar nicht die Idee war. Ich wollte einfach etwas schreiben, dass sich ein bißchen wie Social Media und Twitter Statements anfühlt, und diese Informationsflut, die man auf dem Handy hat. Ich wollte, dass die Lyrics genau so kollidieren. Und ich weiß nicht, woher Click Click Domino kam, aber es hörte sich gut an.
Ja, das tut es! Habt ihr selbst einen Lieblingssong auf dem Album?
Chris: Das ändert sich viel, wir sind sehr stolz auf alle Songs.
Steph: Der letzte Song, Has My Midnight Begun, ist ein bißchen anders für uns. Ich glaube, das ist etwas, in das wir hereinwachsen. Ich finde diesen Song ziemlich interessant, aber wir mögen sie alle aus verschiedenen Gründen.
Chris: Ja, ich mag den Song Calico Coming Down. Er ist eher unter British Folk zu verordnen, einige merkwürdige Gitarrentöne, aber es kommt alles zu etwas wirklich Schönem zusammen.
Steph: Aber wir haben keine Lieblinge, selbst als ich gerade gesagt habe, ich hätte einen Lieblingssong, habe ich mich schlecht gefühlt wegen all der anderen, als seien sie meine Kinder.
Leben in Nashville
Wie ihr eben erzählt habt, seid ihr nach Nashville gezogen. Wie kam es dazu, ist das eine langfristige Entwicklung?
Steph: Wir sind vor drei Jahren hergezogen. Dann sind wir für ein halbes Jahr nach Hause gezogen und jetzt sind wir gerade zurück nach Nashville gekommen. Ich denke, wir werden zwischen Nashville und dem Vereinigten Königreich hin-und-her reisen, also semi-langfristig.
Chris: Mit dem ersten Plattenvertrag, den wir unterschrieben haben, haben wir Visa bekommen, und wir haben Management in Nashville. Wir haben damals in London, in Holloway, gewohnt. Und wir haben viel über die Nashville Musikszene gehört, über all die Rock and Roll Bands dort, Dan Auerbach, Aaron Tasjan, Lilly Hiatt, und diese ganze aufstrebende Rock’n’Roll Szene. Also haben wir uns gedacht, lass uns einfach gehen und mitmachen!
Was ist der größte Unterschied zwischen der Nashville Musikszene und der UK Musikszene?
Chris: Es gibt einen riesigen Unterschied.
Steph: Wo sollen wir anfangen? In Nashville gibt es einen größeren Sinn für Gemeinschaft. Im Vereinigten Königreich ist es fast so, als sei jeder in einer Band und alle versuchen, die coolste Band zu sein. Wenn du in London sagst, ich bin in einer Band, sagen alle: Ach, naja, sind wir das nicht alle? Wohingegen man hier sagt, ich bin Musiker, und alle sagen: Oh, das ist ja toll, Glückwunsch, wir sollten zusammen etwas schreiben, ich kenne jemanden der Songwriter ist, du solltest dich mit ihm austauschen… Das Ganze wird auch viel mehr gefeiert.
Chris: Ja, hier gibt es eine Gemeinschaft. Nashville wurde als Angelpunkt für Musiker konzipiert. Es ist zwei Stunden von überall in Amerika entfernt. Bands konnten unter der Woche auf Tour gehen und dann fürs Wochenende zurück zu ihrer Familie kommen. Man konnte ein Familienleben haben, wenn man in Nashville gelebt und gearbeitet hat. Und alles ist für Musiker bereit: die Plattenfirmen, die Labels… Nashville ist eine arbeitende Stadt, so viel von seiner Industrie ist auf Musik begründet. Alle sind begeistert davon, Genres an ihre Grenzen zu pushen und neue Dinge zu sehen. Das war nicht immer so, aber im Moment fühlt es sich so an. Wir waren zuletzt unter Vertrag in Amerika und die Musikindustrie verändert sich so schnell, dass ich nicht viel über die Industrie in England sagen kann. Aber als wir dort unter Vertrag waren, war dort so viel Konkurrenz und wenig Kameradschaft. Ich meine, wie viele Bands spielen jeden Abend in London? Es ist schon hart.
Steph: Ja, und die Trends verändern sich unglaublich schnell. Hier in Nashville wollen immer noch alle ein Gitarrensolo in jedem Song.
Chris: Countrymusik ist riesig hier. Größer als Hip-Hop, Country ist das Hauptradio, sich das vorzustellen ist schwer. Das heißt Gitarrensolos, wie Steph sagt, und mehrstimmiges Singen. Ich spiele Gitarre und wir singen mehrstimmig, und das gehört zu dem Fingerabdruck von Americana Musik. Americana ist hier ziemlich hoch angesehen, im Gegensatz zu Großbritannien, dort geht es mehr um neue Töne, neue Formen, neue Produktion, neue Ideen, neue Szenen… Und das war dort immer so, seit den 60er Jahren. Aber hier ist alles anders.
Genau ihr singt mehrstimmig und was mich wirklich beeindruckt hat, als ich euch das erste Mal gehört habe – das war tatsächlich, als ihr noch Teil von Kill it Kid wart – war, dass eure Stimmen so perfekt miteinander harmonieren. Ihr beide habt tolle Stimmen, aber wenn sie zusammen kommen kreieren sie etwas sehr Besonderes. War das etwas, das ihr sofort realisiert habt, als ihr das erste Mal miteinander gesungen habt, oder musstet ihr diese Harmonie erst entwickeln?
Steph: Als wir an der Uni waren hatten wir eine Gesangsstunde zusammen. Wir haben mehrstimmig gesungen und unsere Lehrerin meinte nur, eure Stimmen passen wirklich gut zueinander. Und das war vor zehn Jahren. Es ist einfach so passiert und ich schätze, wir sind flexibler mit unseren Stimmen geworden, weil wir schon so lange zusammen singen. Aber wir hatten Glück, dass unser Stimmumfang und unsere Töne irgendwie sehr gut harmonieren.
Chris: Ja, da hatten wir Glück.
Über das Songwriting
Ich finde eure Musik und auch die Texte oft sehr persönlich, sie fühlen sich sehr intim an. Wie sieht euer Songwriting Prozess aus, schreibt ihr gemeinsam oder getrennt?
Steph: Vor allem Chris schreibt die Songs, ich komme eher später dazu. Bei diesem Album habe ich mehr mit den Klaviertönen geholfen, aber Chris schreibt alle Texte.
Chris: Ja, viele der Songs sind basiert auf einer Art Realität von uns beiden unterwegs, aber wir haben auch andere „Rollen“ angenommen, also sind die Texte dramatisiert. Ja, das ist eine gute Art, es zu beschreiben. Wir haben die Stimmen absichtlich sehr roh und live gelassen, denn ich finde, wenn man sie zu oft aufnimmt und Dinge glättet, dann verliert man viel von dieser persönlichen Kommunikation, der natürlichen Intensität, also haben wir sie unbehandelt gelassen.
Ja, ich finde, das hört man. Ihr beiden seid verheiratet – wie ist das, jeden Tag mit dem Partner zu arbeiten, vor allem in der Musikbranche, wo die Musik ununterbrochen Teil des Lebens und der Gedanken ist?
Steph: Das werden wir oft gefragt. Es funktioniert gut, wir tendieren dazu, bei sehr Vielem einer Meinung zu sein.
Chris: Bei 98%.
Steph: Naja, manchmal müssen wir sagen, lass uns einen Tag haben, an dem wir nicht über Musik reden. Vor allem heutzutage kann man in der Musikindustrie nie zur Ruhe kommen, es gibt immer etwas zu tun. Man kommt nicht von der Tour nach Hause und entspannt sich, sondern muss sich zum Beispiel um Social Media kümmern. Ich denke, das ist das einzige kleine Ding, zu versuche nicht ununterbrochen miteinander zu arbeiten. Aber wir waren immer unterwegs, also ist das alles, was wir kennen. Frag uns das vielleicht, falls wir irgendwann aufhören unterwegs zu sein.
Du sagst also ihr seid bei 98% der Dinge einer Meinung, was sind denn die 2%, bei denen ihr nicht einer Meinung seid? Hat das etwas mit Musik zu tun?
Chris: Normalerweise bei Proben. Wir zanken uns wie Teenager.
Steph: Wahrscheinlich nur, weil ich abgelenkt bin. (lacht)
Chris: Weil wir vorher in einer Band waren, also wechseln wir zwischen Arbeit und Beziehung…
Steph: Und kleiner Zankereien. Aber nie irgendwas Dramatisches.
Ich habe euch ein paar Mal live gesehen und ich finde, dass eure Shows immer eine sehr intime Atmosphäre haben. Was gefällt euch persönlich besser: sehr intime Liebeslieder live zu spielen oder eher laute Blues Tracks?
Steph: Das kommt aufs Publikum an. Ich liebe diese Theater-Gigs, wo man eine Stecknadel fallen hören könnte und alle zuhören, und man die leiseren, intimeren Songs spielen kann. Aber als wir zum Beispiel die Vorband für Greta Van Fleet waren, haben wir die sehr heavy, bluesgeladenen Stücke gespielt und die Energie, die das kreiert hat, war fantastisch.
Chris: Vor allem hier, in Amerika, wenn den Leuten die Musik gefällt, dann rufen sie ‚Wooh!‘. Sie rufen und schreien, und diese Energie ist total ansteckend, vor allem wenn man anfängt mit den harten Bluesgitarrenklängen und den Harmonien… Es ist als seien alle auf deiner Seite, was wirklich aufregend ist. Also, es kommt wirklich auf den Ort an.
Und diese Stimmung unterscheidet sich von Publikum zu Publikum, zwischen Amerika, Großbritannien und zum Beispiel Deutschland?
Wilde Shows in Deutschland
Steph: Definitiv. Wir sind damit aufgewachsen, in Europa zu spielen und dann nach Amerika gekommen. Ich glaube, wenn man das anders herum machen würde, würde man denken, alle hassen einen! Ich meine, bei einem Gig in Holloway würde ich nicht ‚whoo‘ rufen, selbst wenn es mir total gefällt, würde ich nur höflich klatschen.
Chris: Also ich bin ein Whoo-Rufer. Vor allem bei Americana Folk Musik will das britische Publikum die Musik genau studieren, sie versuchen einen zu durchschauen. Richard Thompson hat mal gesagt, dass sie während der ersten drei Songs versuchen, einen zu beurteilen: Hast du Talent? Werden sie klatschen? Wohingegen die Amerikaner, vor allem hier in Nashville, Tickets zu einer Show kaufen, einfach um auszugehen und ihre Freunde zu sehen. Also kann man vielleicht nicht die ganze Nacht eine Stecknadel fallen hören, aber sie sind da um Spaß zu haben und um einen zu unterstützen. Es ist eine komplett andere Kultur. Aber in Deutschland sind sie auch ziemlich wild.
Steph: Einige unserer wildesten Shows waren in Deutschland.
Das heißt ihr würdet trotzdem nach Europa zurückkommen, obwohl ihr das amerikanische Publikum liebt?
Chris: Auf jeden Fall, wir vermissen Europa sehr. Und das Reisen durch Europa auch.
Vor dem Lockdown wart ihr ununterbrochen auf Tour. Freut ihr euch darauf, bald wieder unterwegs zu sein oder seid ihr froh, dass ihr diese Pause habt?
Steph: Wir sind schon wieder unterwegs, in Amerika. Wir hatten zwei Shows letzte Woche und dann sind wir beim Newport Folk Festival Ende dieser Woche. Und wir haben eine Show in London und ein paar vorsichtig geplante in Großbritannien, also fängt jetzt wieder alles an, was sehr schön ist.
Chris: Die Pause war aber tatsächlich sehr, sehr wichtig. Wir haben nicht nur dieses Album aufgenommen, sondern hatten auch Zeit, ein bißchen tiefer in andere Genres einzutauchen, wieder mehr zu lernen, wofür man unterwegs auf Tour sonst keine Zeit hat. Also denke ich, das nächste Album wird davon sehr profitieren.
Auftritt in Newport
Das nächste Album ist also schon in der Mache?
Steph: Ja, und die Leute schimpfen uns deshalb aus, weil Click Click Domino erst vor zwei Tagen herausgekommen ist.
Waren die Shows, die ihr diese Woche gespielt habt, normal oder distanziert im Rahmen von Corona-Regeln?
Chris: Die ersten zwei waren normal. Newport wird distanziert stattfinden, aber die ersten zwei… Man hat uns gesagt, sie wären distanziert, aber das waren sie nicht. Im Großteil von Amerika ist jetzt wieder alles offen.
Steph: Es war ziemlich merkwürdig, weil wir aus London kamen, mit unseren Masken und allem. Wir sind geimpft, aber hier ist alles normal. Ich weiß, dass die Dinge zuhause noch nicht offen sind, Restaurants sind geschlossen, aber hier ist es normal.
Heute ist hier in Großbritannien der sogenannte Tag der Freiheit, an dem alles öffnet.
Steph: Das passiert wirklich? Obwohl alle Freunde von Boris Corona haben?
Ja, er muss in Quarantäne. Im Moment sind sehr viele Leute hier in Großbritannen in Quarantäne, weil es so viele neue Fälle gibt, aber alles aufhat. Wenn die Pandemie für eine Tag vorbei wäre, und ihr eine Show in nur einer Stadt spielen könntet, wo wäre das?
Chris: Gute Frage. Ehrlich gesagt war Newport Folk der Grund, warum wir zurück nach Amerika gekommen sind, weil wir einen Slot bekommen haben. Das ist unglaublich schwer zu tun, weil es so ein Teil von amerikanischer Kultur ist, von Bob Dylan bis zur Coffeehouse Szene, Reverend Gary David und Skip James… Einige der am höchsten angesehenen Folk Künstler aus Amerika haben dort gespielt. Für uns ist es einfach riesig, ein kleiner Teil von diesem Flickwerk an Newport Künstlern zu sein. Das Festival ist auf Rhode Island in New York, es ist wunderschön. Es ist ein sehr kleines Festival, gemeinnützig und sehr hoch angesehen. Wir haben jahrelang hart gearbeitet, um bei diesem Festival zu spielen. Also im Moment wäre es wahrscheinlich Newport, weil wir so fokussiert darauf waren zurückzukommen und dort zu spielen.
Steph: Ich würde gerne nach Berlin gehen.
Chris: Stimmt, in einem Keller in Berlin zu spielen wäre ziemlich cool.
Steph: Und dann durch Berlin zu schlendern.
Das ist doch toll, dass das wirklich passiert und kein Traum bleiben muss.
Chris: Oder Montreux Jazz, das fände ich toll.
Das ist also das nächste auf der Liste. Danke euch beiden für eure Zeit. Viel Glück mit dem Album und der Tour.
Danke dir. Und genieß deine neuen Freiheiten in Holloway.