Das war’s. Noch acht Auftritte, dann ist Black Sabbath endgültig Geschichte. Wie ein Lebewohl fühlte sich ihr letztes Konzert in Deutschland allerdings nicht an. 13.000 Fans erlebten am Dienstagabend in der Lanxess-Arena Köln ein wunderbares Konzert der Metalband mit den Urmitgliedern Ozzy Osbourne, Tony Iommi und Geezer Butler.
Von Dylan Cem Akalin
Von Frank Zappa weiß man ja, dass er an seinen Musikerkollegen häufig kein gutes Haar ließ. Die Ausnahme bildete Black Sabbath: In einem Interview mit dem englischen Musikmagazin Sounds im Jahr 1978 sagte er: „Iron Man. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Iron Man ist ein Kunstwerk. Mir hat mal Supernaut gefallen, aber jetzt denke ich, dass Iron Man das Nonplusultra ist.“ Das Kölner Konzert hätte Frank Zappa bestimmt gefallen. Es hatte eigentlich alles, was solch ein Metallkonzert braucht: dichte Gitarrenriffs, donnernde Drums, virtuose Soli, bunte Bilder auf der Großleinwand, eine nicht allzu überladene Lightshow, ein guter Gesang mit einer nötigen Portion Selbstironie. Nur der Sound…
Zu einem Zusammenspiel von Zappa und Black Sabbath wäre es ja fast einmal im New Yorker Madison Square Garden gekommen. Es scheiterte damals lediglich daran, dass es keinen Soundcheck gegeben hatte und das konnte ein Perfektionist, wie es Zappa nun mal war, nicht akzeptieren. Und so blieb es dabei, dass Frank damals nur den Moderator spielte. Fast hat man das Gefühl, dass es auch in Köln keinen Soundcheck gab. Der Klang war teilweise tatsächlich unterirdisch. Die Trommeln krachten nicht, die ploppten, was besonders beim fulminanten Solo von Tommy Clufetos arg zu hören war. Sie klangen, als würde er auf kleinen Plastikbechern spielen. Auch Tony Iommis Gitarre, sein sensationelles Spiel auf der SG, hatte manchmal einfach zu viele Höhen und tat regelrecht in den Ohren weh. Dabei sollte es aber jetzt auch mit der Negativkritik bleiben.
Ansonsten: Black Sabbath waren auf ihrem angekündigten letzten Live-Auftritt in Deutschland überhaupt sensationell – auch wenn Ozzy Osbourne am Ende doch ein wenig schwächelte. Ausgerechnet auf dem bekanntesten Stück „Paranoid“ verlor er den Faden, konnte es aber geschickt überspielen.
Nein, zum Abschied wird keiner Fledermaus der Kopf abgebissen, keine Taube live auf der Bühne geschlachtet. Die Zeiten sind für die Senioren des Heavy Metal längst vorbei. Ozzy bleibt meistens merkwürdig starr an seinem Mikro in der Bühnenmitte stehen, nur hin und wieder bewegt er sich mal links und rechts zur Bühne, feuert das Publikum an, kehrt dann aber zu seinen Gesangsparts immer wieder zu seinem Mikrofonständer zurück. Keine Ahnung, ob er seine Texte von Teleprompter abliest – das konnte ich von meinem Platz aus nicht sehen. Eigenartig ist aber schon, dass er die Augen merkwürdig starr auf einen Punkt gerichtet zu haben scheint, wie man bei den Nahaufnahmen auf der Leinwand sieht. Ob Ozzy, der an Dyslexie, also an Leseschwäche, und ADS leiden soll, tatsächlich abgelesen hat? Fakt ist, dass er schon mal erzählte, dass er sich immer nur wenige Minuten aufs Lesen konzentrieren könne. Wie auch immer, Ozzy scheint jedenfalls gehörig Spaß zu haben an den alten Sabbath-Songs.
Und die Auswahl der Stücke dürfte eingeschworene Black Sabbath-Fans begeistert haben. Ausnahmslos alte Stücke von den ersten LPs gab es zu hören. Die Eröffnung des Konzertabends hätte dramatischer nicht sein können. Auf der riesigen Leinwand erscheint der Satan selbst, geboren aus einem pulsierenden Alien-Ei, und beginnt die Krallen auszustrecken nach seinen Jüngern und sofort Feuer zu spucken. Die gut 13.000 Fans in der Lanxess Arena sind begeistert. Der Opener ist „Black Sabbath“, sozusagen die Ursuppe des Heavy Metal. Den Namen soll sich übrigens damals Butler ausgedacht haben. Der B-Movie-Fan hatte sich einen alten italienischen Horrorfilm mit Boris Karloff angeschaut, der in England unter dem Titel „Black Sabbath“ gezeigt wurde…
Gewaltige Bilder auf der Leinwand, oft psychedelisch verzerrt wie es in den guten alten Beat-Club-Zeiten im Fernsehen auch üblich war, begleiten das Programm der prächtig aufgelegten Band, die dann bei „Iron Man“ geradezu in Flammen stehen – jedenfalls auf der Leinwand. Iommi, der vor wenigen Jahren ja dem Tod noch von der Schippe gesprungen ist, zeigt wieder einmal, was für ein großartiger Gitarrist er ist. Auf den Nahaufnahmen konnte man sehr deutlich die Fingerprothesen auf dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand sehen, die der 68-jährige ja seit seinen jungen Jahren tragen muss.
Der Linkshänder sägte sich als junger Mann bei der Arbeit in einer Stahl- und Walzblechfabrik in Birmingham zwei Fingerkuppen ab. Eigentlich hätte das sein Ende als Gitarrist bedeuten müssen. Iommi fertigt sich zwei künstliche Fingerkuppen an und lernte mit ihnen zugreifen. Um sich das Gitarrespielen aber noch weiter zu erleichtern, stimmte er seine Gitarre um drei Halbtöne runter, damit die Saiten nicht so stramm sitzen: Es war die unfreiwillige Geburtsstunde dieses fetten Gitarrensounds, der nicht nur von vielen Heavy Metal Bands kopiert wurde, sondern zu sowas wie einem Markenzeichen auch der Grunge-Bewegung wurde. Die tiefer gestimmten Gitarren klingen wesentlich massiger, vor allem, wenn sie von kraftvollem Schlagzeug begleitet werden, wie es Clufetos, der mit langen Haaren und dem Schnäuzer dem jungen Bill Ward erstaunlich ähnlich sah, mühelos tat.
Das Programm bildet einen Kreis – so wie das letzte Album „13“: Ihre erste Platte erschien 1970 an einem Freitag den 13. Auch wenn es als Zugabe „Paranoid“ gibt, das eigentlich letzte Stück kommt vom Band: „Zeitgeist“ vom eben diesem letzten gemeinsamen Studioalbum von 2012.
Wie ein Abschied fühlt sich der Abend wirklich ganz und gar nicht an. Bei Ozzy, selbst ernannter „Prince of Darkness“, ist jedenfalls von Trauer oder Wehmut keine Spur. Bei Iommi und Butler weiß man’s nicht so recht. Sie bleiben in ihren Ecken und machen ihren Job.
Da stehen die Drei. Links Bassist Terence Michael Joseph genannt Geezer Butler, überzeugter Veganer, und sowas wie die graue Eminenz der Band. Die Texte stammen fast alle von ihm. Rechts Tony Iommi, eine Legende unter Rockgitarristen und einziges Dauermitglied der Band, wie üblich ganz in Schwarz gekleidet. Mit meist ernster Miene spielt Iommi, ein wichtiger Wegbereiter des Heavy Metal, mit stoischer Gelassenheit seine SG. Dieser Wechsel von schweren Riffs und abgefahrenen Gitarrensoli ist ebenso stilbildend wie die plötzlichen Tempowechsel. Sensationell, wie zeitlos sich Stücke wie „Rat Salad“ oder „Fairies Wear Boots“ anhören. Klar, der Sound ist an Heute angeglichen, und hinter der Bühne steht noch ein Keyboarder, der seinen Teil liefert. Und doch: An einem Abend wie heute wird nochmal klar, wie wichtig die Band für Leute wie Metallica waren. Ohne Black Sabbath hätte es die wohl nicht gegeben, jedenfalls nicht so.
Als die Band nach gut eindreiviertel Stunden abtritt und auf der Leinwand das große „The End“ erscheint, will man’s immer noch nicht glauben: Noch acht Auftritte stehen in Großbritannien an, die letzten beiden, wie sollte es auch anders sein, in ihrer Heimatstadt Birmingham, und dann gibt es Black Sabbath nicht mehr. Aber ihre Musik wird ewig bleiben.