Stacey Kent und Hubert Nuss lieben die emotionalen Zwischenräume

Stacey Kent in der Bundeskunsthalle. FOTO: Jazzfest Bonn

War es ein Abend der Gegensätze? Zunächst der Pianist Hubert Nuss mit seinem abstrakten Impressionismus, dann Stacey Kent, die Meisterin der zarten musikalischen Pinselstriche. Peter Materna, der künstlerische Leiter des Jazzfests Bonn, bewies mal wieder ein feines Händchen, zwei Jazz-Künstler für ein Abendprogramm in der Bundeskunsthalle zusammenzubringen, die auf den ersten Blick nicht so recht zusammenzupassen scheinen.

Doch was Nuss und Kent verbindet, ist ihre Liebe für die emotionalen Zwischenräume. Die große Geste ist ihre Sache nicht. Sie gehören zu den Musikern, die einen Schritt zurücktreten, um das große Ganze im Blick zu behalten, die jedemTon die ihm gebührende Bedeutung geben, die jede einzelne Note auskosten, ausschwingen lassen.

Das Zusammenspiel von Farben, die Bewegung in der Malerei, hat den französischen Komponisten und Organisten Olivier Messiaen (1908-1992) fasziniert, für ihn war Musik nichts anderes als Malerei mit Klängen. Dass Hubert Nuss sich von Messiaen inspirieren lässt, ist unüberhörbar. Seine jüngste CD „The Book of Colours“ ziert ein Bild des schweizerischen Malers Charles Blanc-Gatti, der ein guter Freund Messiaens war. Beiden widmet Nuss mehrere Kompositionen („Ollysses And The Unexpected Dream“, „Coloured Autumn“). Dass Nuss auch eine andere Seite hat, zeigt er gleichmit seinem Eröffnungsstück „A Virtual Dream Of The Nearest Thing To Heaven“, eine an Eric Satie anklingende sinnliche Komposition, mit der das Trio gleich ihr akkurates und intimes Zusammenspiel unter Beweis stellen konnte.

Stacey Kent ist ein Superstar unter den Jazzsängerinnen. Warum das so ist, wird schon bei den ersten Takten ihres 80-minütigen Auftritts klar. Zurückhaltend ist sie, aber nicht unnahbar. Ausdrucksstark, dabei nicht ausschweifend. Wenn sie „They Can’t Take That Away from Me“ singt, dann nimmt sie das Tempo heraus und verleiht dem Gershwin-Klassiker eine ganz eigene Melancholie. Wenn sie einen Bossa Nova singt, dann nimmt sie ihm die entrückte Coolness. Ihre klare Stimme, die perfekte Intonation hat einen Hauch von Brüchigkeit. „Corcovado“, „O Comboio“ oder „So Nice“ bekommen von Stacey Kent, unter anderem begleitet von ihrem Mann und Saxofonisten Jim Tomlinson, eine Beschwingtheit und Schwerelosigkeit, die sich ganz unaufdringlich im Ohr festsetzt.

(12. Mai. 2012, Bundeskunsthalle Bonn)

 

Cem Akalin