Thelonious Monk war ja schon kein Pianist von der Stange. Und auf „Work“ gab Monk dem Klavier eine weitere polyrhythmische, perkussive Stimme. Was macht ein Trio, wie das von Vijay Iyer daraus? Es arbeitet die ziselierten Strukturen wie mit einem feinen Spitzmeißel heraus, streckt die Formen zwischen den Sektionen, so dass der Song wie ein Pendel immer stärker ausschlägt. Das Besondere an diesem Trio ist aber sein zusammenwirkendes Gefüge. Das Jazzfest Bonn schließt am Samstag in der Bundeskunsthalle mit einem ganz vorzüglichen Konzert des New Yorker Trios, das sich gut anderthalb Stunden lang treiben lässt durch seine neu geschaffenen Jazzwelten.
Denn der Pianist Vijay Iyer, unter anderem Professor für Critical Improvisation Studies an der Harvard University, ist weit davon entfernt, Hörgewohnheiten zu bedienen. Nein, es ist kein Free-Jazz und dennoch ein Bruch mit den bekannten Mustern. Sie ist völlig frei von Klischees. Seine Kompositionen folgen nicht dem Thema-Solo-Solo-Thema-Schema, sondern sind eher sowas wie rastlose Territorien, in denen alles geschehen, in denen eine Idee prächtig gedeihen kann. Iyers Jazz folgt dem Schwarmverhalten der Vögel, untermauert durch mathematische Grundlagen, die dem Wissenschaftler ebenso nahe stehen, wie die ganze Bandbreite menschlicher Ausdrucksfähigkeit. Es ist keine Musik, in die sich der Zuhörer sogleich fallen lassen kann, sie verlangt Aufmerksamkeit ab, und zugegebenermaßen entwickelt sich „Geese“ als Startpunkt nicht sogleich zu einer Liebe auf den ersten Blick. Das Klavier hastet zu gleichförmig durch die Komposition, der Bass von Stephan Crump bleibt eigenartig statisch, einzig Marcus Gilmore legt mit Eleganz seine polyrhythmischen Feuer unter das Spiel.
Er ist es wohl auch, der seine beiden Mitspieler dann schon bei „Libra“ und dem ineinander gehende „Emergence“ rausholt, ihnen die Ruhe gibt, um ihre malerische Vielfalt, die gestischen Nuancen voll auszuspielen. Und plötzlich scheint der Bann gebrochen. Alles fließt. Und auch das Publikum merkt es und hält den Atem an, wie die Stücke eins ins nächste übergehen. Bei Michael Jacksons „Human Nature“ kommt fast so was wie ein Oscar Peterson‘scher Swing auf, bei „Starlings“ leuchten helle Akkorde wie bei Lyle Mays Besonders berührend wird es beim letzten Stück vor den zwei Zugaben: Eine Hommage an den im vergangenen Jahr verstorbenen afroamerikanischen Autor und Poeten Amiri Baraka, der dem jungen Iyer wohl mal erklärt hat, wie persönlich und intim seine Musik ist. Ein schöneres Geschenk für das Bonner Publikum kann es nicht geben.
Davor entführte Nils Petter Molvær (siehe auch 2014) alleine mit sich, seiner Trompete und allerlei elektronischem Zubehör die Zuschauer auf eine recht esoterische Reise durch seine Klang und Bilderwelt. Entfremdete Bilderreisen auf der Leinwand zu Rave-Beats, verfremdete Sounds wie aus industrieller Gießerei geschaffen, fließende, berauschende Musikinstallationen in einem verdunkelten Saal, auf deren Bühne man den Künstler nur noch erahnen konnte, hätten eine Gruppenmedidation sicherlich zugelassen. „Triaxial“ nannte der Meister seine einstündige Performance ohne große Höhepunkte. Insgesamt: Schade.