CBP’s Justin Greaves: „Ich kann mich über die Musik besser ausdrücken“

Mit Justin Greaves (rechts) von Crippled Black Phoenix sprach Cem Akalin. Foto: Will Ireland

Viele sehen in der englischen Alternative Progressive Rockband Crippled Black Phoenix die eigentlichen Bewahrer des musikalischen Vermächtnisses von Pink Floyd. Die vielschichtige Musik der Band erinnert mit ihrem Pathos bisweilen tatsächlich an das große Vorbild. Dennoch zeichnet CBP mit dem düsteren Sound, den hymnischen Melodien und ausgeprägten Klangbildern ein eigener Stil aus. Gerade ist mit „White Light Generator“ ein neues Album erschienen. Zweimal war die Band bereits live in Bonn zu hören, am 16. Mai spielen sie in Köln. Mit dem Mastermind der Band, Justin Greaves, sprach Cem Akalin.

 

Mein lieber Mann, Justin, du gibst dem Publikum wirklich den Rest!

Justin Greaves: Oh, wirklich?

Diese musikalischen Gefühlskurven bekommt derzeit kaum eine andere Rockband bei ihren Liveauftritten hin: diese leidenschaftliche Gestik, diese tiefen, emotionalen Atmosphären … Wahnsinn! Wie kriegst du das hin?

Greaves: Ich habe wirklich absolut keine Ahnung. (lacht)

Jetzt komm aber! Als sei das nicht dein Kalkül!

Greaves: Ich glaube, das kommt einfach, wenn du das spielst, was du spielen willst, wenn dir nicht egal ist, was du tust und wenn du einfach darüber nachdenkst, was du tun willst. Dann kannst du ein Gefühl vermitteln, mit dem die Leute etwas anfangen können.

Bis du jemand, der auch sonst seinen Gefühlen freien Lauf lässt? 

Greaves: Nicht wirklich. Nur bei meiner Freundin! (lacht) Sie ist wirklich jemand, der alle meine Stimmungen kennt. Aber im Grunde bin ich eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ.

Inwiefern hat die Musik mit dem zu tun, was du selbst durchlebt hast?

Greaves: Weiß du, ich bin nicht so ein guter Kommunikator. Ich kann mich über die Musik sehr viel besser ausdrücken, als mit Worten. Darum beschäftige ich mich wohl auch sehr intensiv mit der Musik. Da stecken meine Botschaften drin. Das ist meine Art, sich zu allem Möglichen zu äußern.

Wie ist deine derzeitige Stimmungslage? Wenn ich dein neues Album als Grundlage nehme, dann gibt es viel Sonne, Liebe, Glücksgefühle, aber auch Schatten, Drama und ein offensichtlicher Drang, die Welt hinter sich zu lassen – aber du siehst einem „helleren Morgen“ („A Brighter Tomorrow“) entgegen – wie eines der Stücke heißt.

Greaves: Oh, ja, das trifft es tatsächlich. Ich bin in der Tat nicht der Typ, der jedem Tag optimistisch entgegensieht. Dennoch: Man sollte schon positiv bleiben. Ich bin kein religiöser Typ, aber ich glaube an das, was ich tue, und vor allem an die Menschen, mit denen ich zu tun habe. Sie geben mir ein gutes Gefühl, weil ich die weiße Linie in ihren Horizonten sehe. Das entspricht meinem Menschenbild: Ich denke, dass in jedem etwas Gutes steckt, und das gibt einem Hoffnung.

Bist du auch ein politisch denkender Mensch? So mancher deiner Texte hat ja durchaus politische Aussagen.

Greaves: Es macht eigentlich keinen Spaß, sich in diesem Land mit Politik zu beschäftigen. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob Musik wirklich etwas ändern kann, ich meine so, wie es mal in den 1960er Jahren gewesen ist. Aber Musik ist ein gutes Mittel, um Menschen wenigstens zum Nachdenken zu bringen. Wenn man nur fünf Leute mit einem Album dazu bringt, einmal nachzudenken, dann ist das schon wie ein Sieg.

Das Thema Krieg spielt, wie etwa auf dem Album „I, Vigilante“, immer wieder eine Rolle.

Greaves: Ja, aber dabei geht es darum, aufzustehen, um etwas zu verändern, aus eigenen Fehlern zu lernen, oder aus dem zu lernen, was andere einem angetan haben – aus Ungerechtigkeiten, und Lehren aus unserer Geschichte zu ziehen.

Kannst du mir sagen, ob es ein Konzert gibt, das dich nachhaltig beeindruckt hat?

Greaves: Oh, Mann, was für eine Frage! (lacht) Auf jeden Fall Pink Floyd, die ich vor ziemlich langer Zeit mal erlebt habe.

Ich hatte gehofft, dass du das sagst! Weil Ihr schon an Pink Floyd erinnert. Was geschah da?

Greaves: Das war einfach emotional aufwühlend! Diese Leidenschaft, die Sounds, der Umgang mit der Technik, das alles sorgte für ein perfektes Erlebnis!

„No Sadness Or Farewell“ beginnt mit einer tiefen Verbeugung vor Pink Floyd, dann geht’s aber gleich in Euren ganz eigenen dunklen Kosmos mit düsteren Bildern…

Greaves: Genau! (lacht)

Das neue Album startet mit einem Liebessong in Robert Plant Manier, es erinnert auch an Lou Reed. Du hast sicherlich sehr genaue Konzepte für die Alben?

Greaves: Eigentlich habe ich nie ein Konzept im Kopf, wenn ich ein Album konzipiere.

Das kann ich nicht glauben!

Greaves: Doch, es hängt sehr stark davon ab, womit ich mich gerade beschäftige, wie meine Stimmung gerade ist, was in der Politik grad los ist.

Das klingt nach einer sehr spontanen Schaffensweise.

Greaves: Auf jeden Fall!

Was gibt es eigentlich für ein Problem mit den Sängern der Band: Mir gefiel Joe Volk schon auf dem Album „(Mankind) The Crafty Ape“, dann tratet Ihr 2012 beim Crossroads Festival in Bonn mit John E. Vistic auf, und ich dachte: Wow, ja, auch sehr gut. Und wieder ein halbes Jahr später erlebte ich Euch auf dem Kunst!Rasen mit dem jetzt aktuellen Sänger Daniel Änghede. Was suchst du?

Greaves: (lacht) Ja, da kann man wirklich denken, dass wir ein Problem mit Sängern haben. Aber Daniel ist großartig, wirklich. Und Daniel hätte von Anfang an bei Crippled Black Phoenix singen sollen. Ich kenne ihn schon lange bevor ich überhaupt das erste Album geplant hatte. Aber er war in Schweden und irgendwie hat es nie geklappt. Beim ersten Album war CBP eigentlich keine richtige Band, und Joe hat nur auf etwa der Hälfte der Songs gesungen.

Joe Volk kam dem Pink Floyd-Sound ziemlich nah, und John Vistic war beim Crossroads Festival…

Greaves: … schrecklich, einfach nur schrecklich!

Warum das?

Greaves: Also, John Vistic ist wirklich ein großartiger Typ, aber er war nicht der Richtige. Es war ein Versuch. Er ist…

… ziemlich verrückt.

Greaves: Er ist ein Rock ‚n‘ Roll-Typ, die Klamotten, die Gestik… Ich meine das jetzt nicht despektierlich. Ich mag ihn, aber es hat einfach nicht funktioniert.

Es gibt also Hoffnung, dass Daniel länger bleibt? Er hat so einen speziellen Sound, er verbindet einen etwas altmodischen Gesangsstil mit neuem frischen Rockspirit!

Greaves: Das ist genau das, was ich an ihm liebe. Der Punkt ist: Daniel fügt sich in die Musik ein. Er hat genau die Stimme, die zu unserer Rockmusik passt. Er ist eine starke Grundlage für die Zukunft. Ich habe so lange auf ihn gewartet!

 

Zur Person:

Justin Greaves, 42, stammt aus dem nordenglischen Lincoln. Seit vergangenem Jahr lebt er auf dem Land nahe Lincoln. Das Stück „Northern Comfort“ auf dem neuen Album „White Light Generator“ handelt von seiner Heimatstadt. Er lebt mit der schwedischen Rockmusikerin Belinda Kordic zusammen, mit der er die Band Se Delan hat. Das Debütalbum „The Fall“ ist ebenfalls soeben erschienen. Am 16. Mai, tritt CBP ab 19.30 Uhr in der Kantine, Neusser Landstr.2, 50735 Köln, auf.