Der Mann mit den vielen Saiten: Lee Ritenour in Bonn

Lee Ritenour am 16. Februar 2016 in Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Natürlich gibt es am Gitarrenspiel von Lee Ritenour nichts auszusetzen. Der Mann, der schon als 16-Jähriger alle mit seiner Virtuosität und Fingerfertigkeit so beeindruckte, dass er den Namen „Captain Fingers“ bekam, muss sich auch am Dienstagabend in der Bonner Harmonie nicht verstecken. Die Gibson ES-335 liegt gut in der Hand, der Sound der Band ist überragend. Besser kann es nicht sein. Gut gelaunt sind die vier auch.

Lee Ritenour am 16. Februar 2016 in Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Lee Ritenour am 16. Februar 2016 in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Den Kölner Dr. Jesse Milliner kennt man in der Region natürlich. Der Keyboarder lehrt an der Mainzer Hochschule und hat schon mit etlichen Musikern zusammengespielt, von Claus Fischer über Sebastian Sternal bis zu George Duke. Melvin Lee Davis gehört mit seinem sechssaitigen Bass schon lange zur Stammbesetzung der Lee Ritenour Band, aber den Mann mit dem gewaltigen Sound und der Liebe zum Experimentellen wollen viele in ihrer Band: die Liste reicht von Chaka Khan, über The Pointer Sisters, Bryan Ferry bis Patti Austin. Und da wäre noch Lees Sohn Wes Ritenour, der schon an Drums und Percussions spielt, seit er vier Jahre alt ist. Kurz: Die Chemie zwischen den Musikern stimmt, es reicht auch für kleine Duette, die von flüsternder Zärtlichkeit bis zu heftigen Klanggewittern reichen.

Bei „P.A.L.S.“, einem anspruchsvollen Stück für Fortgeschrittene vom Album „Overtime“ (2005), für mich eines der stärksten Ritenour-Produktionen, zeigt die Band ihre ganze Klasse. Auch wenn Lee Ritenour ankündigt, man werde alle Linien etwas langsamer spielen, kommt der Fingerbrecher rasend auf den Punkt. Beeindruckend.

Beeindruckend sind auch die Läufe des Gitarristen, der mir am besten gefällt, wenn er die Saiten clean anschlägt und hart am Jazz bleibt, so wie auch bei „Wes Bound“. Der knackige Ton bei „Rio Funk“ lebt natürlich von dem ausgezeichneten Zusammenspiel der Rhythmusgruppe. Davis ist an seinem Bass einfach ein berufener Schöpfer vor dem Herrn.

Lee Ritenour am 16. Februar 2016 in Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Lee Ritenour am 16. Februar 2016 in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Eher in die Hose ging „Stolen Moments“. Der Klassiker, im Original von Oliver Nelson, startet zwar zunächst vielversprechend mit einer hart angeschlagenen, sehr an Robben Ford anklingende Gitarre, verliert sich dann aber alsbald in Belanglosigkeiten. Schade.

Das gilt auch dann, wenn sich Lee Ritenour in Fusiongefilde begibt. Man ist hin und hergerissen zwischen Begeisterung und Unbehagen, weil die Linien so ohne Konturen an einem vorbeifließen wie eine nette Hintergrundmusik. Doch dazwischen Blitzen dann doch solch beseelende Linien, manchmal auch an Pat Metheny erinnernde Passagen, dass man dann doch wieder versöhnt ist. Lee Ritenour ist eben ein Mann mit vielen Gesichtern – und einem einzigartigen Talent. Da gibt es nichts zu rütteln. (Cem Akalin)