Teil II der Backstagereportage
Nach 42 Jahren ist das alles Routine
Und jetzt stehen noch Katrin Weinreis und Simon Rausch in der Tür. Es geht um den Soundcheck. Kims Gruppe macht einen, Tears for Fears wollen, dass alles so vorbereitet wird, dass sie sofort auf die Bühne können, wenn sie kommen. Sie sind schon in Bonn, kommen aber erst kurzfristig auf den Platz.
Hartz wirkt entspannt. „Nach 42 Jahren ist das alles Routine“, sagt der 59-Jährige und schaut zum Himmel. Der ist blau wie eine Babydecke. Ein perfektes Wetter für den Start der Saison. Die ersten großen Konzerte hat er in den 80ern mit Genesis und Peter Gabriel veranstaltet. Dann kamen Michael Jackson, U2, Pink Floyd und viele andere hinzu. Hartz hat schon so viel erlebt, dass ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. „Die Stone Temple Pilots waren vor gut zehn Jahren auf Tour und sollten von London nach Köln kommen. Nachmittags war die Band da, aber der Sänger Scott Weiland hatte den Flug verpasst, und es gab keinen passenden Anschluss. Da haben wir ihn per Auto hergebracht.“
Wilde Partys hinter der Bühne
Sylvan genehmigt sich ein kaltes Wasser. Er hat das WLan angepasst, den Einlass organisiert, neue Programmhefte abgeholt, die Produktionsbüros eingerichtet. Was ihm am besten gefällt an dem Job? „Die Künstlerkontakte“, sagt er sofort. Wer ist denn besonders nett? „Mit den Sportfreunden Stiller haben wir nach dem Konzert noch bis 2 Uhr zusammen gesessen. Und wilde Party gibt es hier nach den Konzerten auch oft“, sagt er und schmunzelt. Bei wem was wie abging, darüber schweigt er ebenso wie sein Stiefvater. „Künstler sind auch nur Menschen“, sagt Hartz. Mehr erzählen sie aber nicht. „Es gibt Geheimnisse, und Diskretion gehört zum Geschäft“, meint Sylvan. Bob Dylan soll vor sieben Jahren zu Fuß am Rhein vom Hotel bis zum KunstRasen gekommen sein und sei im Trainingsanzug und mit Sonnenbrille nicht erkannt worden, heißt es. Stimmt das? „Dylan geht gerne spazieren“, sagt Sylvan nur.
Kim Wildes Band hat sich mittlerweile umgezogen. Alle im Sportdress. Sie gehen zusammen joggen und zum Yoga in die Rheinaue. Keyboarder Lukes erzählt später beim Mittagessen, dass die Musik nur ein Nebenjob von ihm ist. Hauptberuflich vertreibt er von Paris aus Schuhe von Karl Lagerfeld.
Noch eine Stunde bis zum Einlass. Auf dem Platz herrscht deutlich mehr Bewegung. Weinreis fährt mit dem Gabelstapler von Ort zu Ort. Derweil haben Dirk Wilms, Martin Schneiders, Janning Fliege und Kai Nils Becker von der Freiwilligen Feuerwehr Lannesdorf schon Stellung bezogen und beobachten das hektische Treiben. An dem Imbiss- und Getränkeständen werden letzte Instruktionen gegeben.
Gut gefüllte VIP-Lounge
Die Managements der Künstler informieren Hartz darüber, welche Fotografen zugelassen sind und von wo aus sie wie lange Aufnahmen machen dürfen. Und dann geht es los. Hartz steht hinter der Bühne, als Kim Wilde mit Band, alle ganz in Schwarz, die Rampe hochgehen. Ein kurzer Blick. Alles läuft.
Die VIP-Lounge ist gut gefüllt. Bonn-Ticket hat Kunden und Geschäftspartner eingeladen. Hartz trägt immer noch die kurzen Hosen, hat aber jetzt sein weißes Hemd an. Er geht durch die Gruppen, bleibt mal hier, mal dort stehen. Und ist dann wieder weg. Small Talk ist seine Sache nicht. „Es gehört aber zum Job“, sagt er. Lieber noch bewegt er sich in der Musikszene. Da hat er sich längst einen Namen gemacht. „Ohne Kontakte und gute Beziehungen zu Künstlern und Agenturen läuft nichts“, sagt er, während wir wieder zu seinem Büro laufen. Im Hintergrund singt Kim Wilde „Never Trust a Stranger“.
„Als wir hier 2012 angefangen haben und in der ersten Saison Leute wie Patti Smith, Lou Reed und oder Bob Dylan hergebracht haben, ging das nur, weil uns die Künstler vertraut haben. Normalerweise spielen sie nicht auf neuen, unerprobten Plätzen“, sagt Hartz. „An Sting habe ich drei Jahre gearbeitet, um ihn nach Bonn zu bekommen.“
Abrechnungen während des Konzertes
Was er denn jetzt noch machen muss? „Abrechnungen. Das läuft unmittelbar nach der Show“, sagt Hartz und vertieft sich in seinen Computer. Von vielen Konzerten, sagt er, bekommt er vielleicht nur eine halbe Stunde mit. Es gab Bands wie Pink Floyd oder U2, da hat er sein Team hinterher zum Konzert in einer anderen Stadt eingeladen, damit alle auch die ganze Show sehen konnten. Letztes Jahr flog er mit dem Büro zu David Byrne nach Manchester („die wir leider nicht veranstaltet haben“).
Als Tears for Fears um 20.17 Uhr auf die Bühne kommen, jubelt das Publikum. Hartz ist wieder nirgends zu sehen. Bei „Advice for the Young at Heart“ steht er auf der VIP-Terrasse. Nach ihrem Radiohead-Cover von „Creep“ sagt er nur „Klasse“ und verschwindet. Gegen 22 Uhr, der Platz ist schon fast wieder geleert, ein Anruf auf dem Handy. „Besorgt mir mal ein kaltes Kölsch. Ich komme gleich.“ Kurz nach zehn steht er bei seinen Freunden und trinkt sein erstes Bier. Sie stoßen an. „Guten Start, Ernest.“