Wacken 2025: Schlamm, Sturm und Symphonie – Ein fulminanter Auftakt mit Saltatio Mortis

Saltatio Mori auf Wacken FOTO: WOA Festival GmbH

Dauerregen, Massen und Metal in Höchstform: Der erste Haupttag des Wacken Open Air 2025 trotzt dem Wetter mit einem eindrucksvollen Line-up. Mit dabei: Saltatio Mortis feiern ihr 25-jähriges Jubiläum, Gojira liefern ein präzises Metalbeben, Papa Roach zünden den Nu-Metal-Turbo – und Machine Head bringen das Infield zum Beben. Ein Tag zwischen Schlammbad und Soundgewalt.

Von Lina Macke

Der Himmel über Schleswig-Holstein steht grau und schwer, der Boden hat sich längst in zähen Schlamm verwandelt, als gegen halb vier Uhr nachmittags das Infield seine Pforten öffnet. Es ist, als begrüße der Ort selbst seine Gäste mit einem schmutzigen Handschlag: „Willkommen zurück.“ Und sie kommen – zu Zehntausenden. 85.000 Metalheads stapfen durch das berühmteste Festivalgelände Europas, durch Schlammgruben, nasse Holzschnitzelpfade und metallische Euphorie. Der erste Haupttag des Wacken Open Air 2025 beginnt – in bester Tradition, versteht sich: Regen. Matsch. Und ein donnerndes „Moin Metalheads!“ von Mitgründer Holger Hübner.

Wacken ist längst mehr als Musik – es ist ein Ritual. Und wie es sich für ein Ritual gehört, beginnt es mit Zeremonienmeister und Feuerwehr: Die Wacken Firefighters betreten als Erste die Bühne, noch bevor das Infield freigegeben wird. Ihre Blaskapellen-Version von „Let Me Entertain You“ klingt wie eine Parole gegen das Wetter – und gegen jede Resignation. „Beim besten Grillwetter“, witzelt der Sänger, während das Publikum jauchzt, pfeift und johlt. Wer hier ist, will nicht klagen. Wer hier ist, weiß: Wacken ist kein Komfort – Wacken ist Katharsis.

Spektakuläre Bilder

Dann beginnt das musikalische Beben. Wind Rose, Italiens Power-Metal-Zwerge, eröffnen das Infield mit ihrer Fantasy-Ästhetik und donnernden Rhythmen. Ihre Rüstungen glitzern im Regen, ihre Hymnen prallen an den Himmel – und plötzlich wird aus dem Matsch ein Schlachtfeld. Wer sich bis dahin noch vorsichtig über den Platz tastete, springt jetzt mit vollem Körpereinsatz ins nasse Glück. Schlamm-Pits, Gummistiefel-Ballette und Bierbecher-Choreografien sind wieder da.

Saltatio Mori auf Wacken FOTO: WOA Festival GmbH

Und dann: ein Heimspiel mit Herz. Saltatio Mortis, die mittelalterlichen Punkbarden, feiern ihr 25-jähriges Jubiläum auf der Bühne. Mit spektakulären Bildern! Dudelsäcke treffen Stromgitarren, Poesie auf Pyro. Ein Vierteljahrhundert Bühnenblut und Liedgut, dargeboten mit Pathos, Schweiß und ungebrochener Energie. Zwischen ihnen: das Publikum, das jeden Refrain wie einen alten Eid mitgrölt.

Gojira werden am Samstag ihre technische Präzision wie ein Erdbeben unter chirurgischer Kontrolle entfesseln – Umweltbewusstsein trifft Metal-Gewalt. Papa Roach wiederum bringen ihre turnhallenharten Nu-Metal-Ohrwürmer am Freitag auf die große Bühne, „Last Resort“ wird zur generationsübergreifenden Therapie. Und Machine Head wird ebenfalls am Samstag loslegen, dann zittert der Boden. Ihr Sound ist dreckig, massiv, kompromisslos.

Theatralische Wucht:  Within Temptation und Apocalyptica

Auf der anderen Seite des Spektrums setzen Within Temptation und Apocalyptica auf theatralische Wucht: sinfonischer Bombast, Lichtinszenierung, Gänsehautpassagen. Wenn Celli auf Metal-Riffs treffen, wird aus Wacken ein Opernhaus des Lärms. Die Nacht senkt sich, der Himmel bleibt geschlossen, doch der Boden leuchtet in LED und Feuerfontänen.

Ein Höhepunkt für viele: das düstere Mystikgewitter von Dimmu Borgir. Ihre schwarze Liturgie auf großer Bühne, unterlegt mit symphonischen Arrangements, gerät zur finsteren Messe – Schwarzmetal als Ritual, als Inszenierung, als apokalyptisches Theater.

Lost Society beim Wacken Open Air FOTO: WOA Festival GmbH

Wacken wäre nicht Wacken ohne die Vielfalt jenseits der Hauptbühnen: Michael Schenker spielt ein Set aus seiner UFO-Ära, Lita Ford erinnert an Glam und Grunge gleichermaßen, Clawfinger lassen den Crossover der 90er wiederauferstehen. Im Wackinger Village herrschen Markt, Met und Mummenschanz; im Wasteland lodern Flammenwerfer, während Endzeit-Figuren zu Industrial-Klängen tanzen.

Der Schlamm klebt an Stiefeln, Zelten, Seelen. Doch genau das ist Teil der Reinigung. Wacken ist ein Ort, an dem das Laute zum Innersten spricht – über Genrengrenzen hinweg. Ob Black Metal, Mittelalter-Rock oder Crossover: Es geht nicht nur um Musik, es geht um ein Gefühl von Zugehörigkeit. Und darum, sich selbst im Getöse wiederzufinden.

Der erste Tag des Wacken Open Air 2025 hat gezeigt: Der Regen ist kein Gegner, sondern Kulisse. Und der Schlamm – so paradox es klingt – ist das Fundament dieses Ausnahmezustands. Wacken lebt. Im Matsch, im Lärm, in der Liebe zum Laster.