
Epische Gitarrensoli, ein beeindruckender Andy Kuntz und ein Set, das sich von Klassikern bis zu neuen Meisterwerken spannt: Vanden Plas liefern in der Bonner Harmonie ein Konzert voller musikalischer Brillanz und emotionaler Tiefe. Ein Abend, der zeigt, warum die Band seit 40 Jahren eine Institution im Progressive Metal ist.
Von Dylan C. Akalin
Meine Fresse, was für eine göttliche Gitarre! Andy Kuntz hat gerade Charon, den Fährmann aus der griechischen Mythologie, eindrucksvoll angefleht, ihn mit ins Jenseits zu nehmen, da löst sich die Gitarre von den dichten, symphonischen Metal-Riffs, die sich dynamisch durch den Song „Sanctimonarium“ bewegen und für eine düstere, dramatische Grundstimmung sorgen, schraubt sich aus dem Gesang, leicht und flink wie eine Schwalbe. Elegant, schnell und wendig gleitet der Gitarrensound scheinbar mühelos über uns hinweg, ändert blitzschnell die Richtung, taucht ab und fliegt wieder in sanften Bögen zum Thema zurück. Stephan Lill ist ein Zauberer an den sechs Saiten, in seinen Fingern scheint dieselbe Freiheit zu liegen wie im rhythmischen und effizienten Flügelschlag der Luftakrobaten.

Vanden Plas, die Progressive Metal-Legende aus Kaiserslautern, liefern an diesem Freitagabend in der Bonner Harmonie ein Konzert, das den Gästen sowohl musikalisch als auch emotional einiges zu bieten hat. Nach einem Jahrzehnt ständiger Weiterentwicklung und einer treuen Fangemeinde, ist die Band immer noch eine der bedeutendsten Vertreter ihres Genres. Das erste und leider letzte Mal, das ich sie gesehen habe, war 1997: Da spielten sie als Support für Dream Theater in der Biskuithalle. Mit ihrem Set aus frühen und aktuellen Nummern, zeigt Vanden Plas auf ihrer 40th Anniversary-Tour, dass sie in der Lage ist, sich sowohl in die Zukunft zu bewegen als auch ihren Wurzeln treu zu bleiben.
„Sanctimonarium“
„Sanctimonarium“ von ihrem 2024 erschienenen Album „The Empyrean Equation of the Long Lost Things“ ist ein tiefgründiger und düsterer Song, der sich thematisch mit Tod, Suizid, spirituellen Fragen und der Ambivalenz göttlicher Vorsehung auseinandersetzt. Der Text kombiniert poetische Bilder mit existenziellen Reflexionen und erschafft eine surreale, fast albtraumhafte Atmosphäre. Andy Kuntz‘ Gesang ist an diesem Abend über die gut zweieinviertel Stunden durchgängig beeindruckend, die Band spielt mit vollem Einsatz. Lills brilliert an der Leadgitarre, seine Melodieführung ist von neoklassischen und progressiven Elementen durchzogen, mit fließenden Legato-Passagen und gefühlvollen Bendings. Applaus brandet jedes Mal auf, wenn Lill, der es meisterhaft versteht, schnelle Läufe mit Arpeggien und melodiösen Themen zu kombinieren, seine Fingerfertigkeit unter Beweis stellt. Hin und wieder scheint er selbst ganz verblüfft zu sein, dann schaut er ins Publikum, tritt einen Schritt nach vorne und feuert die Fans selbst an, wie ein Leichtathlet nach einem erfolgreichen Stabhochsprung.
Alessandro Del Vecchio
Neu dabei ist Alessandro Del Vecchio, der im vergangenen Jahr nach gut vier Jahrzehnten Keyboarder Günter Werno abgelöst hat. Seine druckvollen Akkordbegleitungen erinnern zwar bisweilen an klassische Hardrock- und AOR-Bands, besticht aber auch mit dynamischem Wechsel, wenn er starke Kontraste zwischen sphärischen Passagen und kraftvollen Rock-Einsätzen einsetzt. Seine Soli sind sehr gitarrenorientiert, oft bluesig und klassisch inspiriert, mit einer flüssigen Phrasierung. In Uptempo-Momenten arbeitet er gerne mit staccato-artigen Riffs, die dem Song Drive verleihen. Echt stark.

Del Vecchio, bekannt für seine Arbeit mit Bands wie Hardline und Jorn, bringt durchaus eine frische Energie in die Band und fügt mit seiner Nuance und seinem feinsinnigen Tastenspiel den Songs eine neue Dimension hinzu. Dies ist besonders bei komplexen Arrangements wie „Vision 3hree: Godmaker“ und „Soul Survives“ zu spüren, wo seine Tastenarbeit harmonisch mit den Gitarren und dem restlichen Arrangement verschmilzt.
Kühne Instumentalpassagen
Das Konzert beginnt mit „Push“ von ihrem ersten Album „Colour Temple“ (1994), das mit seiner vorwärtstreibenden Metal-DNS sofort die energetische und präzise Darbietung der Band aufzeigt. „Holes in the Sky“ vom Album „The Seraphic Clockwork“ (2010) bringt gleich zu Beginn die dunkle und dichte Atmosphäre von Vanden Plas’ Musik zur Geltung. „The Sacrilegious Mind Machine“, ebenfalls aus dem 2024er Album „The Empyrean Equation Of The Long Lost Things“ scheint die vorherigen breiten Riffs aufzunehmen und uns mit diesem epischen Song tief in die progressive Rock-Welt eintauchen zu lassen. Die Songstruktur lässt viel Raum für Experimente und Übergänge, begeistert mit kühnen Instrumentalpassagen und emotionalen Wechselbädern. Hier erleben wir eines von ganz starken melodiösen Gitarrensolos, das in ein Riff-Gewitter übergeht.
„Far Off Grace“ gewährt uns vor allem mit dem ruhigen ersten Teil ein wenig Atempause, bevor es mit „Godmaker“ und ein paar Dream Theater-artigen Sounds, vor allem was Kuntz‘ Stimme betrifft, weitergeht.
Referenz an Dream Theater
Apropos Dream Theater: Wunderschön ist die gut Zehn-Minuten-Darbietung von „They Call Me God“, wobei die Hookline des Pianos doch sehr stark an „Wait For Sleep“ von Dream Theater erinnert. Wir bekommen jedenfalls eine exklusive und großartige Piano-Version zu hören. Die Band setzt erst ganz am Schluss ein und versetzt der Ballade noch eine fantastische instrumentelle Dramatik.

Die Setlist ist ein ausgewogenes Zusammenspiel aus der Präsentation neuer Stücke und den geliebten Klassikern der Band. Songs wie „Rainmaker“ und „Postcard to God“ aus früheren Alben sind ebenso darauf wie „lodic Rain“ und „My Icarian Flight“. Während „Rainmaker“ mit seinem eingängigen Refrain und den fantastischen Gitarrenläufen die Menge begeistert, zeigt „Postcard to God“ als letzte Zugabe die melancholische Seite der Band. Hier kann Andy Kuntz am Schluss noch einmal seine außergewöhnliche stimmliche Bandbreite voll zur Geltung bringen.
Hervorragender Sound
Der Sound in der Harmonie ist übrigens hervorragend, um die komplexen und dichten Klangwelten von Vanden Plas perfekt in Szene zu setzen. Lediglich bei zwei Nummern hatte ich das Gefühl, dass der Klang in lauten Passagen etwas matschig rüberkommt, was aber schnell am Mischpult korrigiert wird. Ansonsten herrscht eine gute Balance zwischen Klarheit und Tiefe, sodass jedes Instrument – ob es die zerrenden Gitarrenriffs von Stephan Lill, die treibenden Basslinien von Torsten Reichert oder die virtuosen, mächtigen Drums von Andreas Lill sind – gut zur Geltung kommt.
Es hat lange gedauert bis Vanden Plas nach Bonn gekommen ist, hoffentlich sind sie bals wieder hier. Als eine der führenden Prog-Metal-Bands Deutschlands haben sie in der Harmonie auf jeden Fall eine Marke hinterlassen. Ein rundum gelungener Abend!

Setlist Vanden Plas Bonn 2025
Intro
Push
Holes In The Sky
The Sacrilegious Mind Machine
Far Off Grace
Vision 3hree: Godmaker
Soul Survives
Cold December Night
Sanctimonarium
They Call Me God
Vision 13teen: Stone Roses Edge
lodic Rain
My Icarian Flight
Rainmaker
Encore
Frequency
Postcard To God










