„Ich habe den Jazz nie ideologisch gesehen“
JAZZ-TALK Die zweite Staffel von „Talkin‘ Jazz“ im Forum der Bundeskunsthalle beginnt
viel versprechend
Von Cem Akalin
Klaus Doldinger füllt immer noch die Säle. Keine Frage, der 68-jährige Saxofonist und Komponist hat nichts an seiner Zugkraft verloren. Das Forum der Bundeskunsthalle war mit 460 Karten restlos ausverkauft und Kurator Franz-Xaver Ohnesorg sichtlich begeistert. Die zweite Staffel von „Talkin` Jazz“ mit dem Trompeter Till Brönner beginnt also vielversprechend. Ihn als „fabelhaften Kommunikator“ anzukündigen, ist dann doch stark übertrieben. Seine Dialogfähigkeit beweist der 33-Jährige immer dann, wenn er das Horn an die Lippen führt. Dann ist er einfühlsam, wenn nötig bescheiden oder voller Ideenreichtum. Die Gespräche sind dagegen bisweilen so oberflächlich, dass es selbst dem gut gelaunten Doldinger manchmal regelrecht die Sprache verschlägt. Brönner fragt etwas leidenschaftslos einige biografische Stationen ab und ist am Ende erleichtert: „Jetzt haben wir`s geschafft.“
Die Stücke reichen von Standards wie „After You`ve Gone“ über Monk-Kompositionen, Blues, Balladen bis hin zu Dizzy Gillespies „A Night In Tunisia“, und auch das Thema von Wolfgang Petersens Film „Das Boot“ durfte nicht fehlen. Wirklich herausragend war Schlagzeuger Wolfgang Haffner, der schon für Leute wie Johnny Griffin, Clifford Jordan, Joe Pass, Woody Shaw, Steve Coleman, Cassandra Wilson und Peter Herbolzheimer spielte. Und eben auch für Doldinger`s Passport. Aus dieser erfolgreichen Formation brachte Doldinger auch seinen Pianisten und Keyboarder Roberto Di Gioia mit. Am Bass beeindruckte Christian von Kaphengst das Publikum.
„Ich habe den Jazz nie ideologisch gesehen“, sagt Doldinger, womit er in einem Satz das Geheimnis seines Erfolgs umreißt. Als er in den 60er Jahren wegen seines Faibles für den Blues von der deutschen Jazz-Szene angegriffen wird, kümmert er sich nicht drum. Bei seiner Tour 1960 durch die USA beeindruckt er die Amerikaner in der Wiege des Jazz so sehr, dass sie ihm die Ehrenbürgerschaft von New Orleans verleihen. Doldinger macht, was ihm Spaß macht. Als der deutsche Jazz krampfhaft versucht, sich vom amerikanischen zu lösen, mischt Doldinger nicht mit. Er geht seinen eigenen Weg: „Jazz war für mich immer Weltmusik“, sagt er. Er bereist Brasilien und produziert 1977 seine Platte „Iguacu“, die es sogar in die US-Charts schafft. Das Jazz-Magazin Down Beat vergleicht die Band mit Weather Report. Dann kommen immer mehr Aufträge für den Filmmusik-Komponisten. Er komponiert die Titelmusik zum „Tatort“, die Melodien zu „Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“ oder „Salz auf unserer Haut“.
Die vielen Seiten des Klaus Doldingers, vor allem die des Nachdenklichen, kamen an diesem Abend leider zu kurz, nicht aber sein mit leichtem Hall versetzter Sax-Sound. Und das entschädigt voll und ganz.