Starker Auftritt von Rosalie Cunningham mit Band beim Crossroads Festival in der Harmonie Bonn

Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Von Dylan Akalin

Rosalie Cunningham eröffnet am Freitag den dritten Abend des Crossroads Festivals 2024 des WDR Rochpalast in der Bonner Harmonie mit einer Performance, die sofort deutlich macht, warum sie als eine der spannendsten Musikerinnen der aktuellen Prog-Rock-Szene gilt. In einem kraftvollen Mix aus Retro-Ästhetik, psychedelischen Klängen und kunstvollem Songwriting entführt Cunningham das Publikum auf eine musikalische Reise, die sowohl fesselnd als auch abwechslungsreich ist – und mit einer beeindruckend guten Band überzeugt. Danach gab es den fantastischen Gig von Spiral Drive.

Mit ihrem auberginefarbenen Jumpsuit, der Schlaghose und den Fransen an den Armen wäre sie auf jeder Party in den 60er und 70er Jahren die Party-Queen gewesen – auch wenn sie später fordert: „Entthront die Partykönigin von einst“.

Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Der Abend beginnt mit „Start With The Corners,“ ein Instrumental, das uns einstimmt, dass es hier in die Psychedelic-Progrock-Welt der 70er Jahre geht. Zunächst ruhig und introspektiv wächst der Song zu einem überwältigenden Crescendo. Die Stücke auf ihrer Setlist, darunter „Ride On My Bike“ und das elektrisierende „Dethroning Of The Party Queen,“ zeugen von einer Künstlerin, die stilistisch tief in den Sechziger- und Siebzigerjahren verwurzelt ist, ohne dabei jemals antiquiert zu wirken.

„Donovan Ellington“

Die ersten Songs können mit ihrer etwas in der britischen Songtradition verharrenden Weise das Publikum noch nicht vollends überzeugen. Wer die 34-Jährige aus dem ostenglischen Southend-on-Sea stammende Künstlerin nicht kennt, wird in der Tat etwas schwimmen in dieser Mischung aus Moritaten, Classic und Progressive Rock, in die Nuancen britischem Songwriting der 60er Jahre einfließen.  

Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Und dann kommt „Donovan Ellington“, ein mehrteiliges Stück, das Cunningham’s Vorliebe für verschachtelte Kompositionen und narrative Songstrukturen perfekt widerspiegelt. Hier verbindet sie mühelos orchestrale Elemente mit harten Gitarrenriffs, jazzigen Rhythmen und einer unterschwelligen Folkmarmorierung, was den Song wie ein Mini-Opus erscheinen lässt und stellenweise entfernt an Jethro Tull, gesanglich auch an Chrissie Hynde erinnert. Der zweite Teil, „Donny Pt. Two,“ nimmt die Thematik des ersten auf, verändert aber den Ton und führte das Publikum durch eine düstere, fast bedrohliche Klanglandschaft, die mit hypnotischen Bassläufen und verhallten Gitarrenakkorden aufwartet. Bei „Return Of The Ellington“ ist das Eis zwischen der Band und dem Publikum endgültig gebrochen. Der Song kommt rockiger und insgesamt straighter rüber. Es gibt riesigen Applaus.

„Duet“

Publikumsliebling war indes „Duet“, eine vielfältige fast zehnminütige Nummer voller musikalischer Referenzen, unter anderem an die Beatles, Blondie und Jefferson Starship. Im Instrumentalteil beweisen alle Bandmitglieder, was für großartige Musiker sie sind. Diese Dynamik im sparsamen, wohldosierten Einsatz von Bass, Drums und Gitarren ist genau das, womit viele Bands ihre Schwierigkeiten haben – nicht aber Rosalie Cunningham, die mit ihren 34 Jahren schon auf einen unglaublich reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann.

Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Ihr Gesang ist ebenso vielfältig wie ihre Kompositionen: mal süß und verführerisch, dann wieder wild und ungezähmt. Ihre Stimme erinnert mitunter an den charmanten Exzess von Grace Slick, an Siouxsie Sioux, Kate Bush und Sandy Denny. Nach dem Konzert auf ihre musikalischen Vorbilder gefragt, sagt sie nur lachend: „Oh, das würde Stunden dauern, bis ich die alle aufgezählt habe.“

Erinnerung an Stackridge

Tatsächlich erinnert mich Rosalie Cunninghams Stil stark an die Folk-, Pop- und Progressive-Melange von Stackridge. Irgendwann muss ich auch an David Bowie denken, dessen Chamäleon-artige Fähigkeit, Genres zu verschmelzen und stets neu zu definieren. Vielleicht ist es diese Leichtigkeit, mit der sie zwischen Stilen, mal Glam-Rock, mal Prog, mal Psychedelic wechselt.

Cunningham hat eine starke Ausstrahlung und beherrscht die Kunst, sowohl verführerisch und mystisch zu klingen, als auch in Momenten explosiv und unverhohlen roh zu sein. Die psychedelische Ästhetik der Sechzigerjahre, die ja auch ihr möglicherweise großes Vorbild Slick so stark prägte, findet sich auch in Cunninghams Musik wieder, sei es in den verträumten Melodien oder den spirituellen, oft surrealen Texten. Diese Donovan Ellington-Songs jedenfalls lassen einen beim Zuhören manchmal ratlos zurück. Sie lacht, als ich es ihr nach dem Konzert sage. Man müsse die Figur als Metapher sehen, sagt sie. Ihre Texte sind oft kryptisch, dabei jedoch von literarischer Qualität. Besonders deutlich wurde dies in „Riddles And Games“ und „Tristitia Amnesia,“ in denen sie philosophische Themen wie Identität, Vergänglichkeit und die verzerrte Wahrnehmung von Realität behandelte. Ihre Worte haben etwas Märchenhaftes, das die Zuhörer in eine Welt zieht, die ebenso surreal wie tiefgründig ist.

„Riddles And Games“

Ich habe den Eindruck, dass ein nicht zu unterschätzender Einfluss zudem Syd Barrett, der exzentrische Gründer von Pink Floyd, sein könnte. Cunninghams Musik, insbesondere in Songs wie „Rabbit Foot“ und „Riddles And Games“ trägt die Faszination für das Absurde und das Mysteriöse, die Barretts Werk durchzog. Barretts Mix aus Psychedelia und surrealer Lyrik hat sie übernommen und zu einem ihrer Markenzeichen gemacht, wobei sie den Hörer mit komplexen und oft kryptischen Texten herausfordert. „Riddles And Games“ startet musikalisch indes ein wenig an Slade erinnernd und hält sich fast durchgängig im Classic Rock auf.

Musikalisch-technisch gibt es ansonsten eine deutliche Parallele zu progressiven Größen wie King Crimson und Jethro Tull. Die komplexen Songstrukturen und die ausgeprägte Instrumentierung, die Cunninghams Werk auszeichnen, erinnern an den experimentellen Charakter dieser Bands. Wie Ian Anderson von Jethro Tull nutzt Cunningham verschiedene Stile und Instrumente, um ihren Songs eine tiefere Dimension zu verleihen. Der experimentelle Geist von King Crimson, der sich in unkonventionellen Songstrukturen und avantgardistischen Elementen zeigt, fließt ebenfalls in ihre Arbeit ein, insbesondere in mehrteiligen Werken wie „Donovan Ellington.“

„Chocolate Money“

Rosalie Cunningham versteht es meisterhaft, die Essenz ihrer musikalischen Vorbilder aufzugreifen und sie auf eine Weise zu transformieren, die völlig einzigartig ist. Ihre Kunst ist eine Hommage an die Pioniere der Rock- und Prog-Szene, doch sie bleibt niemals in der Nostalgie stecken. Stattdessen führt sie das Erbe ihrer Einflüsse in die Gegenwart, indem sie sie mit ihrem persönlichen, unverwechselbaren Stil vermengt. Dies macht sie zu einer außergewöhnlichen Musikerin, die es versteht, Tradition und Innovation in einer harmonischen Symbiose zu verbinden.

Musikalisch bewegt sich Cunningham auf einem schmalen Grat zwischen Rock, Psychedelic und Prog. Ihre Stücke flirten mit klassischen Einflüssen, sind jedoch durchzogen von einem modernen, eigenwilligen Twist. „Chocolate Money“, das den Abend abschloss, brachte dies auf den Punkt: Ein verspieltes Stück, das einerseits vom Glam-Rock der frühen Siebziger geprägt ist, gleichzeitig aber durch seine ausgefeilten Arrangements und den ironischen Text modern und bissig wirkt. Ein ganz starker Auftritt.

Setlist Rosalie Cunningham (Rockpalast 11/10/24, Bonn)

Start With The Corners
Ride On My Bike
Dethroning Of The Party Queen
Donovan Ellington
Donny Pt. Two
Return Of The Ellington
Duet
Riddles And Games
Rabbit Foot
Wool
Tristitia Amnesia
Chocolate Money

Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rosalie Cunningham und Band in der Harmonie 2024 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
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