So war das letzte Deutschland-Konzert von AC/DC vor 75.000 Fans in Hannover

Konzertkritik ohne Bezahlschranke

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer

Von Dylan C. Akalin

So war das letzte Konzert von AC/DC auf ihrer Deutschlandtour: In Hannover spielt die Kult-Rockband aus Australien zweimal vor 75.000 Zuschauern. Wir waren am Sonntag dabei.

The Pretty Reckless als Support

Taylor Momsen ist irritiert. Die Sängerin und Frontfrau von The Pretty Reckless gibt alles. Sie singt fantastisch, wirft sich auf den Boden, kniet, röchelt und springt. Doch die Reaktion beim Publikum bleibt weitgehend aus. Ben Philips, ein fleischgewordener Severus Snape, versucht es bei seinem ausgedehnten und ziemlich coolen Gitarrensolo bei „Heaven Knows“ nochmal. Er fordert das Publikum immer wieder auf mitzugehen.

The Pretty Reckless 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer

Taylor setzt einen Break nach dem anderen. Es ist vergebene Liebesmüh. Der Norddeutsche ist offenbar nicht aufzutauen. Dabei ist das fast einstündige Set der New Yorker Alternative-Rock-Band wirklich gut. Der Sound stimmt, die Stimme, die Gitarre, da ist genug Härte und, wie Olaf Scholz sagen würde, „Doppel-Wumms“ in der Musik, um wirklich jeden mitzureißen. Warten die rund 75.000 Zuschauer auf dem Messegelände Hannover auf die Hauptband?

Angus Young in knallroter Schuluniform

Um 20.26 Uhr heulen die Wölfe, die Motoren wummern, die Reifen hinterlassen lange Feuerspuren, als AC/DC zunächst animiert auf der Leinwand durch Hannover aufs Gelände rast. Und dann steht die Band auf der Bühne. Brian Jones wie üblich in schwarzen Hosen und im ebenso schwarzen, schlabberigen Polo-Shirt. Mütze auf dem Kopf.

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Dylan Akalin

Angus Young steht heute in einer feuerroten Schuluniform auf der Bühne, die schwarze Gibson SG umgeschnallt, haut er der Menge die Powerchords von „If You Want Blood (You’ve Got It)“ um die Ohren. Da ist Feuer unter der Motorhaube. Das soll das doch alles behaupten. Auch wenn die Herren in die Jahre gekommen sind, auch wenn Brian Johnson, steht kurz vor seinem 77., heute fast mehr krächzt als singt, und die weißen Haare von Angus Young, 69, eher wie ein Heiligenschein leuchtet… da geht noch was. Und wie!

Brian Johnsons Stimmbänder stark strapaziert

Schwarz-Weiße Bilder laufen über die riesigen LED-Wände, als schon als zweiter Song „Back in Black“ läuft. Wir haben AC/DC beim Auftakt der Tournee in Gelsenkirchen erlebt. Da haben sie drei Stücke mehr performt. Vielleicht war das für Brian Johnsons Stimmbänder nicht so gut. Die Setliste wurde etwas zusammengestampft. Am Sonntag fehlen jedenfalls „Givin the Dog a Bone“, „Dog Eat Dog“ und „Hell Ain’t a Bad Place to Be“.

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer

Dennoch kommt die Band am Ende nach der zwei Zugaben der obligatorischen AC/DC-Hymnen „T.N.T.“ und „For Those About to Rock (We Salute You)“ auf deutlich mehr als zwei Stunden Show. Dafür zieht sich die Soloperformance von Angus Young bei „Let There Be Rock“ auf 25 Minuten! Johnsons Stimme klingt indes bisweilen wie eine eingerostete Heckenschere.

„Stiff Upper Lip“ und „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“

Bei „Demon Fire“ verfolgt die Kamera die Band durch die rote Linse, bei „Shot Down in Flames“ ist das Bild umrahmt von Flammen. Hier gibt es den ersten richtigen Szenenapplaus für die Tanzmoves von Angus bei seinem Solo. Als er ruhig ist kurz vor Start von „Thunderstruck“ hallen „Angus“-Rufe über den Platz. Da kommt er dann an den Bühnenrand, Jacke und Mütze ausgezogen, das Hemd hängt wild aus der Hose. Der Applaus nach den Stücken hell und flüchtig wie das Brennen einer kurzen Lunte.

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Dylan Akalin

Nicht nur bei „Have a Drink on Me“ versucht Angus das Publikum zum Mitmachen zu motivieren. Immerhin singen viele bei „Stiff Upper Lip“ und „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ mit. Im Umkreis von 20, 30 Metern um mich herum tanzt nur eine Frau vor mir. Wahrscheinlich die einzige Rheinländerin weit und breit. Die Gruppe um sie bleibt steif stehen, wie ein Glas Grog. Als Angus bei „Sin City“ den Gitarrenhals mit der Krawatte malträtiert klatschen einige begeistert auf, dann werden sie schon vom „Rock ’n‘ Roll Train“ überrollt. Und der kommt heftig.

Hannover Messe? Ein schrecklicher Konzertplatz

Mal zum Konzertort. Wir hatten einen sehr guten Platz vorne rechts, ein Teil meiner Gruppe hatte Tickets im Golden Circle. Selbst dort sei von richtig guter Stimmung nicht viel gewesen, sagen sie später verwundert. Das EXPO-Gelände ist, soweit ich mir den Platz angeschaut habe, nicht unbedingt für diese Menge von Zuschauern geeignet. Der Platz ist als Festivalplatz eigentlich schrecklich. Wir waren schon früh da, als es noch weitgehend leer war. Es gibt Niveauunterschiede und jede Menge Sichtbehinderungen durch Bauelemente (Türme etc.) und Bierstände, Mauern und so weiter.

ACDC 2024 in Hannover: Hells Bells FOTO: Malte Kramer

Am Ende des Konzerts bin ich etwas hinten durch die Menge gegangen. Da waren jede Menge Fans, die die Bühne praktisch nicht oder nur zum Teil sehen konnten. Bei einer Hotelzimmerbeschreibung würde es heißen, „Nur eingeschränkter Meerblick“. Dazu Bierpreise wie auf den Wies’n (sieben Euro für einen halben Liter plus drei Euro Becherpfand), keine Kartenzahlung und der einzige Geldautomat auf dem Gelände war ausgefallen. Willkommen in Deutschland. Um 14 Uhr war schon Einlass. Grund genug für so manchen, sich offenbar ordentlich die Kante zu geben. Gegen 17 Uhr beobachteten wir jedenfalls, wie die gut präsente Polizei immer wieder irgendwelche volltrunkenen Randalierer heraustrugen.

Dafür war der Sound für mich für diese Platzgröße ziemlich gut. Würde ich da nochmal hinfahren? Bestimmt nicht. Was Organisation betrifft, kann sich die Veltins Arena allerdings einiges bei den Hannoveranern abschauen. Die ganze Organisation war nämlich ziemlich gut – auf und um den Platz herum.

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer

Klar, ein wunderschönes Bild ist Angus Young, der wie eine Statue des Rock ‚n‘ Roll auf dem Podest hochgefahren wird, mitten in seinem nicht enden wollenden Gitarrensolo und im Konfettiregen steht. Wahnsinn! Um 22.42 beenden AC/DC mit Salutschüssen aus den Kanonen und „Those About To Rock (We Salute You)“ das Konzert – und ihre ausgedehnte Deutschlandtour.

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Dylan Akalin

Setlist AC/DC Hannover 4. August 2024

If You Want Blood (You’ve Got It)
Back in Black
Demon Fire
Shot Down in Flames
Thunderstruck
Have a Drink on Me
Hells Bells
Shot in the Dark
Stiff Upper Lip
Shoot to Thrill
Sin City
Rock ’n‘ Roll Train
Dirty Deeds Done Dirt Cheap
High Voltage
Riff Raff
You Shook Me All Night Long
Highway to Hell
Whole Lotta Rosie
Let There Be Rock

Encore   

T.N.T.
For Those About to Rock (We Salute You)

ACDC 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer
ACDC 2024 in Hannover FOTO: Malte Kramer