Segen und Zorn: So war das Konzert der Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen in Bonn 

Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Billy Corgan erscheint wie ein düsterer Hohepriester in Soutane, James Iha scherzt über Currywurst – und dazwischen: Gitarrenwände, sakrale Momente und der nihilistische Satz „Love is suicide“. Auf dem KunstRasen in Bonn zeigen die Smashing Pumpkins am Dienstagabend vor rund 3500 Fans, dass sie neue Wege gehen, ohne ihre Herkunft zu verleugnen.

Von Dylan C. Akalin

Billy Corgan schreitet in schwarzer Soutane auf die Bühne wie ein Hohepriester des Alternative Rock. Oder ein Abt eines obskuren Ordens. Wenn er seine Arme erhebt, wie zum Segen an eine treue Gemeinde, verschwinden die Grenzen zwischen Ironie und Ritual auf verwirrende Weise. Gitarrist James Iha setzt mit seinem grauen Anzug und seinem schelmischen Lächeln einen Kontrapunkt – Eleganz trifft Exzentrik. Und hinter dem Schlagzeug verschwindet Jimmy Chamberlin, der dritte im Bunde des Ur-Trios, als wäre er ein Schattenwesen, das nur durch seinen unnachgiebigen, unnachahmlichen Beat greifbar wird.

Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Unterstützt wird der Bandkern von Gitarristin Kiki Wong, die immer wieder wild auf der Bühne performt und das Publikum zum Mitklatschten und Mitsingen animiert, sowie Bassist Jack Bates. Die beiden sorgen für einen runden Sound der Band.

Der Anfang: Holpriger Start, schleichende Machtentfaltung

„Glass‘ Theme“ und „Heavy Metal Machine“ – beide aus dem experimentellen „Machina“-Kosmos – eröffnen das Set. Doch der Sound will noch nicht so recht zünden. Iha greift immer wieder an seine In-Ears, wirkt irritiert, und Corgans Gesang geht fast unter im dumpfen Mix. Es ist ein Fehlstart mit Verzögerung, beinahe symptomatisch für das Spätwerk der Band: viel Konzept, wenig Klarheit. Nach knapp zehn Minuten sind die Drums plötzlich mit Wucht da, der Bass präsent, der Gesang dynamisch, als hätte einer in der Technik einen Schalter umgelegt.

Tatsächlich kommt es später noch einige Male dazu, dass die Lautstärke ins besondere des Gesangs immer wieder abfällt, leider auch bei dem wunderbaren „Bullet With Butterfly Wings“, den Patti Smith kürzlich auf dem Roncalliplatz in Köln so schön gecovert hat. Erst bei „Where Boys Fear to Tread“ (von Mellon Collie And The Infinite Sadness, 1995) greifen die Zahnräder endgültig ineinander, und Corgans Stimme presst sich durch den Nebel.

Ein Set voller Rückgriffe – Mellon Collie als Zentrum

Neun Songs stammen von „Mellon Collie And The Infinite Sadness“, dem Opus magnum der Band, das in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert – und doch klingt, als sei es gestern erschienen. „Bullet With Butterfly Wings“ – mit seinem ikonischen Refrain „Despite all my rage, I am still just a rat in a cage“ – wird gefeiert, verliert aber am Ende an Wucht durch abermals abfallende Lautstärke im Gesang. Doch das Publikum kennt jedes Wort, füllt die Lücke mit Stimme und Gänsehaut.

Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Muzzle“ beginnt so abrupt, wie „Where Boys Fear to Tread“ aufhört, der Ohrwurm „Tonight, Tonight“ gerät zu einer Art sakralem Moment mit einem tollen Break am Ende. Bei „Disarm“ greift Corgan zur Akustikgitarre, getragen von Pathos, einem Streicherorchester aus der Konserve und der fast tranceartigen Stimme Corgans. Bei „1979“ wird getanzt. „999“ startet und endet mit diesen hammerschweren Riffs, am Ende liefern sich Corgan und Jack Bates ein unisono gespieltes Duett. Die Gitarre im Intro zu „Edin“ klingt fast wie eine Sitar. Mein Highlight: „Porcelina of the Vast Oceans“ – dieses fast zwölfminütige Epos, ebenfalls von Mellon Collie – wird zum dramaturgischen Höhepunkt: langsam sich aufbauend, eruptiv sich entladend, mit einem Gitarrensolo, das sich tief in die Nacht brennt.

Neue Songs, alte Formel – was ist aktuell an den Pumpkins?

Mit „Pentagrams“, „Edin“, „Sighommi“ und „999“ präsentiert die Band vier Songs aus dem aktuellen Album Aghori Mhori Mei (2025). Der Titel verweist auf hinduistische Mystik, auf spirituelle Randzonen – und genau dort verortet sich auch die Musik: düster, experimentell, geprägt von industriellen Rhythmen, schroffen Gitarrenwänden und okkultem Vokabular. Die Songs wirken sperrig, gelegentlich artifiziell, und doch faszinierend konsequent. Corgan bleibt seiner Rolle als Schöpfer einer abgeschlossenen, eigenen Klangwelt treu – einer Welt, in der es keine Trends gibt, nur Transformation.

Iha, der Menschenfreund – und das Bonner Currywurst-Orakel

Es ist James Iha, der mit seinem lakonischen Humor immer wieder Leichtigkeit in die apokalyptische Soundwelt bringt. „Jesus Christ, Bonn! What are you doing?“, ruft er und verspricht 17 weitere Songs – nur um sich kurz darauf zu entschuldigen, er habe sich in der Zahl verirrt. „Lost in Translation“, lacht er und erkundigt sich nach dem letzten Currywurst-Konsum des Publikums. „I had Currywurst yesterday. It’s a great thing“, ruft er anerkennend aus. Der Mann weiß, wie man Brücken baut – mit Charme und ironischem Understatement.

Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Die letzten Songs – „Cherub Rock“ mit dieser epischen Gitarre, „Bodies“, „Ava Adore“, bei dem Corgan sich im roten Scheinwerferlicht tief am Rande der Bühne beugt wie ein teuflischer Geistlicher, „Zero“, „The Everlasting Gaze“ – sind pure Energie. Sie stammen aus Siamese Dream (1993), Adore (1998) und Machina/The Machines of God (2000), drei Alben, die exemplarisch stehen für das Spektrum der Band: Grunge, Goth, Industrial. In „Bodies“, einem der kompromisslosesten Songs des Mellon Collie-Albums, brüllt Corgan sich in kalter Ekstase durch den nihilistischen Refrain: „Love is suicide“ – ein Satz wie ein Schlag ins Gesicht, radikal und verletzlich zugleich. Der Song bleibt eines der stärksten Beispiele für den inneren Abgrund, den die Pumpkins stets mit Würde vertont haben.

Dann ist plötzlich Schluss. Keine Zugabe. Kein Abschiedswort. 

Die Smashing Pumpkins in Bonn sorgen auf jeden Fall für ein zweistündiges Erlebnis zwischen Kult und Krach, sakraler Pose und menschlicher Nähe. Sie sind vielleicht nicht mehr die Speerspitze des Alternative Rock – aber mit ihnen ist immer noch zu rechnen. 

Und Billy Corgan? Er segnet uns weiter.

Ob wir wollen oder nicht.

Tolles Bühnenbild: Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Setlist Smashing Pumpkins, KunstRasen Bonn, 5. August 2025:

Glass‘ Theme
Heavy Metal Machine
Where Boys Fear to Tread
Pentagrams
Today
Bullet With Butterfly Wings
Muzzle
1979
Edin
Porcelina of the Vast Oceans
Sighommi
Mayonaise
Take My Breath Away (Berlin cover)
999
Disarm
Tonight, Tonight
Cherub Rock
Jellybelly
If There Is a God
Bodies
Ava Adore
Stand Inside Your Love
Zero
The Everlasting Gaze

Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Smashing Pumpkins auf dem KunstRasen Bonn 2025. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski