Von Peter „Beppo“ Szymanski
Gute Livestimmung, guter Sound, ordentliche Auftritte, wenige echte Highlights und kleine technische Pannen: So lässt sich aus meiner Sicht der erste Tag von Rock am Ring 2024 zusammenfassen. Nach etwas Verzögerungen beim Einlass ein erstes Ärgernis: Ich lade meinen Bezahlchip mit 50 Euro auf – die aber dann später beim Bezahlen nicht auftauchen. Das Konto zeigt „0“. Das könne schon mal etwas länger dauern, heißt es an einem Stand. Ich versuche es eine Stunde später noch mal: „0“. Ich lade weitere 25 Euro auf, die dann doch auf dem Chip landen. Die vorherigen 50 Euro – lost in Space! Auf dem Festivalgelände gibt es leider keine Ansprechpartner für solche technischen und ärgerlichen Fehler. Das sollte man in Zukunft vielleicht mal ändern.
Kommen wir zur Musik. Sandra Nasic und die Guano Apes setzen auf der Utopia Stage vor allem auf altgediente Songs wie „Open Your Eyes“ oder „Oh, What a Night“. Überraschung und wirklich gut interpretiert: „Big in Japan“ von Alphaville und „Lose Yourself“ von Eminem. Ansonsten ist es für mich ein Auftritt, der nicht nachhaltig nachhallt.
Royal Blood bei RAR2024
Das ist bei Royal Blood schon anders. Das 2013 gegründete britische Garage- und Bluesrock-Duo hat mit ihrem ikonischen Sound eine feste Fanbase aufgebaut. Kerrs charakteristischer Sound, für den er eine Reihe von Pedalen und Verstärkern benutzt, um sicherzustellen, dass seine Bassgitarre gleichzeitig wie ein Bass und eine Gitarre klingt, hat schon etwas magisches.
Die Band legt direkt mit „Out of the Black“ los. „Boilermaker“ ist der erste, der ernsthaftes Headbangen in Gang brachte. Der rhythmische, leicht verzerrte Beat von Kerrs Gitarre trieb die Menge einfach nach vorne. Auf „Mountains at Midnight“ und „Come on Over“ haben die Fans in der ersten Reihe offenbar schon gewartet. Darren James an den Keyboards und im Backgroundgesang verleiht den Songs eine weitere Ebene.
„Lights Out“ scheint die Menge weiter nach vorne zu treiben, Kerr und Thatcher, beide in schwarzen T-Shirts, legen einen Gang höher, als sie „Trouble’s Coming“ anstimmen, das mehr von diesen mitreißenden Rhythmen enthält, die dich kaum noch ruhig stehen lassen. „Little Monster“ ist ein echter Hit und die Fans singen ihn lautstark mit. Thatchers großer Auftritt mit einem Schlagzeugsolo ist ein Intro für „How Did We Get So Dark?“, bei dem Kerrs beinahe schon Falsettgesang dem Song wirklich den letzten Schliff verleiht. Echt starker Auftritt.
Kerry King, Queens of the Stone Age
Was gab es noch? Die deutschen Metal-Ikonen Kreator, der legendäre Slayer-Gitarrist und -Songwriter Kerry King, bei dem es erstaunlicherweise ziemlich leer vor der Bühne war. „Diablo“ kommt noch vom Band bevor der Ex-Slayer mit „Where I Reign“ fast mit einem schreienden Sprechgesang und höllisch schnellen Gitarrenmomenten beginnt und den Fans gleich zeigt, wo bei ihm der Hammer hängt.Und nein, die Fans wurden nicht enttäuscht. Mit „Black Magic“, „Disciple“ und „Raining Blood“ gab es gleich drei Nummern von Slayer zu hören.
Dann gab es die Kultpunker Descendents, die Folk-Punk-Urgewalt Dropkick Murphys, die wir mittlerweile zweimal (in Wacken und auf dem KunstRasen in Bonn) erlebt haben und die gewohnt dynamisch Stimmung machen. Die Stoner-Rock-Helden Queens of the Stone Age starteten für meine Begriffe sehr stark und ließen dann immer mehr nach.
Chino Moreno von den Deftones ist ein Live-Erlebnis. Das hat er die Jahre zuvor schon hier bewiesen. Hammerauftritte! Jetzt kommt er mit dem Produzenten und Multiinstrumentalisten Shaun Lopez und ihrem Projekt ††† (Crosses). Neun Jahre nach ihrem Debüt merkt man Crosses (†††) eine innere Reife an. Ihr Elektro-Pop ist synthetischer, aber auch härter geworden und erinnert bisweilen an Depeche Mode.
Fit For A King, Beartooth, Die Ärzte
Wuchtig mit dröhnenden Drums und schreienden Gitarren startet Fit for a King ihr Konzert. „The Hell We Create“ ist ein brutaler Starter, der keine Zeit zum Aufwärmen lässt. Beeindruckender Auftritt mit einer Musik zwischen Brutalo-Metal und melodischen Momenten.
Eindeutiger Höhepunkt des Tages: Beartooth. Die Hardcore-Band aus Columbus, Ohio, hat diesmal sogar ein Akustikset dabei, und Frontmann Caleb Joshua Shomo trägt zu jedem Stück ein anderes Outfit. Eine Reminiszenz an Taylor Swift? Wir wissen es nicht. Aber es ist sicherlich ironisch gemeint, vor allem wenn er zwischendurch ein pink-farbenes Hemd überzieht. Vielleicht soll es aber auch an das Cover des aktuellen Albums erinnern.
Shomo gibt wieder gewohnt alles. Der Mann springt, hüpft, schreit und singt sich die Seele aus dem Leib, als wäre es der letzte Gig, für den er alle Energie rauslässt. Beeindruckend.
Bei den Ärzten auf der Hauptbühne ist Politik und Haltung selbstverständlich. „Bitte wählt am Sonntag keine Arschlöcher“, sagt Farin Urlaub, bevor Bela B, der gewohnt seine Drums im Stehen spielt, „Doof“ anstimmt. „Niemand wählt Nazis nur aus Unwissenheit/Ihre Agenda ist doch hinlänglich bekannt/Nazis sind Nazis, weil sie Nazis sein wollen/Und meine Oma hat den Grund dafür gekannt.“ Wer will ihnen da widersprechen? Die vielen zehntausend Fans jedenfalls nicht. „Schrei nach Liebe“ gibt es natürlich auch an diesem Abend, aber erst viel viel später. Dazwischen liegen noch viele Songs aus 41 Jahren…