Nein, nicht schon wieder ein Musiker, der mit einer Loop-Station Melodiephrasen erzeugt, dachte ich mir zunächst, als Frederik Köster schon beim zweiten Stück („Ocean Park“) zum elektronischen Hilfsmittel griff. Doch der Trompeter setzte es glücklicherweise sehr wohldosiert ein – und erwies sich am Ende des siebten Bonner Jazzfest-Abends als Glücksgriff oder, wie Moderator Thomas Heyer feststellte, als „Entdeckung“.
In der Tat zog sicherlich viele Besucher der wesentlich bekanntere Name der Ausnahme-Perkussionistin und Schlagzeugerin Marilyn Mazur in die fast ausverkaufte Bundeskunsthalle, die man übrigens zu den besten Konzertstätten des Festivals zählen darf. Trotz der ausgezeichneten Besetzung ihrer Band Celestial Circle (Josefine Cronholm – Gesang, John Taylor – Klavier und Klavs Hovman – Bass) blieb die Truppe unter ihren Möglichkeiten, und das hatte keineswegs mit ihrer ausgezeichneten Leistung zu tun. Doch das Programm des Quartetts blieb ohne nachhaltigen Eindruck, ohne Spannung und Steigerungen, seltsam konturlos.
Die zum Teil zu esoterisch arrangierten Stücke, die überwiegend von der Bandleaderin selbst stammen, einige wenige von Taylor, „Josolo“ von Josefine Cronholm. Schon der Opener „Kilden“ begann mit der Entrücktheit eines buddhistischen Tempelordens und dem Gesangspathos indigener Heilkünstler. Bei „Antilope Arabesque“ bewiesen John Taylor und Klavs Hovman ihre felsenfeste Präsenz. Bei Hovman setzt jeder Ton eine Marke, sein Solo war eine Wohltat. Marilyn Mazur zeigte sich zwar vielseitig und bewies warmherzige Ideenvielfalt, Josefine Cronholm präsentierte ihren beeindruckenden Stimmumfang und damit die beispiellose Beherrschung ihres Instruments – dennoch blieb der Gesamteindruck eher prunklos.
Ganz anders Frederik Kösters „Verwandlung“, wie er seine Band angelehnt an eine Erzählung von Kafka nennt.
Überhaupt spielt die Literatur in seinen Kompositionen eine große Rolle. Doch zunächst zu seinen Bandkollegen: Drummer Jonas Burgwinkel löst bei den Zuhörern immer ein Lächeln der Freude aus. Dieser brillante Schlagwerker löste schon zwei Tage zuvor als Mitglied des Hanno Busch Trios Begeisterungsstürme aus. Geradezu unbeeindruckt schuf der 33-jährige Kölner außerordentliche Rhythmuskulissen, die der Musik von Frederik Köster eine weitere Raumtiefe gaben. Was er an Drum Fills bietet, ist eine Kunst für sich.
Pianist Sebastian Sternal kennt man von so vielen unterschiedlichen Projekten, mit seinem Orchester Sternal Symphonic Society hat er schon vor vier Jahren einen unvergessenen Höhepunkt beim Bonner Jazzfest gesetzt und erhielt dafür 2013 verdient den Echo Jazz. Als Pianist, auch international von Leuten wie Dee Dee Bridgewater gefragt, ist er gleichermaßen beeinflusst von der deutschen Klassik wie von komplexen Jazzstrukturen. Seine Größe beweist Sternal nicht nur bei seinen gestikreichen Soli am Flügel, sondern auch mit effektvollen Farbtupfern am Fender Rhodes.
Bassist Joscha Oetz passt mit seinem Faible für weltbürgerliche Improvisationskunst ganz hervorragend in diesen grenzüberschreitenden Kosmos: Er ist ein klanglicher Brückenbauer – egal, ob er sich stoisch begleitend im Hintergrund hält oder bei Gefühlsausbrüchen auch mal sein Instrument geradezu malträtiert.
Dass das alles so gut funktioniert, dafür sorgt Frederik Köster mit seinen Kompositionen, die den einzelnen Künstlern viel Raum lassen. Er selbst ist der deutsche Hoffnungsträger an der Trompete. Solch einen selbstbewussten Sound hört man selten. Auch wenn so manches, wie etwa „Ocean Park“ an Nils Petter Molvær erinnert, es ist weniger der Trompetensound, sondern der Mut, sich an etwas Neues heranzuwagen. Kösters Musik, seine Referenzen an Autoren wie James Joyce, Haruki Murakami oder Kafka mögen intellektuelle Huldigungen sein, die Musik indes kommt aus einer großen Seele. Wir werden von Köster sicherlich noch viel hören. Die Truppe setzte beim Jazzfest einen wichtigen Markierungspunkt.
(Cem Akalin)