Diese Doppel-CD ist sogar für echte Frank Zappa-Kenner eine Entdeckung. „Zappa ’75: Zagreb/Ljubljana“ (Zappa Records/UMe). Es fällt nicht nur wegen der kurzlebigen Besetzung aus dem Rahmen. Die Band bestand aus Andre Lewis (Keyboards), Napoleon Murphy Brock (Tenorsaxophon und Leadgesang), Norma Bell (Altsaxophon, Gesang), Roy Estrada (Bass) und Terry Bozzio (Schlagzeug). Zu seinen Lebzeiten hat Zappa selbst nie etwas mit dieser Band veröffentlicht. 2008 wurde „Joe’s Menage“ veröffentlicht, eine Konzertaufzeichnung aus Williamsburg am 1. November 1975.
Von Dylan Akalin
Es war das Jahr, das für die wunderbaren Alben „One Size Fits All“ und die Tour mit Captain Beefheart und das Live-Album „Bongo Fury“ stand. FZ hatte in dem Jahr wohl noch mit verschiedenen anderen Besetzungsarten experimentiert, unter anderem mit Novi Novog, der amerikanischen Bratschistin, die schon mit Bands wie den Doobie Brothers oder Montrose spielte, oder Robert ‚Froggy‘ Camarena, der auf dem Album „Ruben And The Jets“ mitwirkte. Aber irgendwie funkte es wohl nicht so recht. Als das Angebot kam, zwei Konzerte im damaligen Jugoslawien zu spielen, brachte er die o.g. Band zusammen und kündigte sie auf der Bühne als „The Mothers of Invention Yugoslavian Extravaganza“ an.
Die Konzerte fanden fand am 21. und 22. November 1975 in Zagreb und Ljubljana (heute die Hauptstädte Kroatiens und Sloweniens). Die Qualität ist gut, aber nicht so gut, wie man es sonst von Zappa-Aufnahmen gewohnt ist. Grund ist, dass die Shows semiprofessionell aufgenommen wurden, und zwar auf einem seltenen ½“-8-Spur-Format. Die Bänder wurden zwar in mühevoller Kleinarbeit verarbeitet und mehrfach überspielt, bis endlich ein ordentlicher Transfer aller Spuren vorlag. Dennoch ist der Sound bisweilen etwas dumpf.
Das tut dem Genuss aber wirklich keinen Abbruch. Das Programm ist interessant: Neben ein paar Klassikern des Mothers-Repertoires, sind auch ein paar aktuelle Songs dabei, aber auch jede Menge Material, das erst später auf Platte erscheinen soll. Manchmal denke ist, FZ hat die Konzerte auch zum Testen von neuem Material genutzt. Und : Die Effektivität der etwas reduzierenden Bandbesetzung ist faszinierend.
Herrlich ist der Poodle-Vortrag, den man ja auch u.a. vom Roxy & Elsewhere-Album kennt. Roy Estrada spielt übrigens das erste Mal seit 1969 wieder den Bass in der Band. Bei „How Could I Be Such A Fool“ kommt ein wenig „1971 Fillmore East“-Stimmung auf. Und auch „I Ain’t Got No Heart“ hat noch dieses spontan-wirkenden Rocktheater-Feeling. Für mich war es immer eines der Highlights auf Zappa-Konzerten: „Black Napkins“. Die Backgroundgesänge von Roy machen es zu einem nostalgisch-schönen Erlebnis. Und Norma Bell zeigt ihr Gefühl auf dem Sax. Eine tolle Version!
„The Illinois Enema Bandit“ spielt Zappa drei Jahre, bevor er es auf „In Ney York“ veröffentlicht. Ein wenig merkwürdig, dass FZ dem jugoslawischen Publikum auf Deutsch erklärt, was ein „Enema“ ist, nämlich eine „Klistierspritze“. Vermutlich gefiel ihm einfach das schwierig auszusprechende deutsche Wort. Der Song hat mindestens so viel Energie wie die berühmte Version auf dem Live-Album von 1978.
Damals ganz aktuell: „Carolina Hard-Core Ecstasy“ war gerade auf „Bongo Fury“ erschienen. Diese surreale Geschichte über Carolina, deren Haar aus Kunstseide war und einen Buntstift von Milton Bradley trug und die ein paar riesige Quadratlatschen in einer Papiertüte mitbrachte und einen etwas schrägen Fetisch hatte, hat diese unheimlich tief ins Ohr und unter die Haut gehende Melodie. Typisch Zappa halt, der gerne diese Widersprüche in seinen Stücken hatten.
Das zweiteilige „Chunga’s Revenge“ hat hardrockige und experimentelle Parts, geht teilweise gar ins Psychedelic-Rockige. Das abgefahrene Sopransaxofon von Norma Bell klingt bisweilen frappierend nach Querflöte und wird in seiner wilden Schlussphase vom Keyboard aufgenommen und fortgesetzt, bevor FZ mit einem ruhigen, leicht orientalisch anmutenden Gitarrensolo beginnt.
Auch „Zoot Allures“ soll erst ein Jahr später auf dem gleichnamigen Album erscheinen. Es klingt hier roher, weniger durchkomponiert, als in späteren Versionen. Da ist noch viel Spontaneität drin, ein interessantes Spiel mit Harmonien und Techniken. Als Bonus-Track gibt es noch eine Version des Songs, das schon sehr viel näher an das herankommt, das wir kennen.
„Filthy Habits“ wird hier als „Prototype“-Version aufgeführt. Erstmals erscheint der Song auf „Sleep Dirt“, dem rein instrumentalen Fusion-Album von 1979. Auch hier wurden die Fans Zeuge einer Uraufführung, eines ersten Herantastens und Experimentierens mit einem Grundkonzept. Auch „Wind Up Workin‘ In A Gas Station“ gibt es als Bonus Track und Prototyp. Ziemlich fette Riffs, das Thema wird von einem dröhnenden Bass gespielt, die Gitarre flippt im weiteren Verlauf total aus. Das Solo ist einfach fantastisch. Das Stück hat Wildheit, etwas Grobes, da steckt noch ganz viel von dieser unbändigen Lust am Improvisieren drin.
Die Version von „Muffin Man“ auf „Bongo Fury“ gehört für mich zu einem der stärksten Stücke im Zappa-Repertoire, insbesondere wegen des leidenschaftlichen Gitarrenspiels. Auf dem vorliegenden Live-Album wirft sich FZ wieder voll ins emotionsbetonte, aber diesmal etwas rhythmischer, vielleicht sogar etwas ironische Spiel mit Wah-Wah-Sounds und Gleichmaß.
Endlich wieder ein Frank Zappa-Album, auf dem es was zu entdecken gibt – und das richtig Spaß macht! Pflichtkauf!
Am 14. Oktober erscheint „Zappa ’75: Zagreb/Ljubljana“ auf Zappa Records/UMe