Von Dylan Akalin
Die Intention ist klar: Nach der erfolgreichen Neuinterpretation von „Pictures at an Exhibition“ von Modest Mussorgsky, wobei Voyager IV auf den Pfaden der Progrock-Pioniere Emerson, Lake & Palmer (ELP) wandelten, wollten der Bonner Pianist und Keyboarder Markus Schinkel und Sänger Johannes Kuchter ein neues Projekt in Angriff nehmen. Die Wahl fiel auf „Rheingold“. Die Idee: Die lokale Heimat, die fantastische Sagenwelt und Richard Wagners musikalische Welt konzeptionell verbinden, die Klassik in die Gegenwart holen und mit Elementen aus Jazz, Rock und elektronischer Musik aufladen. Das Ergebnis ist ein Konzeptalbum, aufgenommen in den Real World Studios im englischen Bath, das die Grenzen der klassischen Musik überschreitet und eine Neuinterpretation des Rheingold-Stoffes darstellt. Am Freitag stellte das Quartett, zu dem noch der niederländische Drummer Wim de Vries und Bassist Fritz Roppel gehören, live in der Harmonie Bonn vor. Zu kaufen gab es das Album bei der Releaseparty indes nicht – es sei noch nicht klar, auf welchem Label das Werk erscheinen solle, hieß es.
„Rheingold“
In „Rheingold“ begegnet man einer Klanglandschaft, die nicht nur klassische Leitmotive von Wagner aufgreift, diese geschickt transformiert und neu aufbereitet. Die Band schöpft jede Menge Inspiration aus den Tiefen des Jazz, Latin-Funk und progressive Rock. Schon im ersten Song („The River“) tauchen Hexen auf, der Strom des Rheins zum Meer wird begleitet mit Impressionen auf der Leinwand, begleitet vom satten Bass und perlenden Pianoläufen. Ein bombastischer Einstieg des Schlagzeugs und eine Ahnung von Progrock folgt erst beim zweiten Track „Follow The Stars“, wobei es Schinkel versteht, mit balkanesken Harmonien dem Song neue Wendungen zu geben.
Voyager IV beherrscht das Spiel zwischen den musikalischen Welten durchaus: Schinkel und seine Mitmusiker schaffen es, zwar die Intensität und Dramatik Wagners aufzugreifen, jedoch die oftmals als schwerfällig empfundene Gravität der Originalkompositionen beiseitezuschieben. Man muss bisweilen schon sehr genau hinhören, um noch Spuren des strengen Meisters zu entdecken, was durchaus als Pluspunkt zu verstehen ist. Der Jazz-Einfluss ist sehr präsent, bei „Freya’s Cats Car“ blitzen gar Einflüsse von Chick Corea auf (mit dem Motiv aus „Spain“). „The Dragon“ lebt geradezu vom jazzigen Groove und den Tempiwechseln. Am Ende nimmt das Bedrohliche mit zusätzlichen Sirenensounds noch einmal zu.
Jazz, Rock und Elektronik
Die konzeptionelle Idee ist durchaus reizvoll, wenn Sänger Kuchta indes anmerkt, er könne mit Fantasy-Motiven wenig anfangen, ist es schwer, den Texten so viel Tiefe zu geben, damit sich die einzelnen Stücke auch szenisch entfalten können. Die Lyrics hätten noch etwas mehr Schliff nötig gehabt, um der Geschichte von Macht und Verführung, die das Rheingold ausmacht, auch wirklich rüberzubringen. Kuchta ist immer dann stark, wenn er straight bei seinem Gesang bleibt, eine gute Stimme hat der Mann auf jeden Fall.
Die Entscheidung, neben Jazz auch Elemente aus der Rockmusik und Elektronik einzubauen, gibt den Kompositionen zwar vereinzelt einen modernen Drive und einen rhythmischen Puls, andererseits führt es auch dazu, dass es bisweilen beliebig wirkt. Es fehlt die Intensität des Prog-Rock, der zwar immer wieder aufblitzt, aber schnell verglüht, die Jazz-Rock-Fusion überwiegt.
Virtuose Musiker
Die Virtuosität der einzelnen Musiker ist unbestritten: Schinkels dynamisches Pianospiel, das mal als verbindendes Element fungiert und dann wieder im Vordergrund steht und immer wieder die musikalische Führung übernimmt, sein kreativer Umgang mit den elektronischen Soundmöglichkeiten bieten jede Menge Abwechslung und setzen nachhaltige Akzente. Fritz Roppels Spiel auf dem sechssaitigen Bass bringt eine nicht unerhebliche zusätzliche Ebene in diesem Klanggefüge. In dieser progressiven, genreübergreifenden Band nutzt Roppel den Bass nicht nur als rhythmisches Fundament, sondern auch als melodisches Element. Die Mischung aus Jazz, Rock und klassischen Einflüssen ermöglicht ihm, harmonische Schichten zu schaffen, die sowohl die Bandbreite des Basses als auch seine Dynamik und klanglichen Tiefen voll ausschöpfen. Roppels Ansatz vereint das präzise Timing und die Technik des Jazz mit der Wucht des Rocks, wodurch er sowohl akzentuierte als auch sanftere, subtile Basslinien spielerisch einbaut.
Einfach nur fantastisch auch Wim de Vries, der ja bekannt ist für seinen vielseitigen und kreativen Schlagzeugstil, der besonders durch sein Projekt „The Drumbassadors“ mit René Creemers geprägt wurde. Gemeinsam haben sie europäische, afrikanische und amerikanische Einflüsse zu einem einzigartigen Mix aus Rhythmen und Melodien verschmolzen, die mit Händen, Drumsticks und diversen Percussion-Techniken umgesetzt werden. Der Niederländer kann über die traditionellen Grenzen des Schlagzeugs hinauszugehen und eine musikalische Sprache zu schaffen, die melodische und rhythmische Komplexität integriert, tut er hier aber weniger. Allerdings setzt erdie absolut nötigen kraftvollen Akzente, spielt dichte Rhythmen als auch feine Nuancen.
Insgesamt ein eindrucksvoller Auftritt, bin gespannt, wie sich das Werk auf der CD anhört, wenn auch noch Streicher und Kirchenchor eingebunden sind.
Setlist:
Overture (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
The River (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
Follow The Stars (based on „Fräulein Loreley“, Paul Linke)
Samuel Goldenberg (From My Point Of View/altes Programm: Pictures At An Exhibition – Modest Mussorgsky)
The Dragon (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
Turn my back on love (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
Waters And Rocks (mit Motiven aus dem Loreley-Lied von Friedrich Silcher)
Losing a memory (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
Freyas Cat’s Car (mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
Ride Of The Valkyries ((mit Motiven aus „Ring der Nibelungen“, Richard Wagner)
The Great Gates Of Kiev (Daedalus Calling)