Lynyrd Skynyrd entfachen Southern-Rock-Flamme auf dem KunstRasen Bonn. Support Julian Sas und Simon McBride

Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Können Legenden weiterleben, auch wenn fast niemand der Originalbesetzung mehr auf der Bühne steht? Lynyrd Skynyrd liefern in Bonn vor rund 4300 Fans ein emotionales Southern-Rock-Feuerwerk – zwischen ehrfürchtiger Werktreue, mitreißendem Gitarrensturm und spürbarer Leidenschaft. Auch dank Johnny Van Zant, Rickey Medlocke und einer Setlist, die keine Wünsche offenlässt.

Von Dylan C. Akalin

Lynyrd Skynyrd schafft es auch im Jahr 2025, die Menge zu begeistern, Emotionen auszulösen, die Southern-Rock-Herzen zu erwärmen. Jedenfalls haben die rund 4300 Fans auf dem KunstRasen Bonn am Samstagabend die Band um Johnny van Zant gefeiert, als stünden da die Ur-Rocker aus Jacksonville, Florida.

Aber hat das alles noch was mit Lynyrd Skynyrd zu tun? Mit der Band, die mit „Sweet Home Alabama“ Rockgeschichte geschrieben hat? Die uns mit „One More From The Road“ eines der Top-Livealben des Rock beschenkt haben (und mit dem ich damals alle im Elternhaus und die ganze Nachbarschaft zur Weißglut gebracht habe, weil ich immer noch der Ansicht bin, dass man dieses Album mit VOLLER LAUTSTÄRKE hören muss)?

Ich war vor dem Konzert skeptisch, sehr skeptisch, ob dieses ausgelassene, wilde Zusammenspiel, der Dreck im Gesang, das Hymnische in so manchen Songs, dieses Wechselbad der Gefühle zwischen Tränen in den Augen und Faust ausstreckende Gemeinschaftsgefühl mit anderen Rockliebhabern noch so rüberkommt. Wird es vielleicht einfach nur eine gute Show einer guten Coverband sein?

Their Legacy Lives On“

Die Band macht gleich zu Anfang klar, dass sie sich als Erben sehen und nicht den Anspruch haben, Lynyrd Skynyrd neu zu erfinden. Das Video zeigt die Geschichte der vor 51 Jahren gegründeten Band, die bekanntlich viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte. Bilder der unvergessenen Rockikonen, die längst im Rockhimmel sind, wenn es ihn denn geben sollte. Am Ende steht mit großen Lettern auf der Leinwand: „Their Legacy Lives On.“

Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Als dann „Workin’ for MCA“ losbricht, ist der Jubel groß. Im Publikum sind zwar viele graue Bärte, weiße Matten, Rock-Shirts, Lederkutten und so mancher Biker dabei, aber erfreulicherweise auch viele junge Leute, junge Frauen in Hotpants und Cowboystiefeln, die ausgelassen tanzen. Klar, das ist eine Show für Fans, von denen nicht wenige die US-Flagge oder gar die Alabama-Flagge mit dem roten Andreaskreuz tragen. Und sie sollen nicht enttäuscht werden.

Indes: Ja, die Dampfdüsen auf der Bühne geben was her, und Rickey Medlockes erstes kurzes Solo lässt auch aufhorchen.

Die Stimme des Erbes: Johnny Van Zant

Johnny Van Zant steht in der Mitte der Bühne, vom Mikrofonstände hängt die amerikanische Flagge, und auch auf seiner Brust sind die Stars and Stripes zu sehen. Nein, natürlich ist er nicht sein Bruder Ronnie. Und „Workin‘ for MCA“, „What’s Your Name“, „You Got That Right“ und „That Smell“ klingen bei ihm auch mehr nach Country als nach Rock. Vielleicht eine Spur zu nasal, zu schön, zu glatt und mit einem Southern-Twang. Ich vermisse den Druck, den diesen trotzigen, eigenwilligen Rotz in der Stimme. Und dann ist er plötzlich da. „Bei „Saturday Night Special“ beginnt van Zant zu pressen, er kämpft sich nach vorne gegen die Gitarrenattacken, Medlocke fletscht die Zähne, grinst breit, während er den Riff auf seiner Gibson Explorer hart anschlägt. Scheint ihm also auch aufgefallen zu sein.

Lynyrd Skynyrd in Bonn. FOTO: Dylan Akalin

Johnny hat auf jeden Fall das Herz am rechten Fleck, nimmt das Publikum gut mit. Bei „The Needle And The Spoon“ kommt er seinem Bruder noch am nächsten, bei „Tuesday’s Gone“, einer berührenden Hommage an den vor zwei Jahren verstorbenen Gitarristen Gary Rossington, wird es fast zärtlich. Man glaubt ihm jedes Wort. Und in den Momenten zwischen den Songs – wenn er von seinem Bruder spricht oder an Gary Rossington erinnert – spürt man, dass diese Band ihre Geschichte nicht nur aufführt, sondern auch wirklich lebt.

Die drei Gitarren: Ein Southern-Rock-Monument

Was Lynyrd Skynyrd seit jeher ausmacht, sind ihre Gitarren – und auch in Bonn liefern die drei Axtmänner ein echtes Powerhouse. Allen voran Rickey Medlocke, der mit seinen weißen langen Haaren und der unbändigen Spielfreude oft die ganze Bühnenbreite einnimmt. Sein Gitarrensound ist höhenbetont, was ihn von den anderen beiden abhebt, seine Soli bei „Gimme Three Steps“ und „Call Me the Breeze“ sind wild, bluesig und voller Southern-Dreck. Er ist schon irgendwie der Spiritus Rector dieser Bühne – zwar nicht unbedingt im Vordergrund, aber immer spürbar.

Signature-Licks bei „Tuesday’s Gone“

Der stets lächelnde Mark Matejka bringt den melodischen Gegenpol. Er zitiert Rossingtons Signature-Licks bei „Tuesday’s Gone“ fast originalgetreu, spielt mit viel Gefühl, klarer Phrasierung und einem schönen, warmen Ton.

Dritter im Bunde ist Damon Johnson, der neue Gitarrist, der seit Rossingtons Tod fest an Bord ist. Wir kennen ihn ja von Brother Cane, und er bringt moderne Rockkante ins Trio. Ich habe den Eindruck, dass er technischer, präziser ist, indes ist seine Gitarre, jedenfalls an meinem Standort, nicht so brillant eingestellt, wie die der anderen. Er hat häufig auch nur kurze Soloeinsätze. Rossington soll ja verfügt haben, dass sein Nachfolger in der Band mit seinem Equipment seinen Stil weitertragen soll.

Werkgetreu

Und da wären wir wieder beim Eingangsthema: Tatsächlich sind viele Soli ziemlich werkgetreu wiedergegeben, selbst beim grandiosen Finale „Free Bird“ sind Piano und alle Gitarren sicherlich vom Original kaum zu unterschieden. Na und? Jedenfalls sind es zwölf Minuten Dauergänsehaut. Das Klavier im Intro spielt Peter Keys, jetzt im weißen Frack und weißem Zylinder bekleidet, ebenso inbrünstig und knallig wie einst Billy Powell. Und als dann noch Ronnies Silhouette erscheint und er im Mittelteil aus dem Off den Gesangspart übernimmt, während Johnny respektvoll die Bühne räumt, die Gitarren sich minutenlang steigern bis zu einem gewaltigen Sturm, schießt es selbst den harten Bikern die Tränen in die Augen. Drei Gitarren, die sich verweben, abwechseln, duellieren – Southern-Rock als orchestraler Dialog, während die Discokugel Sternen ins Publikum wirft. Mehr Gefühl geht da kaum noch.

Ronnie van Zant ist auch da – auf der Leinwand, die Stimme aus dem Off FOTO: Dylan Akalin

Ach ja, „Sweet Home Alabama“ ist natürlich auch Pflicht. Die Menge steht, grölt, tanzt. Und der Song erblüht wie eine alte Hymne, die durch kollektives Erinnern lebendig bleibt. 

Lynyrd Skynyrd sind nicht mehr die Band, die sie in den 70ern waren, sie sind die Fackelträger der Southern Rock-Legenden, würdige Träger eines Erbes, das weiterlebt, weil es echt bleibt. Die Stimme von Johnny Van Zant, die Gitarrenfront mit Medlocke, Johnson und Matejka – sie tragen diesen Sound mit Hingabe, Können und Haltung – ohne den Anspruch zu haben, Ronnie Van Zant († 1977), Larry Junstrom († 2019), Allen Collins († 1990), Gary Rossington († 2023) oder Robert „Bob“ Burns († 2015) gänzlich zu ersetzen. Dennoch: Einige Songs wurden leider nur in Kurzversion angespielt, rund 80 Minuten Spielzeit waren ein wenig zu kurz.

Support: Julian Sas

Zuvor hatte Julian Sas mit seinem Trio eine halbe Stunde Vollgas gegeben. Julian Sas eröffnet den Abend auf dem KunstRasen in Bonn mit einem wuchtigen Set, das sofort klarmacht: Dieser Support-Act ist alles andere als bloßes Aufwärmprogramm. Mit „Homefeeling“ groovt er sich direkt ins Publikum – ein erdiger Einstieg und einem SoloSolo mit viel Was-Wah- und Flanger-Effekten, der Sas’ Markenzeichen zwischen Blues, Rock und Southern-Flair deutlich macht.

Julian Sas supported Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

In „Miles and Memories“ trifft Melancholie auf Drive, Power auf Leidenschaft. Die Band spielt eingespielt und druckvoll, besonders in „Leave it up to You“, das sich mit seinem treibenden Rhythmus als echter Publikumsmagnet erweist. Die Menge, zu Beginn noch etwas verhalten, geht immer mehr mit.

Spätestens mit „World on Fire“ und „Stand Your Ground“ entfacht Sas das Bluesrock-Feuer vollständig. Seine Soli: roh, direkt und spielfreudig. In „Sugarcup Boogie“ wird’s funky, der Bass pumpt, das Schlagzeug groovt, die Gitarre jault – ein wilder Höhepunkt. Mit „Devil Got My Number“ endet das Set so kraftvoll, wie es begonnen hat.

Simon McBride: einfach brillant

Simon McBride, seit drei Jahren Gitarrist von Deep Purple, spielt 45 Minuten, und was er da mit seinem Trio präsentiert, ist einfach nur zum mit der Zunge schnalzen. Nicht nur, dass McBride trotz seiner unsagbaren Präzision viel Gefühl in sein Spiel integriert. Mit „Uniform of Youth“ zeigt er, wie mühelos er sich Klassiker aneignet, ihnen aber zugleich seinen eigenen, blitzsauberen Gitarrenstempel aufdrückt.

Der elegante Flow in „Lovesong“ kontrastiert wunderbar mit den schneidenden Riffs von „King of the Hill“, das McBride augenzwinkernd mit einem Zitat von Smoke on the Water würzt – ein kurzes Flackern der Rockgeschichte, bei dem sofort die Fäuste in die Höhe gehen.  Seine Virtuosität ist nie Selbstzweck: Jeder Lauf, jeder Ton sitzt da, wo er hinsoll, und das gelingt ihm auch mühelos, während er von einer Seite der Bühne zur anderen läuft – schnell, präzise, aber immer musikalisch.

Simon McBride supporter Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Mit „Just Takes Time“ bringt er mehr Seele ins Spiel, während K“ids Wanna Rock“ nicht nur als Bryan-Adams-Cover glänzt, sondern mit einem augenzwinkernden Intro aus „Black Night“ und einem Ausbruch von „Child in Time“ auch als tiefe Verbeugung vor Deep Purple. McBride feuert die Licks wie Lasersalven ab, stets kontrolliert, stets geschmackvoll. Zum Finale wird es mit „Show Me How to Love“ fast bluesig – als wollte er dem Publikum zeigen, dass hinter aller Technik vor allem eines steht: Gefühl. Dieser Mann hat mich mit seinem Auftritt voller Stil, Tempo und spielerischer Leichtigkeit begeistert. Simon McBride lässt seine Gitarre sprechen – schnell, klar, elegant.

Setlist Lynyrd Skynyrd KunstRasen Bonn 5. Juli 2025:

Workin‘ for MCA
What’s Your Name
You Got That Right
That Smell
Saturday Night Special
Down South Jukin‘
Gimme Back My Bullets
Cry for the Bad Man
The Needle and the Spoon
Tuesday’s Gone
Simple Man
Gimme Three Steps
Call Me the Breeze (J.J. Cale cover)
Sweet Home Alabama

Encore:

Free Bird

Setlist Simon McBride, Bonn KunstRasen, 5. Juli 2025:

Uniform of Youth (Mr. Mister cover)
Lovesong (The Cure cover)
King of the Hill (mit kurzem Anspiel von „Smoke on the Water“)
Just Takes Time
Kids Wanna Rock (Bryan Adams cover, Intro mit „Black Night“ und „Child In Time“)
Show Me How to Love

Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Der „Neue“ bei Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn: Damon Johnson. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bei Lynyrd Skynyrd am Keyboard: Peter Keys 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rickey Medlocke und Johnny van Zant: Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Rickey Medlocke: Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Simon McBride supportet Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Simon McBride als Vorband von Lynyrd Skynyrd 2025 auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Simon McBride auf dem KunstRasen Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski