Auf der Bühne der Harmonie kann man sich wohlfühlen. Jedenfalls lassen sich Laura Cox und ihre Band kaum etwas anmerken, dass sie vor leerem Zuschauerraum performen. Es muss ihnen gefallen haben – oder sie gehen ganz einfach in ihrer Musik auf. Die Französin liefert ab, und wie! Ein Spitzenabend am dritten Abend des Crossroads Festivals, das der WDR Rockpalast live per Stream überträgt. Zuvor spielte MaidaVale.
Von Dylan Cem Akalin
Der Rock’n’Roll-Zug rast gleich los. „Hard Blues Shot“ lässt der Band der französischen Ausnahmegitarristin und Sängerin Laura Cox keine Zeit, auf Betriebstemperatur zu kommen. Auch der zweite Titel „Bad Luck Blues“ lebt von riffbetonten, eingängigen Melodiephrasen.
Laura Cox wurde zum ersten Mal bekannt, als sie 2008 begann, ihre Gitarrenvideos auf YouTube zu veröffentlichen. Ihre Mischung aus modernem Feuer, zeitlosen Einflüssen und Internet-Know-how machte sie zu einer Online-Sensation mit über 60 Millionen Aufrufen und 250.000 Abonnenten, und sie erhielt Lob von Leuten wie Joe Bonamassa. Ihre Coverversionen von Songs von ZZ Top, The Band, Dire Straits und Johnny Cash weckten in ihr den Wunsch, sich auf die Straße und auf die Bühne zu bringen. Also gründete sie 2013 die Laura Cox Band mit dem Gitarristen Mathieu Albiac, einem weiteren jungen Spieler mit ähnlichem Geschmack für Musik zwischen Black Sabbath und ZZ Top.
Schleifpapier auf der Stimme
Und „Too Nice For Rock ‚N‘ Roll“ startet auch wie ein ZZ Top-Stück, schöne schmatzende Gitarrenriffs, etwas Rockgören-Attitüde. „Take Me Back Home“ startet die Endzwanzigerin gleich mit einer Demonstration ihrer virtuosen Fähigkeiten an der Gitarre. Alles zunächst relativ braver, straighter Rock, aber gut, dynamisch wie eine Lok, die sich durch die Prärielandschaft fräst. Plötzlich gibt es einen Break, und die Band macht weiter. Alles sehr routiniert, kompakt, ausnehmend abgebrüht.
„We need our Beertime“, sagt die Frau mit dem feinen Schleifpapier auf der Stimme. Das sei eine Art Tradition. Also wird erstmal mit „gutem deutschen Bier“ angestoßen, die Kehle gelöscht, und dann geht es mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
Ungemein präsent
„Last Breakdown“ beginnt mit einem geilen, ungemein präsenten Gitarrensound. Mein lieber Mann, das kann sie und singen auch, ganz leicht rauchig, mit der Haltung einer Truckerin, die schon jede Panne und jedes Unglück gemeistert hat, die nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. Und in dem Song geht es jetzt um eine Frau, die gerade von ihrem Typen verlassen wurde, durch eine leere Flasche Whiskey guckt und ihr Schicksal mit einem schiefen Lächeln hinnimmt. Schwach ist diese Frau auf keinen Fall. Nicht in dem Song – und ganz sicher nicht diese Frau auf der Bühne.
Laura Cox scheint diese Figuren mit den Brüchen den Biografien zu mögen. Um so jemanden geht es nämlich auch in „Looking Upside Down“. Cox mag Menschen, die im Moment des Scheiterns triumphieren, weil sie plötzlich verstehen, um was es geht… Und während sie diese Geschichten erzählt, lässt sie ihre Gitarre weinen und klagen und schreien und jaulen und jammern und donnern. Einfach klasse. Das Stück bewegt sich mit Midtempo auf der Southern Rock-Schiene und unterstreicht diesen eigenen Rockstil und ihre Qualitäten bei der Songwriting-Dynamik.
Es wird unberechenbarer und spannender
„Ja, mein Musikgeschmack hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt“, sagt sie mal in einem Interview. Als sie mit der Gitarre anfing, mochte sie all diese klassischen Rockbands von AC/DC, Aerosmith bis zu ZZ Top, aber in den letzten Jahren habe sie immer mehr neue Rockbands für sich entdeckt, Bands wie Blackberry Smoke, Black Stone Cherry, Airbourne, Halestorm. Und genau das hört man auch auf dem aktuellen Album „Burning Bright“. Auch auf der Bühne. Da ist eine dunklere Seite der jungen Frau herauszuhören. Das macht die Musik etwas unberechenbarer und damit spannender.
Und so verwundert es nicht, dass sie den Geist des Mississippi beschwört – jedenfalls zu Beginn von „River“. Doch der Song fließt nicht majestätisch dahin, sondern rast eher im Tempo des Colorado River durch die Schluchten des Grand Canyon. Und der Bluesrock bekommt einen ordentlichen Arschtritt von der Countryecke. Und hier zeigt auch Mathieu Albiac, dass er ein fantastischer Sologitarrist ist. Das zweite lange Solo kommt dann von Laura auf einer Telecaster, und diese Frau hat wirklich auch Feuer in den Fingern. Die Stücke sind alle sehr gekonnt arrangiert, liegen dicht über dem Asphalt, wie ein tiefgelegter Mustang. Laura Cox und Mathieu Albiac – da haben sich zwei getroffen, die sich offenbar unglaublich gut ergänzen.
Neue Bassistin Marine Danet
„Barefoot in the Countryside“ ist eine schöne Ballade, zu der die neue Bassistin Marine Danet eine schöne zweite Stimme im Chorus singt. Laura schnallt sich hier die Akustische um. Natürlich bleibt es nicht bei einem gemächlichen Treiben, Laura Cox‘ Finger flitzen nur so über den Hals der Les Paul.
„Fire Fire“ erinnert streckenweise an Kenny Wayne Shepard, ziemlich dynamisch mit souligen Blues, anrüchig und knochentrocken, mit einem starken Auftritt der Cox im Mittelteil. Da lässt sie die Gitarre jaulen, rasen, quietschen wie ein außer Kontrolle geratener Zug. Die beiden Gitarren rocken immer härter und schwerer. Die Band baut mit der stets sicheren Unterstützung von Drummer Antonin Guerin Druck auf wie im Kessel einer durchgedrehten Lok, der dann aber weder entgleist noch abhebt, sondern jede Kurve elegant nimmt und dann in der Ferne verschwindet.
„If You Wanna Get Loud Come to the Show“
Zeit für einen Alleingang: Mathieu Albiac spielt ein explosives Gitarrensolo auf seiner SG, eine Mischung aus schnellen Läufen und herausgepressten Tönen, bis dann Laura Cox einsteigt und die beiden sich eine Weile die Bälle zuwerfen, bis er dann mit Band die Zügel übernimmt, und da erinnert er ein wenig an Slash, wie er seine Gitarre bearbeitet und dabei sein Gesicht hinter der Lockenpracht verbirgt. Ziemlich cool, wie das Spiel dann in „The Australian Way“ einmündet.
„We have a great Rock ‚n‘ Roll time on stage“, ruft Cox, und man glaubt es ihr sofort. Bei „As I Am“ zeigt sie, dass sie die Gitarre auch akzentuiert einsetzen kann. Die Frau weiß, wie es geht, sie muss nicht bei jeder Gelegenheit, lostrillern. Nach dem obligatorischen Schlagzeugsolo geht es dann in eine rasante Coverversion von Pat Benatars „Heartbreaker“. Was für ein Rausschmeißer! Dann klettert Mathieu dann noch auf seine Orange Box und springt auf die Bühne, während die Band nochmal alles gibt und singt: „If You Wanna Get Loud Come to the Show“, das nahtlos übergeht in das Stück „Freaking out Loud“. Mehr kann man von einer Rockshow nicht verlangen – bis aufs fehlende Publikum. Heute Abend geht es in das letzte Doppelkonzert.