Von Dylan Akalin
Das war vielleicht das beste Konzert, das ich von Julian Sas gesehen habe. Allein die ersten vier Stücke, „Home Feeling“, „World On Fire“, „Leave It Up To You“ und das emotionale „Falling From The Edge Of The World“ sind an diesem Samstagabend eine einzige Bezauberung. Da stimmt alles: Energie, intelligente Soloaufbauten, Power und Sound. Umso verwunderter bin ich, als ich hinterher von Julian im Gespräch erfahre, dass er gar nicht so zufrieden war. Deshalb habe er auch die zunächst recht abgewetzt aussehende Fender Strat gegen eine weiße Fender, ebenso mit einigen Schrammen, ausgetauscht. Der Sound der aggressiven Gitarre liegt für mich sehr nah an Jimi Hendrix, aber mit einigen wärmeren Noten drin. Vor allem bei „Leave It Up To You“ hat Julian einen Ansatz, bei der die Gitarrenläufe so schmutzig und verwegen klingen, als kämen sie direkt aus der Gosse. Einfach großartig!
„Falling From The Edge Of The World“
Der Flanger-Effekt im Intro zur Ballade „Falling From The Edge Of The World“ zieht einem direkt unter die Haut. Das zweite Solo beginnt er mit sehr sparsamen Noten, hier zählt der Effekt des Ausdrucks. Julian steht in der Mitte der Bühne, krümmt sich, beugt sich über sein Instrument, jeder einzelne Ton scheint ihn zu schmerzen. Das Publikum flippt danach zurecht total aus.
Der Holländer beeindruckt an diesem Abend mit einer Mischung aus technischer Präzision, emotionaler Tiefe und dynamischer Vielfalt. Sein Spiel ist geprägt von kraftvollen, erdigen Riffs, die häufig mit bluesiger Eleganz kombiniert werden. Dabei ist sein Stil sowohl traditionell als auch innovativ: Er zitiert klassische Bluesgrößen wie Albert King, Stevie Ray Vaughan und Jimi Hendrix, bringt jedoch stets eine persönliche Note ein, die ihn unverwechselbar macht.
Melodische Soli mit Seele
Was bei Sas besonders hervorsticht, ist sein Gespür für Melodien. In Songs wie „Falling From The Edge Of The World“ oder „Where Will It End“ glänzt er mit emotional aufgeladenen Soli, die nicht durch Geschwindigkeit, sondern durch Ausdruck und Gefühl bestechen. Jede Note scheint sorgfältig gewählt, und Sas hat ein Talent dafür, Spannungsbögen zu erzeugen, die den Zuhörer tief berühren. Sein Vibrato ist warm und kontrolliert, fast singend, und erinnert an die großen Blues-Legenden.
Roh und voller Energie
Auf der anderen Seite zeigt er bei Stücken wie „Stand Your Ground“ und „Turpentine Moan“ eine rohe, ungezähmte Seite. Das wilde Intro beim ersteren Song ist hinreißend, und dann mischt er zwischendurch noch ein paar funky Rhythmen ein. Toll!. Hier wird die Gitarre zur Waffe – kraftvolle Slides, aggressive Bendings und schnelle, bluesgetränkte Läufe dominieren das Bild. Diese raue Energie macht Sas’ Live-Auftritte so mitreißend und authentisch. Sein Timing ist dabei stets präzise, seine Rhythmen druckvoll und lebendig. Fantastisch unterstützt wird er dabei von Edwin van Huik am Bass und Lars-Erik van Elzakker mit sagenhaft gutem Timing und einer unglaublich gefühlvollen Empathie am Schlagzeug.
Vielfalt der Techniken
Sas bedient sich eines breiten Arsenals an Techniken, darunter ausdrucksstarkes Fingerpicking, geschmeidige Slides und funkige Double Stopps. Besonders in seinen Boogie-Stücken wie „Boogie All Around“ oder „Sugarcup Boogie“ wird sein technisches Können deutlich: Hier vereint er flüssige Läufe mit knackigen Riffs, die förmlich zum Tanzen einladen.
Verwurzelt in Tradition, offen für Neues
Ein weiterer Aspekt seines Stils ist sein Respekt für die Blues-Tradition. In Covers wie „Walking Blues“ oder „Hey Joe“ interpretiert er die Klassiker mit einer Frische, die zeigt, dass er den Blues zwar ehrt, ihn aber nicht als statisch versteht. Er fügt moderne Elemente hinzu, spielt mit Effekten und integriert kleine improvisatorische Ausflüge, die die Stücke immer wieder neu erfinden.
Gitarrensound: Warm und kraftvoll
Sas’ Sound ist ebenso bemerkenswert wie sein Spiel. Er bevorzugt einen warmen, druckvollen Klang, der aus seiner Vorliebe für Vintage-Verstärker und Gitarren wie der Gibson Les Paul oder Fender Stratocaster resultiert. Seine Tonwahl lässt die Gitarre sowohl rau als auch geschmeidig klingen, mit einer klaren Artikulation, die selbst in lauten Momenten die Feinheiten seines Spiels bewahrt.
Ein vielseitiger Bluesrock-Magier
Julian Sas ist ein Gitarrist, der die Kunst beherrscht, technische Virtuosität mit emotionaler Tiefe zu verbinden. Sein Stil ist kraftvoll, ausdrucksstark und tief im Blues verwurzelt, aber immer offen für Rock und andere Einflüsse. Ob gefühlvolle Balladen, energiegeladene Boogies oder raue Bluesrock-Tracks – Sas findet stets die perfekte Balance zwischen handwerklichem Können und Seele. Seine Gitarre ist nicht nur ein Instrument, sondern eine Verlängerung seiner selbst, mit der er Geschichten erzählt, die lange nachhallen. Die hektischen Riffs bei „Helping Hand“, auf den ein rasantes Solo folgt, „Blues For The Lost And Found“ gehört längst zu den Standards seiner Konzerte, besonders hübsch ist das Slide-Intro mit leichten Country-Anklängen bei „Turpentine Moan“, toller Moment bei unisono von Bass und Gitarre gespielten Part bei „Roll On“ – das waren mehr als zweieinhalb Stunden großartiger Bluesrock live!
Wenn es dieses Konzert auf einem Album gäbe, ich würde es sofort kaufen. Wie sieht es mal mit einer Live-Aufnahme in der Harmonie Bonn aus, wo es stets eine unglaubliche Energie aufgrund der tollen Fans gibt, fragen wir hinterher Julian. Seine Antwort: „Im Februar kommt mein neues Album raus, danach habe ich tatsächlich geplant, mal ein Live-Album in Bonn aufzunehmen.“
Setlist Julian Sas, 23. November 2024, Bonn:
Home Feeling
World On Fire
Leave It Up To You
Falling From The Edge Of The World
Stand Your Ground
Helping Hand
Blues For The Lost And Found
Tale Spreader
Turpentine Moan
Roll On
Ain’t No Change
Where Will It End (Slow Blues)
Sugarcup Boogie
Who Knows (Jimi Hendrix)
Hey Joe ( Billy Roberts Trad. Arr. Julian Sas)
Makin’ My Return
Devil Got My Number
Walking Blues (Robert Johnson Trad. Arr Julian Sas)
Bullfrog Blues (Trad.Arr Julian Sas)
Boogie All Around