Julian Sas im Interview: Das ist die beste Band, die ich je hatte

Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Julian Sas macht einen glücklichen Eindruck. Der 45-jährige Blues-Rock-Musiker aus dem niederländischen Beneden-Leeuwen hat gerade ein neues Album herausgebracht. „Coming Home“ ist vieldeutig gemeint. Mit dem sympathischen Gitarristen, Sänger, Komponisten, einem Dauergast in Bonn,  sprach Cem Akalin.

Julian, ich habe das Gefühl, dass du dich stilistisch geöffnet hast. Ich meine, was du machst, ist immer noch Bluesrock. Aber dein Gitarrenspiel wirkt offener. Stimmt mein Eindruck?

Julian: Ja, Cem, Ich denke, das stimmt. Ich habe die Gitarre immer als Stimme gesehen, die ich in vielerlei Hinsicht nutzen kann, es ist auch die Stimme meiner Seele. Und manchmal, wenn Worte versagen, dies ist der Weg, mich auszudrücken.

Was ist also auf deinem neuen Album geschehen?

JS Coming Home CoverJulian: Das ist sehr persönliches Album mit vielen Geschichten, die ich über die letzten Jahre selbst durchlebt habe: der Verlust von Freunden, die Veränderung der Welt, die Frage, wo wir Menschen stehen und wohin wir gehen… Diese Dinge beschäftigen mich. Ich musste einfach zu schreiben. Weißt du, wenn ich ins Studio gehe, dann stehen die Songs zu 40 Prozent fest, der Rest ist Improvisation. Ich spiele die Songs ein, wenn ich da bin. Dann gibt es keinen Gedanken mehr, der dem Ausdruck im Weg steht. Es MUSS aus dem dem Herzen kommen … und weil dies ein persönliches Album ist, ist das auch der Grund, dass es hundertprozentig offen ist, und ich bin stolz darauf, dass ich es nach all den Jahren immer noch so machen kann. Es ist ein tolles Gefühl.

Ich höre jedenfalls viele neue Seiten heraus. Von David Gilmour bis Gary Moore…. Wie kommt’s?

Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Julian: Weil ich ein Musiker bin. Ich höre alles Mögliche, nicht nur Blues, weil dein Geist offen für Musik sein sollte. Sonst gibt es kein Wachstum, für dich als Musiker herrscht sonst Stillstand. Während wir dieses Interview machen, höre ich Beethoven. Das ist Musik, die ich wirklich mag. Country, Jazz, nenne mir was immer du willst … ich höre alles, was mich fasziniert. Gary und David, die du da erwähnst, sind Gitarristen, die ich schon mein ganzes Leben höre, ganz große Klangartisten mit sehr unterschiedlichen Gefühlen, aber brillantem Sustain und KLANG. Toll! Gary Moore war auch Ire, so wie Rory, kam aber, nachdem ich Rory entdeckt hatte als ich noch jung war. Thin Lizzy und so weiter, große Harmonien. Gilmour der Meister musikalischen Landschaften, und ich bin wirklich Fan von seiner Art, nur ein paar Noten zu spielen, die dich aber unmittelbar treffen. Also: Wenn du diese beiden Herren in meiner Musik heraushörst, nehme ich das mal als ein großes Kompliment… (lacht)

Du hast dich immer klar zu deinen Vorbildern Peter Green und vor allem Rory Gallagher bekannt. Du hast einmal erzählt, dass du Gallagher damals innerhalb von fünf Jahren 21 Mal gesehen hast. Was hat dich so sehr an dem Iren fasziniert?

Julian: Rory war so ein kompletter Musiker für mich, ein großer Künstler, großer Songwriter und Gitarrist. Und der Mann konnte singen! Das Gleiche gilt für Peter Green. Aber Rory hatte für mich etwas Besonderes, was die Energieniveaus bei seinen Auftritten betraf. Er konnte die Bühne wirklich in eine neue Dimension erheben. Ich habe es wirklich genossen, wenn er auf der Bühne war, weil alles an ihm echt war! Er hatte einfach alles. Darum bin ich so viel in seine Konzerte gegangen, sie waren immer anders, es gab immer Freiraum für Improvisationen, auch deshalb, weil es den Jazz so liebte. Er verstand es diese vielen Stile miteinander zu verknüpfen, vor allem in seinen frühen Tagen mit Tates…

Die Band, mit der er zwischen 1966 und 1968 spielte, mit Eric Kitteringham am Bass und Norman Damery am Schlagzeug…

Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Julian: Yeah, damals hat er auch schon mal das Saxofon gespielt, meiner Meinung nach brilliant! … John Coltrane, was willst du mehr? (lacht) Ich denke, was wir gemein haben, auch wenn ich ihm nie persönlich begegnet bin, aber ich habe ja sehr oft mit seiner Band gespielt, und die Jungs haben mir viel über ihn erzählt… was wir also gemein haben, ist diese Offenheit für Musik, dass wir nicht immer nur dieses alte Zeug hören, verstehst du?. Ich glaube wirklich, das ist wichtig. Die hohe Energie, die er auf der Bühne hatte, das ist etwas, das ich auch mit meiner Band spüre. Wir spielen locker eine Zweieinhalb-Stunden-Show, und alles fließt einfach aus uns heraus… Musik und Energie: die beste Kombination…

Du spielst bis heute immer wenigstens ein Gallagher-Stück auf deinen Konzerten, und deine Verehrung für ihn ist ja auch tatsächlich nicht zu überhören. Dennoch hast du deine eigene Tonsprache entwickelt. Wie schwer ist es, da überhaupt seinen eigenen Stil zu entwickeln?

Julian: Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, als ich vor 30 Jahren anfangen habe. Damals habe ich, wie so viele andere auch, Cover-Songs von Hendrix Rory, Muddy und so gespielt. Aber das erste Mal, wenn du deinen eigenen Song schreibst, fühlst du eine Veränderung, du spürst, dass du dich der Musik ganz anders näherst, denn jetzt ist es deine Musik, dein Song, du erschaffst etwas. Das ist der erste Schritt zu deinem eigenen Stil, es entwickelt sich irgendwie, du wirst erfahrener und klüger und verstehst immer mehr, was funktioniert und was nicht. Das sind Dinge, die du auf diesem Weg lernst.

Es ist also etwas, das aus dir heraus wächst und gedeiht…

Julian: Heute Songs zu schreiben, ist für mich nicht hart, weil ich offen für das bin, was kommt. Wenn ich anfange nachzudenken, funktioniert es nicht! (Lacht) Dann machst du dein erstes Album, das zweite, Leute beginnen, deine Musik zu hören und sagen, das und das ist typisch für deine Musik und dann weißt du: Okay, du hast wohl einen eigenen Stil! Also: Ich habe niemals etwas „entwickelt“. Du hast Recht: Es wächst irgendwie aus mir heraus – während ich es tue. Mittlerweile ist es so, wenn ich einen Song höre, dass ich denke: Mann, an der Stelle hätte ich einen anderen Akkord genommen! (lacht) Dann weiß ich, dass ich meinen Stil habe. Aber, wie gesagt, es ist nichts, über das ich nachgedacht hätte. Wenn es in dir ist, dann kommt es auch raus…

Welche Anforderungen hast du an deinen Gitarrensound?

Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Julian: Ich habe gewechselt zu einem Fender Vibroverb Amp und einen Marshall JTM 45 mit einem 1960er TV Cabinet. Ich habe diese Ampts lange nur im Studio eingesetzt und sie passen perfekt zum Spiel von Roland. Das ist also mein aktueller Verstärkersatz…

Die geben einen warmen Vintagesound…

Julian: Nun, das Problem ist, dass ich so viele Verstärker habe. (lacht) Ich könnte praktisch über Nacht meine Verstärker auswechseln. Außerdem benutze ich ein Lehle 1@3 Pedal, zwei Tube Screamer, und manchmal benutze ich das Royal Blue, ein Driver von Mad Professor, das wirklich großartig ist, außerdem ein MXR Phaser und ein Vox Way sowie ein Carl Martin Reverb. Das ist die Grundlage, der Rest kommt aus den Fingern. Mit diesem Set habe ich eine perfekte Kombination aus Kontrolle und Rohheit, ein Sound, der rockt, der weich ist, manchmal jazzig und wild und bissig, alle Sounds sind da … und vor allem der lang anhaltende Sustain… glücklicher Mann!

[Für die Technikinteressierten: Mit dem Lehle 1@3 SGoS Switcher lässt sich zum Beispiel das Instrumentensignal auf drei Wege verteilen. Die Tubescreamer tauchten in den 70ern auf. Leute wie Stevie Ray Vaughan oder Gary Moore überstuerten ihre Amps damit, das Mad Professor Royal Blue Overdrive. Der Sound des MXR Phaser kann etwa auf Eddie Van Halens ”Eruption” schön gehört werden. Das Vox Way ist ein WahWah-Pedal, Das Carl Martin Reverb ist ein Hallgerät.]

Die Orgel ist ein neues Element in deiner Musik. Warum hast du dich dazu entschlossen, Roland Bakker in die Band zu holen? Und woher kennst du ihn?

Julian: Roland und ich haben mal vor Jahren zusammen in einer Show gespielt mit einem kompletten Orchester: Es hieß Symphony In Blues. Da haben wir uns getroffen, und wir hatten gleich die selbe Wellenlänge auf der Bühne, und das Wichtigste: den selben Humor! (lacht) Ich habe den Hammond-Sound schon immer geliebt. Aber die meisten Hammond-Organisten, die ich kenne, haben meistens nur einen Stil drauf, und das ist meistens so ein Jazz/Blues und sie spielen mehr als Begleiter. Roland ist gewiss nicht so einer. Wir lieben beide Deep Purple und Rainbow mit diesen Duellen zwischen Orgel und Gitarre! Als ich ihn also vor einem Jahr anrief und von meiner Vision erzählte und davon, in welche Richtung die Band gehen sollte und dass ich einen größerer Sound haben wollte, sagte er nur: Lass uns nicht lange reden, sondern einfach spielen! Und genau das tun wir. Wir haben ein paar mal geprobt, oh Mann, die Band ging dermaßen ab! Er musste einfach in die Band kommen. Ich hatte schon eine ganze Reihe von Songs für „Coming Home“ geschrieben, als Roland zur Band stieß. Er brachte seine eigenen Ideen mit, die wir dann eingebaut haben. Ich liebe die Interaktion mit ihm und den Sound!

Du hast dein Album „Coming Home“ genannt. Es ist ja wohl nicht nur ein Bekenntnis zu deiner geografischen Heimat?

Julian: Nein, obwohl alle Aufnahmen und Fotos in meiner Region gemacht wurden. Aber es geht tatsächlich ums zu sich selbst kommen, spirituell und im Leben. Mit der Band bin ich musikalisch angekommen.

Zu der auch ein neuer Bassist gehört…

Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Julian: Yeah, Fotis Anagnostou ist ein großartiger Bassist, und Rob Heijne, der schon seit elf Jahren in meiner Band ist, ist es auch. Dies ist die beste Band, die ich je hatte. Diese Band ist bereit für die Zukunft, sowohl musikalisch als was die Einstellung betrifft. Also für mich ist es wie nach Hause zu kommen, es fühlt sich an,, als ob ich erst gestern meine Gitarre umgeschnallt hätte… (lacht)

Wie du schon sagtest: „Coming Home“ meint auch, dass du musikalisch bei dir selbst angekommen bist. Was bedeutet dir das aktuelle Album?

Julian: Wie gesagt: Das Album ist ein sehr persönliches, mit vielen persönlichen Geschichten. Ich bin sehr stolz auf das Ergebnis. Und die Fans sind es auch. Sie lieben es, weil es echt ist. Ich habe übrigens schon neue Songs… Für das nächste Album will ich mi rim Mai alle Liveaufnahmen anhören und ein Live-Album herausbringen. Wir schreiben immer weiter, da ist noch viel Musik in dieser Band. Es ist unglaublich!

Letzte Frage: Hat es dich eigentlich niemals in die USA oder wenigstens nach England gezogen, ich meine dauerhaft?

Julian: Das Lustige ist ja, dass unsere Musik überall erfolgreich ist, weltweit. Das sehe ich am Vertrieb und an den Radio-Shows, die unsere Musik weltweit spielen. Wir haben viele Fans in den USA und in England, und ich liebe beide Länder. Wir haben schon ein paar Mal in England gespielt und wir werden wahrscheinlich wieder dort in diesem Jahr oder vielleicht im nächsten Jahr dort auf Tour gehen. In den USA habe ich meine Kontakte – also keine Sorge! (lacht) Ich bin ja nie weggezogen, weil ich mich hier, wo ich lebe, wohl fühle. Von hier aus kann ich überall hin reisen. Ich bin eben ein Junge vom Land, schon immer gewesen und werde es immer sein. Ich mag die kleine Stadt, in der ich lebe, die Stille, wenn ich Nachts nach Hause komme… das einfache Leben. Es ist hektisch genug, wenn du unterwegs bist. Aber mit dieser Band weiß ich noch nicht, wohin es uns treiben wird. (lacht) Mein erstes Album hieß „Where Will It End“ – und um ehrlich zu sein, weiß ich es immer noch nicht. Es ist vielversprechend , mit diesen Jungs…

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Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Julian Sas, 2014 in Harmonie, Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski