Sie nennen sich immer noch JCM. Nach ihren Vornamen Jon Hiseman, Clem Clempson, Mark Clarke. Doch Jon ist nicht mehr dabei. Der charismatische Drummer starb im vergangenen Sommer. Geblieben sind sein Vermächtnis und die Erinnerung an einen wunderbaren und kreativen Musiker, an einen starken Charakter. Clempson und Mark Clarke sind auf Tour: ”In Memory of Jon Hiseman”. Für Hiseman sitzt jetzt einer der besten Jazzdrummer Großbritanniens hinterm Schlagzeug, der Professor für Schlagwerk an der Royal Academy of Music, Ralph Salmins. Das Trio spielte sich am Montagabend in der Harmonie Bonn die Seele aus dem Leib.
Von Dylan Cem Akalin
Man kann es immer noch nicht fassen. Vor einem Jahr, am 22. April 2018, spielte JCM in der Harmonie. Nach dem Konzert schrieben wir, Jon Hiseman wirke „angeschlagen“. Was wir nicht ahnen konnten: Am 25. April 2018 wurde bei dem Drummer ein Hirntumor festgestellt. Es sollte Hisemans letztes Konzert gewesen sein. Am 12. Juni 2018 starb der legendäre Musiker im Alter von 73 Jahren nach einer Tumoroperation.
”In Memory of Jon Hiseman”
Vielleicht ist es die Erinnerung an diesen letzten öffentlichen Auftritt ihres Freundes, dass das Trio am Dienstag so dermaßen Gas gab. „Wir wollen das Leben und die Karriere feiern eines Musikers, der uns so sehr inspiriert hat“, sagt Eingangs Clem Clempson, bevor der Gitarrist rockig in das Colosseum-Stück „The Kettle“ einsteigt. Man hat fast das Gefühl, die drei konnten es gar nicht abwarten loszulegen, so stark geht es sofort los. „Strangeher“ beginnt mit Trommeln, so wild wie ein afrikanischer Tanz, doch Gitarre und Bass steigen mit Jazzmotiven ein, Clempsons Solo indes baut auf dem Blues auf.
Ralph Salmins ist ein fantastischer Drummer
Das Trio ist einfach stark. Mark Clarke ist nicht nur ein wirklich großartiger Sänger, der Mann ist ein Tornado am Bass, und Professor Ralph Salmins macht zwar überwiegend ein unbeteiligtes, cooles Gesicht. Aber, Mann, ist der präsent!
Die Jack Bruce-Komposition „Weird of Hermiston“ beginnt mit flirrenden Flageolette-Tönen aus Clempsons Gitarre. Clarkes Gesang ist klar wie ein Wintermorgen, Clempsons erstes Solo melodiös und zunächst zurückhaltend. Im zweiten Teil des Stücks aber spiele das Trio, als würden sie jeden Moment abheben. Der erste frenetische Applaus des Publikums.
„Rivers“
Einer der Höhepunkte des Abends war für mich „Rivers“ vom Colosseum II-Album „Electric Savage“, damals mit Gary Moore an der Gitarre. Es sei eines von Jon Hisemans Lieblingsstücken gewesen, sagt Mark Clarke. Die Ballade, so schön gesungen von Clarke, ist wirklich eine tolle Komposition. Der Bass gibt uns eine melodische Führung, die Gitarre beginnt mit Hall und viel Sustain und ausgespielter Tonfolge und steigert sich in einen schier unendlichen Flug durchs Gedankenuniversum.
Was für eine Energie bei „Yeah Yeah Yeah“. Das Schlagzeug bricht so stark aus sich aus, dass er die zwei Musiker vor sich hertreibt wie ein Bulldozer.
Der Humble Pie-Song „Four Day Creep“ hat ein Bassthema, das wirklich stark an Creams „Spoonful“ erinnert. Der Bluesrock-Song, den diesmal Clempson singt, ist so stark Riff-betont, dass er wie ein heißer Wind von der Bühne bläst. Der Mittelteil: Ruhiger, stoisch gespielter Rhythmusteil von Beckenorientierten Drums und Bass, über den sich Clempson mit Wah-Wah-verzerrter Gitarre austobt, das Tempo immer mehr anzieht und die Band beim Riff-Thema wieder einsteigt.
„Tomorrows Blues“
„Tomorrows Blues“ (Colosseum) beginnt mit einem „Take 5“-Rhythmus und schrägen Arpeggios, entwickelt sich aber in ein melodiöses Fusionwerk. Clempson singt den denkwürdigen Text: „Just one more day in the life/Your true destination/Secure in your eye/Like many of us who believe/We’re bound for a place they call paradise…“
Wir hören noch das in „Only Sixty“ umbenannte Stück der The Graham Bond Organisation, einer legendären britische Jazz/Rhythm and Blues-Band der frühen 1960er Jahre mit einer sensationellen Besetzung: Graham Bond, Jack Bruce (Bass), Ginger Baker (Schlagzeug), Dick Heckstall-Smith (Tenor- und Sopransaxophon) und Gitarrist John McLaughlin. Der Song ist stark bluesy.
„Grease the Wheels“ von Jack Bruce
In „Grease the Wheels“ von Jack Bruce geht es um Moral, um gewissenlose Politiker in gut sitzenden Anzügen, die die Räder des Systems gut schmieren. Der Song, der entfernt an „Trouble Every Day“ von Frank Zappa erinnert, hat einen leicht funky Bass in der Führung, und Clempsons Gitarre gleitet tatsächlich dahin wie geschmiert.
Das Trio spielt noch „Morning Story“ mit Clempson auf der schönen Ovation Akustik Gitarre, das ein fulminantes, am Flamenco orientiertes Zusammenspiel der Musiker am Ende hat. Das neunminütige Drumsolo, bei dem Ralph Salmins seine Trommeln zwischendurch sanft mit den Händen bearbeitet, mündet in eine fantastische Version von „The Inquisition“, bei dem Clempson orientalische Moods in sein Solo einfließen lässt. Mit Zugabe („Theme for an Imaginary Western“) spielt die Band fantastische zwei Stunden. Wunderbar!