So schön, so traurig: Cranberries „In The End“

The-Cranberries FOTO: Andy-Earl

Cranberries
In The End
VÖ: 26. April 2019
Label: Bmg Rights Management (Warner)

So schön, so traurig. Und die durchweg unterschwellige Melancholie in den Songs, die von innerer Zerrissenheit und Selbstzweifel erzählen, macht das Werk fast zu einem Vermächtnis einer Künstlerin mit Vorahnung. Jedenfalls wirft Dolores O’Riordans plötzlicher Tod Anfang 2018 ziemlich einen langen Schatten auf das letzte Album der Cranberries, das postum fertiggestellt wurde. Es ist am Freitag erschienen.

Von Dylan Cem Akalin

Viele der Titel – „Lost“, „All Over Now“ und „The Pressure“ – scheinen unbewusst auf ihr eigenes Ende hinzuweisen. Und dann gibt es auch noch die schreckliche Prägnanz des ersten Satzes im Eröffnungslied, die eine tragische Erinnerung an den Ort ihres Todes heraufbeschwört: „Remember the night in a hotel in London …” Dolores O’Riordan hatte gerade ihre Gesangsideen für das neue Album in einem Studio in London aufgenommen. Dann wurde sie tot in der Badewanne ihres Hotels entdeckt. Sie war ertrunken – mit 3,3 Promille Alkohol und jeder Menge Tabletten im Blut. Die Frau, die an einer bipolaren Störung litt, hat auf dem Album ein paar Songs hinterlassen, die so tief in ihre verlorene Seele blicken lassen. Und ihre Bandkollegen haben in liebevoller Fürsorge ein wundervolles musikalisches Epitaph produziert. Mehr über das Album: Animiertes Video, Background zum Album, Bad Wolves huldigen…

Voller zarter Hoffnung

Trotz der unterschwelligen Verzagtheit geht es doch in vielen Songs darum weiterzumachen, und O’Riordans Stimme ist stark, deutet aber eine gewisse Unruhe an, und scheint entkräftet von dieser inneren Unruhe zu sein. Und doch ist ihre immer noch jugendliche Stimme doch so voller zarter Hoffnung.

Musikalisch werden die Melodien in Art der Smiths, die New Order-Basslinien und bisweilen Ryhthmen von The Cure („Summer Song) durch Streicher und akzentuierten Pianoeinsätze verstärkt. „Wake Me When It´s Over“ erinnert mit seiner Mischung aus prosaischer Schönheit und aufrichtiger Aussage ein wenig an den Cranberries-Hit „Zombie“. Die Songs sind, und das macht vor allem ihre glockenklare Stimme, von einer so menschlichen Reinheit und Herzlichkeit. Und man glaubt Dolores jedes Wort, wenn sie über eine „Geschichte von Versagen und Ruhm“ oder „The Pressure“ singt. Und alles eingepackt in einen reizenden, klassischen, von Folk beeinflussten Pop.

Melancholie von verblichenen alten Farbfotografien

„Summer Song“ („Rolling on the grass/Some things never last…“) trägt trotz der Leichtigkeit die Melancholie von verblichenen alten Farbfotografien – insofern passt auch das wunderschöne Cover, das die Bandmitglieder als Kinder zeigt. Und man ist erinnert an alte Hits wie „Linger“ oder „Dreams“,

Und dann das schrecklich-schöne-traurige Titellied „In The End“, bei dem sicherlich bei vielen die Tränen laufen werden, wo O’Riordan singt, „Wenn alles, was du wolltest, nicht so war, wie du wolltest, wenn alles, wovon du geträumt hast, nicht so war, wie du es dir erträumt hast…“

Was für ein Epitaph

Das Besondere an den Songs ist ja, dass alle Gesangsaufnahmen eigentlich für Demo-Aufnahmen waren, also praktisch Skizzen von Songs, die sie und ihre Bandkollegen eigentlich erst noch im Studio entwickeln wollten. Und hier hört man so intensiv, warum sie eine so wichtige Stimme in den Neunzigern war. Da liegt diese hoffnungsvolle Traurigkeit auf ihrem Gesang, der auch auf „Zombie“  so stark ist. Das vielleicht sogar Brutale an diesem Album ist, dass diese Gefühle ungefiltert echt sind.  Und wenn ein Song wie „Illusion“ mit der Zeile endet „This is my conclusion for now“, dann ist das nur noch bewegend. Einen schöneren Abschied von ihr, als dieses Album zu Ende zu produzieren, kann es wohl nicht geben.

The-Cranberries FOTO: Andy-Earl