Jazzfest Bonn 2025 im Haus der Geschichte: Ein Abend zwischen Lautpoesie und Soulglut mit Fümms Bö Brass und dem James Carter Organ Trio

James Carter Organ Trio FOTO: Jazzfest Bonn / Thilo Beu

Das Jazzfest Bonn wagt erneut die Gratwanderung zwischen Tradition und Experiment, diesmal mit einem ungewöhnlichen Doppelkonzert: Auf der einen Seite das dadaistisch-kernige Blechgewitter von Fümms Bö Brass um Anke Lucks und – man staune – Thomas Krüger, eigentlich Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, der hier als Performer und Sprachmusiker eine ganz andere Facette zeigt. Auf der anderen Seite das vor Energie glühende James Carter Organ Trio, das mit Funk, Soul und sakraler Tiefe einen musikalischen Gottesdienst der besonderen Art zelebriert. Zwei Konzerte, zwei Haltungen – ein erinnerungswürdiger Abend.

Fümms Bö Brass: Dada trifft auf Dolphy

Die Bühne betritt zunächst das Ensemble mit dem vermutlich lautmalerischsten Namen des Festivals. Fümms Bö Brass – benannt nach dem legendären Auftaktlaut von Kurt Schwitters’ Ursonate – liefert genau das, was der Name verspricht: Lautpoesie, Rhythmuszertrümmerung, klangliche Grenzüberschreitung.

Thomas Krüger, sonst als Bildungsbürger in Anzug und Diskurs unterwegs, wirft sich mit beachtlicher Bühnenpräsenz in Schwitters’ „Ursonate“, die er nicht deklamiert, sondern regelrecht zerlegt, zerbirst, verspuckt – begleitet von Anke Lucks an der Posaune, deren Spiel zwischen brüllendem Blech, zarter Ironie und eruptivem Pathos changiert. Die Sprache wird Musik, das Musiktheater zur politischen Geste – ohne je platt zu werden.

Krüger/Lucks FOTO: Jazzfest Bonn / Thilo Beu

Mit „Godjama“ folgt ein archaisches Sprachspiel mit Groove-Elementen, eine Art rituelles Improvisationsstück, das an freie Musik der 1970er erinnert, aber in sich stimmig bleibt. Höhepunkt: „Burning Spear“ von Eric Dolphy – ein Stück, das in der Interpretation von Fümms Bö Brass seine Avantgarde-Qualitäten voll entfalten darf. Der Geist Dolphys weht durch die Blechbläserklänge, durch eruptive Ausbrüche und dissonante Reibungen. Was bleibt, ist ein seltsames Gefühl von Klarheit inmitten des Chaos.

James Carter Organ Trio: Eleganz, Feuer und eine Prise Sentimentalität

Nach kurzer Umbaupause dann der Kontrast in Reinform: Das James Carter Organ Trio bringt den Saal zum Grooven – mit „Oh Gee!“ als swingendem Auftakt, voller Drive, pulsierend, aber niemals manieriert.

Gerard Gibbs an der Hammond-Orgel webt Gospel-Akkorde mit Funk-Grooves, lässt Basslinien schnurren und Harmonien leuchten. Alexander White am Schlagzeug bringt nicht nur Rhythmus, sondern dramaturgische Präzision ins Spiel. „Silver’s Serenade“ von Horace Silver funkelt, „Surgery“ brennt heiß – Musik mit Körper und Geist.

James Carter Organ Trio FOTO: Jazzfest Bonn / Thilo Beu

Besonders berührend: „Feel Like Makin’ Love“ – sinnlich, zart, mit einem Tenorsaxophon-Ton, der wie geschmolzene Schokolade die Reihen füllt. Carter phrasiert mit einem tiefen Verständnis für Balladen, ohne in Kitsch zu kippen. Dann wieder swingende Härte bei „Bingo Domingo“, bluesige Lässigkeit in „Come Sunday“, die sich zur spirituellen Erhebung aufschwingt.

Zum Schluss: „A Flower Is A Lovesome Thing“ – Carter bläst mit einer Sanftheit, die nicht schwächt, sondern erleuchtet. Und schließlich: „How Am I to Know?“ – ein Fragezeichen als Rausschmeißer. Ironisch? Vielleicht. Sicher aber ein großartiger Abschluss.

Krüger/Lucks FOTO: Jazzfest Bonn / Thilo Beu

Setlist Fümms Bö Brass:

Die Ursonate
Godjama
Burning Spear (Eric Dolphy)

James Carter Organ Trio FOTO: Jazzfest Bonn / Thilo Beu

Setlist James Carter Organ Trio:

Oh Gee! (Matthew Gee)
Silver’s Serenade (Horace Silver)
Surgery (Eddie Davis)
Feel Like Makin‘ Love (Eugene McDaniels)
Bingo Domingo (Eddie „Lockjaw“ Davis/Johnny Griffin)
Come Sunday (Duke Ellington)
A Flower Is A Lovesome Thing (Billy Strayhorn)
How Am I to Know? (Dorothy Parker, Jack King)