Interview: Ernst-Ludwig Hartz über 2G-Lösungen, die KunstRasen-Saison und die Bedingungen der Veranstaltungsbranche

Ernst-Ludwig Hartz im Gespräch FOTO: Dylan Cem Akalin

Ernst-Ludwig Hartz ist der dienstälteste Veranstalter in Bonn. Kurz vor dem Konzert mit Rea Garvey sprachen mit „Ernest“, wie er genannt wird, über die Saison, das kommende Jahr und die Bedingungen für die Veranstaltungsbranche. Das Interview führte Dylan Cem Akalin.

Ernest, anderthalb Jahre keine Konzerte, dann Anfang August endlich das erste, und dann gleich ein Open-Air-Ereignis mit Element of Crime. Wie fühlt sich ein Konzertveranstalter, der seit mehr als 40 Jahren keine Woche mehr ohne Konzerte verbracht hat?

Ernst-Ludwig Hartz: Es war ein tolles Gefühl, als Element  of Crime auf der Bühne stand und ich von der Bühne in die glücklichen Gesichter der Gäste schauen konnte. Unsere letzten zwei Konzerte vor der Pandemie waren am 8. März 2020 Mitch Ryder in der Harmonie und Lloyd Cole im Pantheon. Hätte nicht gedacht, dass es so lange dauern würde, bis wir wieder Konzerte machen können.

Wie werden die Corona-Bestimmungen für Open-Air-Ereignisse vom Publikum angenommen? Was bedeuten sie für den Veranstalter?

Hartz: Die Besucher haben größtenteils Verständnis und akzeptieren die Vorgaben. Für uns als Veranstalter bedeuten die Bestimmungen mehr Arbeit, genaue Kontrollen der 3G -Regeln und als letztes auch Mehrkosten.

Sind die Menschen immer noch vorsichtig, was Großereignisse betrifft?

Hartz: Ja, das sind sie, vor allem die älteren Besucher. Wir merken das auch an den Verkaufszahlen – für jüngere Themen laufen besser. Da kaufen die Besucher Karten, bei den anderen Themen ist der Verkauf verhalten.

Ernst-Ludwig Hartz im Gespräch FOTO: Dylan Cem Akalin

Du hast dieses Jahr ein völlig neues Konzept: Neben Konzerten, gibt es Comedy und musikalische Lesungen. Was ist dein erstes Fazit?

Hartz: Das war ein Versuch, und wir mussten feststellen, dass andere Konzepte Open Air nicht in der Form funktionieren.

„Im Auto sitzen hat für mich nichts mit einem Konzerterlebnis zu tun“

Autokonzerte und Konzerte unter besonderen Corona-Bedingungen hast du nicht angeboten. Warum?

Hartz: Diese Konzepte habe ich von Anfang an abgelehnt – wir haben gewartet bis wieder Veranstaltungen auf dem Kunst!Rasen möglich sind. Im Auto sitzen hat für mich nichts mit einem Konzerterlebnis zu tun.

Zurzeit gehen die Inzidenzwerte wieder hoch, ein Ende dieser Pandemie ist irgendwie nicht abzusehen. Wie wird sich die Veranstaltungsbranche nach deiner Ansicht weiterentwickeln? Wann wird es wieder Konzerte und Tanzveranstaltungen geben, bei denen man nicht mehr Masken tragen und Abstand halten muss?

Hartz: Das ist schwer zu sagen, ich denke bevor wir wieder in eine Situation wie 2019, also vor der Pandemie, kommen, haben wird es 2023/2024 werden. Momentan haben wir ja nicht nur die großen Open Airs nach 2022 verlegt, sondern auch viele Hallen- oder Clubkonzerte, die sich nur mit voller Kapazität rechnen. Denke wenn 2G kommt, wird die Veranstaltungsbranche sich weiterentwickeln.

Ist 2G denn für dich eine Lösung? Also, dass nur Geimpfte und Genesene zu Konzerten zugelassen sind?

Hartz: Ja, das wird, glaube ich, die einzige Lösung sein, um auch wieder im Innenraum unbestuhlt und ohne Abstand  Konzerte genießen zu können.

In Berlin haben einige Clubs den Einlass an PCR-Tests geknüpft – und zwar an alle. Dafür gibt es keine Einschränkungen mehr. Ist das die Lösung?

Hartz: Das glaube ich nicht, dass es so funktioniert. Denn PCR-Tests sind einfach teuer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Besucher auf den Eintrittspreis nochmal 80 bis 100 Euro für einen PCR-Test ausgeben wollen.

Gut besucht: Konzert von Rea Garvey. FOTO: ELH

Was bedeuten die allgemeinen behördlichen Vorgaben für Veranstalter und Künstler? Ihr müsse zum Beispiel jedes Jahr für den KunstRasen eine Baugenehmigung beantrage, etliche Lärmvorgaben erfüllen – sicher ein hoher Faktor für Produktionskosten.

Hartz: Ja, das ist es aber schon seit Jahren so. Wir müssen die Auflagen erfüllen, und Katrin Wurm von der Kunst!Rasen GmbH hat damit viel zu tun.

„Neil Young kann in Bonn leider nicht funktionieren“

Du hast schon Künstlerabsagen aufgrund der vorgegebenen Dezibelgrenze gehabt. Welche waren das? Und warum konnte es da keine Kompromisse geben?

Hartz: Im Vorfeld werden die Künstler über die Dezibelwerte informiert, und wir verpflichten keinen Künstler, bei dem wir im Vorfeld wissen, dass das Probleme geben könnte. Künstler wie Neil Young Seeed oder einige Metal-Bands kommen dann leider nicht nach Bonn. Absagen von Konzerten, die schon im Vorverkauf waren, hatten wir jedenfalls aus diesem Grund keine, weil wir stets im Vorfeld die Bedingungen geklärt hatten.

Warum sind dann Konzerte in anderen Städten erlaubt? Neil Young etwa durfte im Mainer Zollhafen vor einigen Jahren auftreten – ohne Beschränkungen.

Hartz: Die Auflagen sind von Bundesland zu Bundesland leider verschieden – deshalb konnte er in Mainz spielen. Ich habe im Vorfeld mit dem Agenten über die Auflagen gesprochen, und wir sind überein gekommen,  dass Neil Young in Bonn leider nicht funktioniert. Das bedaure ich sehr, weil er einer meiner Lieblingskünstler ist.

Muss es neue Bedingungen für die Branche geben, damit sich Open-Air noch lohnt? 

Hartz: Das würde ich jedenfalls sehr begrüßen. Eine Überarbeitung der Lautstärkebegrenzung oder auch der strikte 22.00-Uhr-Curfew sind zwei Punkte, die uns helfen würden.

Wie könnte das zum Beispiel aussehen?

Hartz: Ich denke da etwa daran, das Ende von Konzerten an Freitagen und Samstagen beispielsweise auf 23 Uhr hochzusetzen. Das würde vieles einfacher machen. Für uns als Veranstalter, aber auch für die Fans.

Wie zufrieden bist du mit dem bisherigen Verlauf des Kunst!Rasens? 

Hartz: Unter den gegebenen Umständen bin ich zufrieden, und wir sind froh, dass wir den Zeitraum nur auf August verkürzt haben. Dass die Konzerte alle bestuhlt stattfinden mussten, kam bei den Besuchern gut an. Die Verlegung von zwei ausverkauften Konzerten von LEA auf den 15.07.22 war natürlich sehr  schade, bei  Jan Delay & Disko No 1 sind beide Abends am 24. Und 25. August übrigens ausverkauft.

Was wird sich inhaltlich im kommenden Jahr ändern?

Hartz: Inhaltlich setzen wir auf Bewährtes und schauen noch nach einigen interessanten Acts.

Gibt es Künstler/Genres, die open-air nicht funktionieren? 

Hartz: Ja, das haben dieses Jahr gesehen – Künstler/innen wie Vicky Leandros oder Heinz Rudolf Kunze funktionieren bei einem so großen Gelände nicht – die Zuschauer wollen die Künstler lieber in einer Halle oder einem Club sehen.

In Verhandlungen für Eröffnungsabend auf dem Hofgarten Bonn

Was ist mit den geplanten und zweimal verschobenen Konzerten auf der Hofgartenwiese? Da sind ja Kraftwerk, Robbie Williams und die Fanta4 vorgesehen.

Hartz: Wir planen für das Maiwochenende (12.-15.05.22) und sind gerade mit einigen Künstlern für den Eröffnungsabend am 12. Mai 22 in Verhandlungen und hoffen natürlich, dass die Konzerte dann auch unbestuhlt und ohne Abstand stattfinden können.

Und wie sieht es mit den anderen Projekten?

Hartz: Im kommenden Jahr hoffen wir, alle geplanten Open Airs nachholen zu können. Neben dem Kunst!Rasen ist das bei mir noch die Reihe „Weltstars auf dem Roncalliplatz“ in Köln wo bis jetzt Tom Jones für den 28. Juli 2022 und die Pixies für den 30. Juli 2022 bestätigt sind. Und dann sind da ja auch die Open-Air-Konzerte auf der schönen Insel Grafenwerth Bad Honnef, wo bis jetzt Andreas Vollenweider (05.06.), Patti Smith (06.06.) oder Pink Floyd’s Nick Mason am 02.07.22 auftreten werden. Weitere Künstler folgen.