Interview: Andreas Bourani geht auf Tour und kommt nach Bonn

Andreas_Bourani FOTO: Promo/fourartists

Andreas Bourani kommt am 30. Juni nach Bonn und tritt auf dem Kunst!Rasen auf. Mit dem 33-Jährigen sprechen wir insbesondere über seine Texte, über Herkunft, Identität und Liebe. Mit Bourani sprach Dylan C. Akalin

Andreas, als ich mir Ihre Texte noch mal durchgelesen habe, ist mir aufgefallen, dass sie recht offen sind, also im Sinne von, dass sie größeren Raum für Interpretationen lassen. Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, es sind keine reinen Liebeslieder?

Andreas Bourani: Ja, tatsächlich ist es so, dass ich behaupten möchte, dass ich noch nie ein Liebeslied geschrieben habe.

Andreas_Bourani FOTO: Promo/fourartists

Ach?

Bourani: Ja! Ich hatte immer Probleme damit, weil Liebeslieder auf Deutsch irgendwie immer kitschig klingen. Und dass sie immer so schlagerbehaftet waren. Weil im Schlager wird ja immer die Liebe besungen. Dagegen habe ich mich eigentlich immer gewehrt. Un einem Song wie „Ultraleicht“ zum Beispiel, da geht es zwar um eine Verbindung zu einer Person, aber es ist eigentlich keine Liebesgeschichte.

Es handelt ja schon von einer bestimmten Person.

Bourani: Ja, ja. jede Verbindung hat ja eigentlich irgendwas mit Liebe zu tun. Aber dennoch ist es ja kein Liebeslied.

Trennungslieder sind ja eigentlich auch Liebeslieder.

Bourani: Naja, das finde ich eigentlich nicht. Wenn die Liebe vorbei ist, dann ist das doch eine andere Emotion, etwas anderes, als die Liebe zu preisen. Das einzige Liebeslied, das ich gelungen finde, ist „Der Weg“ von Herbert Grönemeyer. Das ist ein grandioser Text mit Tiefgang. Man spürt geradezu die tiefe Verbundenheit zu einer Person. Und ich dachte mir immer, wenn ich das nicht hinkriege, dann kann mir gar nicht erlaubt sein, ein Liebeslied zu schreiben.

Ihr Song „Auf anderen Wegen“ …

Bourani: … handelt von zwei Personen, die sich in der Beziehung nicht mehr wohl fühlen. Ich finde das ist ein ganz anderes Gefühl. Das hat ja mit Schmerz und Loslassen zu tun! Ich habe tatsächlich das Thema Loslassen viel mehr thematisiert, als von Liebesbeziehungen zu erzählen.

Zum Beispiel auch bei „Hey“!

Bourani: Ja genau. Da geht es auch darum, loszulassen, nicht mehr perfekt sein zu müssen, mit sich nicht zu hart ins Gericht zu gehen.

Andreas Bourani:  Identität ist eine Gestaltungssache.

Man kann in ihren Texten tatsächlich auch etwas anderes heraushören. Zum Beispiel bei „Alles beim Alten“.  Man könnte das auch so verstehen, dass es da um jemanden geht, der auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist. Stimmen Sie mir zu?

Bourani: Ja, das ist zwar auch richtig, aber dazu muss ich auch etwas erklären. Es heißt ja auch in dem Song: „Ich gehör‘ vom ganzen Herzen dorthin, wo ich nicht bin…“

Eben!

Bourani: Das heißt doch, man ist getrieben, ständig auf der Suche nach einem Ort, wo man nicht ist, weil man ständig weiter muss. Für mich bedeutet Identität, nicht in die Vergangenheit zu gehen. Identität ist für mich eine Gestaltungssache. Ich bin jemand, der an die Gestaltungsfähigkeit der Persönlichkeit glaubt. Auch an die Veränderung. Und das ist etwas, das in der Zukunft liegt.

In diesem Lied heißt es aber auch gleichzeitig: „Vielleicht werde ich ein ewig Suchender sein.“

Bourani: Ja, das ist ja in der Zukunft. Vielleicht bin ich ja ein ewig Suchender. Ich glaube, dass Identität nichts mit Ankommen zu tun hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen uns ständig verändern und damit auch in der Hand haben, wer wir sein möchten. Natürlich haben wir auch Fähigkeiten, die uns vielleicht in die Wiege gelegt wurden und wir sind an gewisse Dinge gebunden: Der eine hat dieses Talent, der andere kann das besser. Aber man ist doch relativ frei in dem, was man machen möchte.

Bourani: Wie charakterbildend ist es zu wissen, von wem man abstammt?

Sie sind doch ein Mensch, der eigentlich nicht so richtig weiß, wo seine Wurzeln sind?

Bourani: Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es mein Leben, selbst wenn ich es wüsste, nicht verändern würde. Wenn ich jetzt wüsste, dass ich halber Türke bin oder Amerikaner oder Brasilianer oder was auch immer — und ich habe dazu ja überhaupt keine Informationen — dann wäre das für mich ja nur ein kultureller Bezug, der mich aber maßgeblich nicht beeinflusst hat. Ich finde auch, dass das Schubladendenken ist,  wenn man sagte, dass irgendwas in den Genen läge. Das würde Klischees bedienen.

Herkunft hat doch nichts mit Klischees zu tun.

Bourani: Ich bin ja in Augsburg geboren. So. Ich bin dort aufgewachsen, bin katholisch erzogen worden, das alles hat mich ja beeinflusst. Wenn ich jetzt erführe, ich habe einen Vater aus Hawaii oder weiß der Kuckuck woher, dann würde ich vielleicht schauen, was ist denn typisch für Hawaiianer? Dann würde ich ja bewusst, weil ich ja den Fokus darauf legen würde, denken, ach ja, das Rhythmusgefühl, das habe ich also von den Hawaiianern. Ich frage mich, wie das dann tatsächlich charakterbildend auf mich Einfluss nähme?

Denken Sie nie darüber nach, wer oder was Sie hätten sein können, wenn Sie bei ihren leiblichen Eltern groß geworden wären?

Bourani: Nein. Das ist ja eine Träumerei, das ist Fantasterei. Das bringt mich nicht weiter. Das führt doch zu nichts. Ich beschäftige mich lieber damit, wer ich sein kann, als damit, wer ich hätte sein können.

Sie sind in Augsburg geboren und als Andreas Stiegelmair aufgewachsen.

Bourani: Ja, das ist der Name meiner Eltern.

Aber dann haben Sie irgendwann den Namen Bourani angenommen. Warum?

Bourani: Das hat einen ganz einfachen Grund. Weil ich versucht habe, den Namen meiner Eltern aus der Öffentlichkeit rauszuhalten. Bourani ist ja mein Geburtsname, und den habe ich irgendwann wieder angenommen. Das ist einfach nur ein Schutz. Der Name steht auch in meinem Personalausweis. Ich identifiziere mich natürlich mehr mit dem Namen Bourani, und der klingt natürlich auch ein wenig besser.

Das hat also nichts damit zu tun, dass Sie auf der Suche nach dem waren, wo Sie herkommen?

Bourani: Nein, überhaupt nicht. Ich respektiere eben, dass meine Eltern nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen. Aber das hat ja nicht funktioniert, wie Sie sehen.

Bourani: Ja, ich bin Buddhist

Ich komme auf das Thema, weil ich finde, dass Ihre Texte sich um solche Themen drehen. Zum Beispiel im Lied „Wieder am Leben“. Da geht es auch darum, das Vergangene abzuschütteln und neu anzufangen. Das hat doch auch etwas damit zu tun, dass Sie den einen Namen abgelegt und einen neuen angenommen haben.

Bourani: Dennoch hat das nichts mit Identität zu tun, sondern mit meiner Lebensphilosophie. Ich finde, die größte Herausforderung im Leben ist loszulassen. Nicht zurückzublicken. Man kann sich nur ändern, wenn man sich von Dingen löst, und das hat für mich nichts mit Flucht zu tun, sondern mit Anerkennung des Lebens. Das ist eine Wahrheit, die ich leben möchte. Das Leben ist ein Fluss, und wir sind Menschen, die sich verändern. Bei mir war es so, dass ich nach dem Erfolg der ersten Platte froh war, auch etwas loszulassen.

Was denn?

Bourani: Meine Verbissenheit zum Beispiel, verbissen an einem Traum festzuhalten, Rückschläge auszuhalten, Zweifel an sich selbst zu haben, Angst zu versagen, Existenzängste, weil man von der Kunst leben möchte. Und da ist mir klar geworden, die Vergangenheit loszulassen, ist auch eine Befreiung.

Das alles klingt, als seien Sie Buddhist Sind Sie einer?

Bourani: Inzwischen ja.

Dann kann ich mir diese Texte auch erklären. Wenn es zum Beispiel heißt: „Ich sitze da und atme leise, um unbemerkt eine Weile zu allem zu gehören“. An dieser Zeile bin ich hängengeblieben, weil das auch eine sehr schöne Vorstellung ist. Hat das etwas mit einer philosophischen oder buddhistischen Anschauung zu tun?

Bourani: Ich habe den Buddhismus ganz neu wieder schätzen gelernt. Ich war gerade auf einer achtwöchigen Asienreise. Mit dem Rucksack. Und ich hatte mich schon immer für Meditation interessiert, und der Buddhismus ist ja  eine Lebenslehre, eine Wahrheitslehre. Und deshalb kann ich mich damit sehr gut identifizieren. Und auf dieser Reise bin ich dem Buddhismus wieder nähergekommen. Ich bin jetzt nicht beigetreten in eine Institution, weil ich gegen religiöse Institutionen bin. Aber ich lebe den Buddhismus.

Ich habe Sie damals vor 20 Jahren bei der Castingshow im ZDF gesehen. Damals dachte man noch, ach, das ist eine Art zweiter Version von Xavier Naidoo. Und dann tauchten Sie ein paar Jahre später auf mit einem ganz eigenen Ausdruck. Was ist geschehen?

Bourani: Ich habe natürlich wie jeder andere Künstler auch einen Prozess durchlaufen, einen Prozess der  Selbstfindung und daran rumgemeißelt, wer ich bin, was ich zu erzählen habe.

War es schwierig, sich mit dieser markanten Bariton-Stimme durchzusetzen?

Bourani: Nein, daran habe ich auch nie gedacht. Ich habe immer nur daran gedacht, wie gut musst du sein, dass es klappt? Ich habe mich mehr darauf besonnen, in dem besser zu werden, was ich machen möchte.

Bourani: Ich bin dankbar

Was bedeutet Ihnen denn der sagenhafte Erfolg, den Sie haben?

Bourani: Ich bin sehr dankbar dafür. Das waren ein paar sehr schöne Momente — damals bei der WM, das Duett mit Sido…

Wann haben Sie zum ersten Mal wahrgenommen, dass Sie zur ersten Riege der deutschen Popmusik gehören?

Bourani: Das Urteil fällen ja immer andere. Mir geht es darum, möglichst viele Menschen zu berühren und Musik zu schreiben, die gut genug ist, so viele Menschen zu erreichen.

Sie haben ja auch in der Reihe mitgemacht „Sing meinen Song“.

Bourani: Ja, das war spannend, zum Beispiel Hartmut Engler zu treffen, der mit Pur ja 15 Jahre vorher Erfolg hatte. Oder die Prinzen, mit denen ich groß geworden bin.

Hat Sie da einer besonders überrascht?

Bourani: Ja, Xavier Naidoo, der meinen Titel „Auf uns“ gesungen hat. Ich hatte den Song eigentlich für einen Freundeskreis geschrieben, und er hat den Song in dieser Sendung wieder zurückgeführt. Es geht ja um Freunde, mit denen man abends an einem Tisch sitzt, etwas trinkt und eben auf das Leben anstößt. Das war schon ein sehr emotionaler Moment.

 

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„DIE WELT VON OBEN“ – TOUR 2017

30.06.2017          Bonn l Kunst!Rasen Gronau
21.07.2017          Emmendingen l I EM MUSIC! 2017
22.07.2017          Tüßling l Raiffeisen Kultursommer
04.08.2017          Osnabrück l Schlossgarten
06.08.2017          Ludwigsburg l Music Open
26.08.2017          Coburg l HUK Coburg Open Air Sommer
28.08.2017          Bochum l Zeltfestival Ruhr
09.09.2017          Papenburg l Meyer Werft