Sie ist einfach hinreißend. Die schon in frühen Jahren als Wunderkind gefeierte Sängerin und Trompeterin Andrea Motis kommt in einem schlichten Sommerkleid auf die Bühne, wirkt scheu, besonders bei ihren Ansagen, wenn sie aber singt oder ihre Trompete spielt, die Augen schließt und zur Musik ihrer Band versonnen tanzt, dann ist sie eins mit ihrer Musik. Die sympathische 27-jährige Künstlerin aus Barcelona wird beim Jazzfest Bonn im Pantheon engagiert gefeiert – ihre CDs, die sie im Anschluss anbietet, sind im Nu ausverkauft.
Von Dylan Cem Akalin
Ihr Gesang hat diese unschuldige, perlende Klarheit von Astrud Gilberto, diese introvertierte Coolness, in der Vibrato oder andere Spielereien den kalkulierten Strom nur stören würden. Der Unterschied zu der berühmten Bossa Nova-Königin besteht vielleicht darin, dass Motis es vermeidet, zu sehr in eine romantische, ätherische Richtung zu kippen – trotz einer sanften, beruhigenden Intonation. Andrea Motis‘ Gesang ist von einer ehrlichen, reifen stimmlichen Ausdruckskraft.
„Loopholes“ beginnt mit einer ebenso sauber gespielten Halbakustikgitarre, der Song kippt dann aber in ein instrumentales Durcheinander, aus dem sich das Thema zusammenrappelt. Und es zeigt sich gleich, dass es nicht nur ihre Gesangskunst und diese Stimme sind, die klingt, als würde sie beim Singen kaum ausatmen, die die Jazzwelt fasziniert, seit sie mit 16 Jahren mit dem bekannten spanischen Saxophonisten Joan Chamorro ein Album aufnahm. Es sind auch dieses lässige Timing und die intelligenten, sparsamen Scat-Improvisationen (wie etwa bei „I Had To Write A Song For You“) und ihr großartiges ausgeglichenes Trompetenspiel. Es ist geprägt vom Hard Bop der 60er Jahre.
Bemerkenswerte Band
Ihr Solo auf dem leicht funkigen „Deixa’t Anar“ ist noch sehr traditionell, bei „Babies“ zeigt sich ihre Sicherheit, bei „Jungla“ drängt sie ihre Band aus der Komfortzone, setzt auf Gegensätze zwischen freiem Spiel und zerbrechlichen Nuancen. Motis kann stolz auf ihre Band sein, die ihr stets folgt wie eine Formation von Kranichen. Das ist bemerkenswert, wie sehr sie auf jede kleinste Wendung eingeht. Sie kann sich voll auf sie verlassen, wenn sie die Stimme senkt, bis nicht mehr als ein Hauchen wahrzunehmen ist oder sie ein kraftvolles Trompetensolo spielt.
Zum fesselnden Gesamteindruck gehören auch die Einzelleistungen von Arecio Smith, der am Keyboard sowohl flirrende Pianosoli spielt als auch minimalistische Soundeinwürfe beisteuert, Juan Berbín als sensibler Drummer, Pedro Campos als stets verlässlicher und glaubwürdiger Bassist und natürlich Christoph Mallinger mit vokaler Zweitstimme, an der Gitarre, der Mandoline oder der Geige. Als prägnante Soli, die auch mal gehörig gegen den ästhetischen Strich gehen, bleiben seine Violineinlagen in Erinnerung. Zu „Espera“ spielt er ein romantisches Mandolinen-Intro. Zur Bob Marley-Nummer „Is This Love?“ ein reduziertes Gitarrenspiel mit effektvollen Flageoletttönen. Die Trompete erinnert hier an William King von den Commodores.
Andrea Motis und ihre Band wurden folgerichtig gefeiert und durften ohne Zugabe nicht die Bühne verlassen.